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Ralf Stegner im TV-Talk Maischberger "Eine große Koalition ist in der SPD so beliebt wie Fußpilz"

Düsseldorf · Wodurch unterscheiden sich die großen Parteien noch? Wie soll der Wähler eine Entscheidung treffen? Und wer könnte mit wem koalieren? Sandra Maischbergers Runde nahm sich einiges vor.

Darum ging's

Moderatorin Sandra Maischberger stellte die These auf, der Wähler sei derzeit durch Politiker verwirrt: Die Kanzlerin habe die konservativen Inhalte ihrer Partei aufgegeben, der SPD-Kanzlerkandidat rüttele an der sozialdemokratischen Türkei-Politik, Grüne riefen nach mehr Polizei, linke Politiker sprächen Asylbewerbern ein Gastrecht ab. Da sich viele politische Positionen nicht mehr eindeutig bestimmten Parteien zuordnen ließen, sei es schwer sich bei der Bundestagswahl zu entscheiden.

Darum ging's wirklich

Zwei Politiker, ein Wähler und zwei Journalisten analysieren in der Tat, weshalb die Zeit klassischer Lagerwahlkämpfe vorbei scheint. Sie besprechen, wie die anderen Parteien mit der AfD umgehen sollten, und debattieren über mögliche Koalitionen.

  • Johannes B. Kerner, TV-Moderator
  • Anja Reschke, Journalistin und ARD-Moderatorin
  • Ole von Beust, ehemaliger Hamburger Bürgermeister, CDU
  • Ralf Stegner, stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD
  • Jan Fleischhauer, "Spiegel"-Journalist
  • Michael Kunert, Meinungsforscher von Infratest dimap

Frontverauf

Fast die Hälfte der Wähler hat sich kurz vor der Bundestagswahl Meinungsumfragen zufolge bislang noch nicht für eine Partei entschieden. Sandra Maischberger fragt sich, ob es an Konfliktstoff und Unterschieden fehlt. Ein Rückblick in die späten 1970er und 1980er Jahre zeigt: Damals gerieten sich Helmut Schmidt, Helmut Kohl und Franz Josef Strauß bei der "Elefantenrunde" deutlich wortreicher in die Haare als Angela Merkel und Martin Schulz.

"Frau Merkel ist ja keine Sozialdemokratin"

Ole von Beust (CDU) vermisst die Schärfe von damals nicht und meint, weltanschauliche Debatten dieser Art passten nicht mehr in die heutige Zeit. SPD-Mann Ralf Stegner entgegnet, etwas mehr Leidenschaft würde der heutigen Politik gut tun. Der Hang zu ständiger Harmonie gefalle ihm nicht, sagt er, widerspricht aber dem Glauben, dass es keine Unterschiede mehr gebe: "Frau Merkel ist ja keine Sozialdemokratin. Sie ist vielleicht jemand der zuweilen Pseudosozialdemokratisches von sich gibt."

Wahlforscher Michael Kunert sagt, es seien derzeit nur sechs Prozent mehr Wähler unentschieden als zur gleichen Zeit vor anderen Wahlen. Maischberger fragt, ob das auch an der Auswahl mit insgesamt 42 Parteien - darunter auch bunte wie die Magdeburger Gartenpartei - liegen könne. Abgesehen von der Vielfalt hält Kunert die Entscheidung vor allem für jene für schwer, "die beispielsweise nicht mit Merkels Flüchtlingspolitik einverstanden sind, aber nicht rechtspopulistisch wählen wollten".

Müde und langweilig, so Maischberger sei der Wahlkampf ja kaum zu nennen, wenn man sich ansehe, wie etwa Kanzlerin Merkel auf Marktplätzen angebrüllt werde. Damit beginnt die Debatte darüber, wie die Parteien mit der AfD umgehen sollten.

Journalist Fleischauer erinnert der Ton auf den Marktplätzen an die raue Gewalt, die damals auch Kohl auf Veranstaltungen entgegen schlug. Besonders sei, dass eine Partei, die immer auf der rechten Seite des Grabens stand, nun "rübergemacht" habe. Wer jetzt noch auf der anderen Seite übrig sei, wisse eben nicht, wen er wählen solle. Ole von Beust kontert: "Ich kann doch nicht, wenn ich eine Überzeugung zu einem Thema habe, sie plötzlich nicht vertreten, weil sie manchen nicht rechts genug ist."

Wie rechts ist die AfD?

ARD-Journalistin Reschke drängt dazu, sich damit auseinanderzusetzen, wer diese Leute seien, die da auf Marktplätzen brüllten, für sie seien das schon AfD-und NPD-Mitglieder. Auch Stegner findet, man dürfe nicht beschönigen, wenn einer Nazisprüche schreie. Fleischhauer versucht, die AfD-Anhänger zu analysieren, als eine Gruppe, die eine Art "Angst vor dem Untergang" vereine: "Sie haben das Gefühl, wenn wir nichts tun, übernehmen uns die fremden Horden." Ole von Beust, der seinerzeit den Rechtspopulisten Ronald Schill in seinen Senat holte, kann sich schwer vorstellen, mit der AfD zu koalieren. "Aber wenn sie keine Nazis in ihren Reihen hätten, müsste man darüber nachdenken."

Kerner ist als Wähler geladen. Er sagt, der Gedanke, dass im nächsten Bundestag Nazis am Mikrofon stehen könnten, mache ihn wütend und traurig. Auch Stegner hat ein Problem, jede Partei habe ein paar Spinner, aber "ein Haufen von Leuten, die das Grundgesetz nicht achten," sei schon eine andere Kategorie. Reschke stimmt zu, sie hält für "paradox, dass eine antidemokratische Partei durch eine demokratische Wahl legitimiert wird im Bundestag zu sitzen".

Auf die Frage wie man damit umgehen solle, kommen nicht viele Antworten, immerhin empfiehlt Reschke den übrigen Politikern sich nicht auf das gleiche Niveau zu begeben.

Dann möchte Sandra Maischberger herausfinden, ob die Wähler vielleicht deshalb so unentschlossen seien, weil die Politiker zu viele Kehrtwenden machten - etwa Angela Merkel in der Atompolitik, die Grünen in Sicherheitsfragen oder die SPD in ihrer Position zur Türkei. Die Gäste finden weitgehend, dass Politiker auch Kompromisse machen und auf Aktuelles wie zum Beispiel die Atom-Katastrophe Fukushima reagieren dürfen. Stegner meint: "Prinzipien sind ja nicht dazu da, die Leute damit zu erschlagen."

Schließlich wird noch farbenfroh über mögliche Koalitionen spekuliert. Ralf Stegner findet da klare Worte: "Eine große Koalition ist in der SPD so beliebt wie Fußpilz. Wir kämpfen dafür, Merkel abzulösen, nicht dafür bei ihr Juniorpartner zu werden." Ole von Beust will ebenfalls keine neue große Koalition, denn die mache die Ränder stark. Er sähe am liebsten eine schwarz-gelbe Regierung "wenn's reicht", ansonsten habe er auch nichts gegen Schwarz-Grün.

Fleischhauer kann sich vorstellen, dass die SPD im Fall einer Niederlage ähnlich reagiert wie in NRW und sich aus der Regierung verabschiedet. Dann werde es interessant, denn er habe den Eindruck, dass auch die FDP nicht wirklich regieren wolle. Für die Liberalen, so der Spiegel-Journalist, sei es schon ein Riesenerfolg, überhaupt wieder in Bundestag zu kommen.

Zum Abschied überlegt Journalistin Reschke, ob vielleicht die Lösung für ermüdete Berufspolitiker in der Antike zu finden sei. In Athen, immerhin der Wiege der Demokratie, sei ja früher der "Rat der 500" durch Los entschieden worden. Vielleicht könne man der Entfremdung zwischen Berufspolitikern und Wählern damit beikommen, wenn Entscheidungsgewalt im Rotationsprinzip jeden per Los treffen könne.

(juju)
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