Talk bei Sandra Maischberger "Steuersparen ist ein Hobby der Superreichen"

Düsseldorf · Sandra Maischberger talkt über Steuerbetrug, Briefkastenfirmen und die dubiosen Praktiken mancher Banken, mit ihren Kunden Geld zu verdienen. Unter den Gästen sind auch ein Milliardenbetrüger und eine geprellte Rentnerin. Die Sendung im Check.

Maischberger: Die Gier der Banken und der Superreichen
6 Bilder

Maischberger: Die Gier der Banken und der Superreichen

6 Bilder
Foto: WDR

Darum ging's

Das Thema der Sendung lautete "Gier ohne Grenzen — Sind unsere Banken nur für Reiche da?" Die These: Wer als Millionär sein Vermögen in Steueroasen verstecken will, dem helfen die Banken. Normalverdiener dagegen werden nur zur Kasse gebeten — mit höheren Kontogebühren und bald vielleicht mit Strafzinsen.

Darum ging's wirklich

Die Unfähigkeit der Politik, etwas gegen dubiose Bankgeschäfte, Briefkastenfirmen und unseriöse Beratung von Kleinanlegern zu unternehmen. Niemanden in der Runde haben die Enthüllungen rund um die Panama Papers überrascht — lediglich das Ausmaß sei erstaunlich.

Die Runde

  • Frank Lehmann, Journalist und früherer ARD-Börsenmoderator
  • Sahra Wagenknecht, Fraktionsvorsitzende der Linken
  • Josef Müller, Millionenbetrüger und Ex-Honorarkonsul von Panama
  • Urbe Sommermeyer, geprellte Rentnerin
  • Helge Petersen, Rechtsanwalt für geprellte Anleger
  • Christoph Lütgert, ARD-Reporter
  • Prof. Hans-Peter Burghof, Finanzwissenschaftler

Frontverlauf

Für den Normalverdiener beginnt die Sendung maximal desillusionierend: Die Runde ist sich einig, dass die Praktiken, die Steuerbetrug über Briefkastenfirmen erst ermöglichen, nicht überraschend sind — auch nicht die Panama Papers. "Kapital ist ein hungriges Tier, das überall Gelegenheiten sucht, sich satt zu fressen", fasst es Börsenexperte Frank Lehmann zusammen. Lediglich das Ausmaß und die Scheinheiligkeit seien überraschend.

Für das florierende Geschäft mit den Briefkastenfirmen liefert er auch gleich das passende Motiv: "Menschen mit 50 Millionen Euro haben Angst, eine Million zu verlieren" — ein Szenario, von dem der Normalverdiener nicht einmal träumen könne. Statt dessen sei er der Dumme. "Steuersparen ist ein Hobby der Superreichen, der Kleine wird sofort erwischt vom Finanzamt", sagt Lehmann.

Wie einfach es ist, eine Briefkastenfirma zu gründen, davon berichtet ARD-Reporter Christoph Lütgert. Er hat aus Recherchezwecken eine solche eröffnet — es war so leicht, wie im Internet etwas zu bestellen, sagt er. Online habe er angegeben, was er vorhabe — "nach meinen Motiven wurde ich nicht gefragt" — ein Anruf in Zypern, eine Überweisung von 3000 Euro, und "vier Tage später hatte ich eine Offshore-Firma".

Das Problem

Briefkastenfrmen sind zunächst einmal nicht illegal — dafür "unanständig" (Lütgert) und "widerwärtig" (Sahra Wagenknecht). Dass aber die meisten Briefkastenfirmen eben doch dazu verwendet werden, illegal Steuern zu sparen oder anderweitig krumme Geschäfte zu verschleiern, sei kein Geheimnis. "Mir hat noch keiner erklären können, wieso man für anständige Zwecke eine Briefkastenfirma braucht", sagt Lütgers.

Doch warum macht die Politik nichts? Das fragt vor allem Linken-Politikerin Wagenknecht, die seit Jahren über die dubiosen Praktiken der Banken debattiert. Für sie liegt der Fehler im System: "Es ist darauf ausgelegt, dass man den Menschen Dinge verkauft, die sie eigentlich nicht brauchen und die sie nicht durchschauen." Eine zufriedenstellende Antwort auf die Frage, warum dem kein Riegel vorgeschoben wird, gibt die Runde nicht. Dass es seit 20 Jahren Probleme mit den Großbanken gibt, da sind sich aber wieder alle einig.

"Die Politik weiß seit vielen Jahren, was da läuft und hat trotzdem keine Gesetze gemacht, die das unterbinden", sagt Wagenknecht. Im Gegenteil habe die Politik sogar gegen solche Gesetze angekämpft. Kritik übt sie an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der jetzt in seinem Zehn-Punkte-Plan ein weltweites Firmenregister fordert. Dabei habe er sich vorher vehement gegen ein solches öffentliches Register eingesetzt. "Da ist erfolgreicher Lobbyismus am Werk", meint Wagenknecht.

Der Anwalt der Geprellten und die geprellte Rentnerin

Was die Banken den Normalverdienern verkaufen, "hat nichts damit zu tun, was der Kunde möchte", sagt Rechtsanwalt Helge Petersen, der in der 90ern selbst Banker war. "Es werden nur Produkte hergestellt, die den Banken nutzen" — die Chance zur Kehrtwende habe die Politik verpasst. Auch Lehmann sieht die Entwicklung kritisch: Der vermögende Kunde sei heute die Zielgruppe der Banken, die Großen wollten mit den Kleinanlegern nichts zu tun haben.

Eine solche Kleinanlegerin war Urbe Sommermeyer. Sie verlor gut 20.000 Euro und damit einen Großteil ihrer Altersvorsorge, weil ein Bankberater ihr ausländische Immobilienfonds empfahl, die sich als unrentabel erwiesen. "Heute würde ich mein Geld lieber ins Kopfkissen stecken. Ich würde keinen Pfennig mehr zur Bank bringen." Die heute 76-Jährige wollte eigentlich fürs Alter vorsorgen, weil man ja immer gesagt bekomme, dass man das tun solle. Den Zivilprozess gegen die Bank verlor sie. Ihr Anleger erklärte ihr nach dem Prozess, es habe ja keine Arme getroffen.

Der ungewöhnlichste und der farbloseste Gast

Ebenfalls Teil der Runde ist Josef Müller, Millionenbetrüger und Ex-Honorarkonsul von Panama. Er half in den 90ern Menschen, Briefkastenfirmen zu gründen, hatte selbst welche, prellte zuletzt seine Anleger um 7,5 Millionen Euro. Dafür ging er fünf Jahre ins Gefängnis und verließ es nach eigener Aussage "geläutert". "Gier frisst Hirn. Das können Sie mit Gesetzen nicht ändern, sondern nur, wenn Sie die Einstellung der Menschen ändern", sagt er.

Farblos hingegen bliebt der Finanzwissenschaftler Hans-Peter Burghof, der sich als Vertreter der Banken eine Diskussion mit Ex-Banker Petersen lieferte, die aber in Fachchinesisch unterging.

Satz des Abends

"Meiner 93-jährigen Mutter hat eine Bank eine Anlage mit einer Laufzeit von 13 Jahren verkauft", sagt Lütgers und macht damit die Absurdität des Ganzen deutlich.

Erkenntnis

Die Politik ist nicht überrascht von der kriminellen Energie der Banken und dem kriminellen Potenzial der Briefkastenfirmen — getan wird so gut wie nichts dagegen. Lehmann bringt es auf den Punkt: "Wir haben viel Illegalität auf der Welt, mit Steueroasen, das können wir nicht in den Griff kriegen."

(jnar)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort