Neuer "Tatort" aus Ludwigshafen Lena Odenthal im Gruselkabinett

Ludwigshafen · Der neue Ludwigshafener Fall "Waldlust" kombiniert zwei Elemente, die zuletzt beim Publikum durchfielen: Horror und improvisierte Dialoge. Wer die erste Hälfte übersteht, kann die zweite genießen.

Szenen aus dem "Tatort Waldlust"
7 Bilder

Szenen aus dem "Tatort Waldlust"

7 Bilder
Foto: SWR/Martin Furch

Zuschauer und Kritiker waren sich selten so einig wie vor einem Jahr: "Babbeldasch" war mies. Der frei improvisierte Krimi, der in einem Munddarttheater spielt und in dem neben dem Ermittlerteam um die ewige Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) Amateurschauspieler munter mitmischen, wurde überall verrissen.

Nur 6,35 Millionen Zuschauer schalteten ein, bemängelt wurde "Surrealismus aus dem Kinderzimmer". Das kreativste Urteil lautete: "Ein Werbefilm für Drehbuchautoren und Schauspielschulen - weil er verdeutlicht, was für ein stinklangweiliges Machwerk entstehen kann, wenn man auf beides (weitgehend) verzichten will."

Ein verfallenes Hotel im Schwarzwald

Fast auf den Tag genau ein Jahr später wagt das SWR einen Film derselben Machart vom selben Regisseur. Das Setting allerdings ist diesmal ein halb verfallenes Hotel im Schwarzwald, das von seltsamen, morbiden Gestalten bewohnt wird. Wenn man so will, schlägt der SWR mit dieser Entscheidung zwei Fliegen mit einer Klappe - nicht nur Impro-Feinde gehen auf die Barrikaden, sondern auch Gegner des gemeinen Gruselfilms, die auch vier Monate nach dem Frankfurter Fall "Fürchte Dich" noch von Albträumen geplagt werden.

Die Ausgangssituation ist patent: Lena Odenthal und ihre Kollegen Johanna Stern, Peter Becker und Frau Keller juckeln in den tief verschneiten Schwarzwald, um nach dem Abgang ihres Kollegen Kopper das zu betreiben, was sich neudeutsch "Teambuilding" schimpft. Ein Kammerspiel also.

Zwischen Butterfahrt-Ziel und Spukschloss

Odenthal ist genervt vom penetranten "Coach" Simon Fröhlich, der als eine der ersten Amtshandlungen alle Handys einsammelt. Gleichzeitig traut sie ihm zu, dass er die gesamte seltsame Atmosphäre irgendwie inszeniert hat. Das aus der Zeit gefallene Hotel "Lorenzhof" - halb Butterfahrt-Ziel, halb Spukschloss -, wurde im echten Leben per Casting aus dreißig reizenden Immobilien dieser Art ausgewählt.

Gastgeber ist der bärenhafte, bucklige Waldschrat Bert, genannt "Humpe", der tagsüber mit der Mistgabel auf den örtlichen Kommissar losgeht und nachts mit der greisen Diva Lilo Viardot Walzer tanzt (beeindruckend facettenreich: Heiko Pinkowski). Dessen aufgesetzt fröhliche Nichte wiederum zeigt selbstverletzendes Verhalten.

Menschenknochen im vegetarischen Abendessen

Mehr als ein Hauch von Groteske à la Friedrich Dürrenmatt wabert durch diesen Film, dazu mal mehr, mal weniger starke Andeutungen von Brudermord und Grabschändung, Suizid, Inzest und Polizeiwillkür sowie die Ausnutzung und das Wegsperren von psychisch Kranken. Und dann finden die Ermittler auch noch einen Menschenknochen im vegetarischen Abendessen.

Man muss nicht allzu zart besaitet sein, damit einem das zu viel wird, zumal die eigens komponierte Sinfonie das Geschehen effektvoll untermalt. Umso deplatzierter wirken die Slapstick-Einlagen (Tai Chi! Ein nackter Penis!) und die kindische Sekretärin Frau Keller.

"Waldlust" ist eine wilde Grusel-Groteske mit Kriminalhintergrund - und als solche nicht misslungen. Wer die erste, subtilere Hälfte übersteht, kann die zweite genießen, in der so vogelwild geschossen, gestochen, gestorben und schwer atmend gestanden wird, dass man das Treiben eher amüsiert verfolgt.

"Tatort: Waldlust", Das Erste, So., 20.15 Uhr

(tojo)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort