TV-Kritik zu "Krömer — Late Night Show" "Sag bloß nicht das F-Wort!"

Berlin · Die sanft-anheimelnden Takte von "L.O.V.E." erklingen kurz vor Mitternacht im Ersten, und damit ist es amtlich: Kurt Krömer ist zurück. Am Donnerstagabend startete seine "Late Night Show" in die nunmehr dritte Staffel – und zwar mit keinem geringeren Gast als Klaus Wowereit, (noch) Regierender Bürgermeister von Berlin.

Klaus Wowereit zu Gast bei "Krömer – Late Night Show"
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Klaus Wowereit zu Gast bei "Krömer – Late Night Show"

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Die sanft-anheimelnden Takte von "L.O.V.E." erklingen kurz vor Mitternacht im Ersten, und damit ist es amtlich: Kurt Krömer ist zurück. Am Donnerstagabend startete seine "Late Night Show" in die nunmehr dritte Staffel — und zwar mit keinem geringeren Gast als Klaus Wowereit, (noch) Regierender Bürgermeister von Berlin.

ARD- und Talkshow-Fans können sich wieder darüber amüsieren, wie der Moderator seine Gäste anfrotzelt. Die Sendung ist irgendwo zwischen dem vorführenden Charakter von "Roche und Böhmermann" (ZDFkultur, leider abgesetzt) und dem Mitmachprogramm von "Zimmer frei" (WDR) angesiedelt. Mit Krömers einschlägigem Berliner Dialekt und seiner bewusst zelebrierten schnodderigen Art mutet seine Show außerdem ein wenig wie "Inas Nacht" (NDR) an. Alles in allem also öffentlich-rechtliches Qualitätsfernsehen "at its best".

Dieses Image wird auch gleich zu Beginn persifliert — mit Retro-Anzug und übernatürlich perfekten Zähnen strahlt Krömer den Zuschauern entgegen: "Freundschaft hat einen Namen. ARD". Denn die besteht zwischen ihm und seinem Gast, der "kurz nach dem dreißigjährigen Krieg" (Krömer) schon mal da war: Für den Einstand in die dritte Staffel nimmt die Berliner Schnauze Klaus Wowereit auf's Korn.

Der produzierende rbb rühmte sich im Vorfeld der Sendung damit, das leidige Bürgermeisterthema während des Interviews komplett auszusparen. Selbstironisch liefert die Redaktion im darauffolgenden Satz den Grund: Die Sendung wurde schon im Juli aufgezeichnet, lange bevor Wowereits politische Pläne bekannt waren.

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Doch Krömer wäre nicht Krömer, nämlich originell und witzig, wenn er dieses kleine hinderliche Detail nicht auch noch irgendwie ins Lustige verkehren könnte: Er beginnt einfach mit einem nachgedrehten Einspieler. "Och Mensch Klaus, ich werde traurig sein." Liebevolle Umarmung und natürlich ein bisschen Berliner Schnauze: Wowereit sei doch jetzt ein psychisches Wrack nach den Jahren der Vollspannung. Aber "Krömer ist noch da" (Wowereit) — und Sendung ab.

Es dauert keine fünf Minuten, da macht der Moderator in gewohnter Manier seine Gäste an ("Bist du geschrumpft?" zu Wowereit) und frotzelt in Richtung Publikum ("Was klatschst du denn jetzt!?"). Albern-ironische Schnittanweisungen (bei einer live-on-tape-Sendung) zeichnen die Show ohnehin aus ("Schneid das raus, Meier!").

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Foto: dpa, rhi hpl

Neu in dieser Staffel: Ein roter Buzzer, den Krömer immer dann betätigt, wenn Schleichwerbung droht ("Fanta"). Und zum roten Faden und strategischem Stilelement der Sendung macht. Denn: Das "F-Wort" (Berliner Flughafen) muss auf jeden Fall vermieden werden, um "seine Exzellenz" Wowereit nicht zu verärgern; das macht "seine Niedlichkeit" (Wowereit zu Krömer) in mehreren Hinterbühne-Besprechungen den anderen Gästen deutlich.

Die da wären: Olaf Schubert im ewiggleichen Kult-Pullunder und mit lustig verschrobenen politbürokratischen Sätzen wie "Als mündiger Bürger bin ich stets informiert über die Vorgänge in unserem Land". Außerdem Micky Beisenherz, der selbsternannte "Wayne Carpendale der Autorengilde", der die Zusammenarbeit mit Mario Barth beenden musste, weil Letzterer in seiner Gegenwart permanent geil geworden sei.

An dieser Stelle Überraschung: Krömer kann nicht nur meckern, sondern auch loben, nämlich bis zum Abwinken. Gefühlte zehnmal stellt er fest: "Du bist schön! Du bist ein schöner Mann!" Und redet danach auch mal mit Wowereit Tacheles im Hinterzimmer, Stichwort "er Dresden, air Berlin": "Auch du solltest das vermeiden, ich halte dit hier hoch für euch alle."

Zwischendurch stürmt er als pinker "Super Fred" mit Pickelhaube und buntem Umhang eine U-Bahn-Station, legt sich mit den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) an und flüchtet mit einer überrumpelten Passantin vor seiner eigenen (von der BVG nicht genehmigten) Kamera. Klar, dass auch das Wort "U-Bahn" durch den Buzzer überpiept werden muss: es sind bei Krömer nur "die gelben Züge, die durch Berlin fahren im Tunnel". Das Studio-Publikum brüllt, wieder mal.

"Sie dürfen fahren … jetze!"

In einer anderen MAZ pöbelt "Super Fred" vor H&M ("alles Kinderarbeit!"), angeschlossenen Fahrrädern ("Ist das ihrs? Nicht dass sie es klauen!") und auf der Fahrbahn bei grüner Ampel ("Sie dürfen fahren … jetze!"). Immer wieder herrlich zu beobachten, wie die ahnungs- und arglosen Passanten bei so ziemlich allem mitspielen, sich von Krömer bzw. "Super Fred" belehren und zurechtweisen lassen.

Kurz vor Schluss mit der Band "Juli" und "Insel" (oder andersrum, Krömer vertauscht es einfach) wird noch kurz im Fernsehen geraucht (Krömer) beziehungsweise gehustet (Olaf Schubert), auch wenn man mit diesem Zug "sofort 500.000 Leute verliert". Wowereit bekennt, dass er weder die Flippers noch Helene Fischer mag, Silly wären aber OK. Und dann sind die 30 Minuten Klamauk, Slapstick, Ironie und Post-Ironie (jeder verarscht einfach jeden) schon wieder vorbei. "Das war's gewesen" (Krömer).

"Hey, es hat doch gerade erst angefangen, ich will noch weiter lachen!" Auch für dieses unter Fans verbreitete Gefühl hat die rbb-Redaktion Abhilfe geschaffen — beziehungsweise einen Ab-Abspann: "Krömer am Ende — 15 Minuten Nachschlag im Internet." Der Moderator, die Gäste und die Band setzen einfach die Sofa-Runde fort und sinnieren über Bandscheiben und Knie (Krömer wird Ende November 40). Passt wohl ganz gut zur ARD, findet Krömer — und die ersten Zuschauer seien ja eh schon wieder wach. Besser ist auch: Nächste Woche geht's weiter.

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