Mainz Leben für die hellen Momente

Mainz · Das ZDF zeigt eine Tragikomödie zum Thema Demenz mit Robert Atzorn in der Hauptrolle.

Kann man das Phänomen Demenz aus der Sicht des Betroffenen erzählen und den Vergessenden selbst in den Mittelpunkt stellen? Als immer mehr Menschen aus seinem persönlichen Umfeld an Demenz erkrankten, wagte der Regisseur Gernot Krää den Versuch und verfasste ein Drehbuch. Darin ging es auch um das Verschwinden der Erinnerung, mehr aber noch um das intensive Erleben des Augenblicks. Zugleich führte Krää Regie.

Der Film ist ein Wagnis, schließlich gab es in letzter Zeit mehrere, zum Teil sehr gute Verfilmungen zum Thema Demenz. Krääs Werk besticht durch seine authentischen Momente. Für sie sorgt Robert Atzorn, der den pensionierten Brückenbauingenieur Alexander überzeugend spielt. Schließlich hat Atzorn den langsamen Verfall seiner eigenen Mutter miterlebt, die 2013 an Demenz starb. Der Pensionär Alexander - Witwer, Vater und Großvater - genießt das Leben in vollen Zügen. Er lebt allein in seiner Villa, ist neu verliebt und kostet aus, was ihm die Freiheiten eines Rentnerdaseins bieten. Alexander pflegt einen großzügigen Lebensstil und geht mit Belinda (Natalia Belitski), seiner Geliebten, am liebsten Austern essen. Dabei hält er gern kleine Vorträge über die Eigenarten dieser Meerestiere. Auch zu seinem Enkel hat er ein gutes Verhältnis und dekliniert auf den gemeinsamen Spaziergängen mit ihm die physikalischen Grundgesetze.

Alexander bewegt sich meist unauffällig durch den Alltag, doch allmählich bemerkt er zunehmende Erinnerungslücken. Sein Sohn und seine Tochter machen sich große Sorgen. Als ihr Vater sie meist kaum wiedererkennt und Klinik- und Arzttermine vergisst, beschließen sie, ihn vor sich selbst zu schützen. Sie besichtigen mit ihm eine Seniorenresidenz. Aber Alexander entwischt ihnen und fährt in seinem Oldtimer mit Belinda nach Italien. Ziel ist das Ferienhaus der Familie. Dass er es verkauft hat, ist ihm entfallen.

Der Regisseur, der auch den preisgekrönten Kinderkrimi "Paulas Geheimnis" machte, wählt für Alexanders immer wieder auftauchende Erinnerungsfetzen eine episodische Darstellungsform. Diese eignet sich besonders gut, die spezielle Wahrnehmung und die häufiger werdenden Aussetzer des Vergessenden deutlich zu machen. Auch Geräusche spielen in der Tragikomödie eine große Rolle. Handy und Navi zum Beispiel stellt Alexander aus, weil er das Piepen der Geräte als unerträglich empfindet.

Trotz aller Schwierigkeiten gelingt dem Autor und Regisseur das Kunststück, die immer undurchschaubarer werdende Geschichte in nachvollziehbaren Portionen zu erzählen. Krää legte großen Wert darauf, nicht nur die Tragik des Gedächtnisverlustes zu beschreiben, sondern auch das Glück, den Augenblick bewusst durchleben zu können. Atzorn unterstützt dieses Bestreben und spielt einen manchmal rücksichtslosen Kranken, der sein Leben voll genießt. Zugleich zeigt er, dass demenzkranke Menschen emotionale Begegnungen intensiv durchleben und während dieser Zeit keinerlei Erinnerungslücken aufweisen.

"Mein vergessenes Leben", ZDF, 20.15 Uhr

(kna)
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