TV-Talk mit Maischberger Popeye, Crystal-Meth und die Helden von Bern

Düsseldorf · England, Türkei, USA - viele aktuelle Themen standen zur Verfügung. Sandra Maischberger aber entschied sich am Mittwoch für das Thema Drogen. Einige Politiker fordern eine Legalisierung, um den Markt zu kontrollieren, andere sehen das als gefährliches Signal.

  • Jenke von Wilmsdorff (TV-Reporter)
  • Melanie Huml (Bayerische Gesundheitsministerin)
  • André Schulz (Bund Deutscher Kriminalbeamter)
  • Jörg Böckem (Ex-Junkie und Journalist)
  • Werner Bartens (Mediziner und Journalist)
  • Sabrina Kästner (war Crystal-Meth-süchtig)

Als wirksames Mittel im Kampf gegen die Drogen, sehen immer mehr Politiker und Teile der Wissenschaft eine Legalisierung - auch von harten Rauschmitteln.

Nicht um Cannabis und Kokain. Vielmehr wurden die Gefahren von Nikotin und Alkohol diskutiert.

Zunächst schilderte Jenke von Wilmsdorff seine Erlebnisse während eines Selbstexperiments, bei dem er viele - besonders harte Drogen - vor laufender Kamera unter Aufsicht einnahm. Dafür gab es sofort Gegenwind von Bayerns Gesundheitsministerin. Die Bedingungen in dem Experiment seien nicht mit der Realität zu vergleichen. Der Mediziner Werner Bartens spottete: Das Experiment sei eine Mischung zwischen "Jugend Forscht" und einem betreuten Berauschen gewesen. "Bei LSD kann man auch einen Horrortrip erleben", sagt er.

Den drohte im Anschluss auch der Zuschauer zu erleben. Ecstasy, Speed, LSD, MDMA - der biertrinkende Otto Normal dürfte da nicht mehr hinterher gekommen sein. Vorausgesetzt, er hat die Sendung überhaupt eingeschaltet und schlummerte um 0 Uhr nicht schon im Bett. Und dann ließ sich von Wilmsdorf auch noch zu einer Antwort hinreißen, die Millionen Deutsche zu Hardcore-Junkies macht.

Auf die Frage welche (der oben genannten) Drogen denn nun schlimmer sei, sagte er: Keine. "Definitiv Alkohol und Nikotin." Maischberger zog die Augenbrauen hoch, die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml klammerte sich - wie in Stein gehauen - an ihren Stuhl, wohl wissend, dass sie gleich nach dem Problem mit Alkohol gefragt würde. Schließlich gilt Bayern unter den 16 Bundesländern als das Bierland Nummer eins.

Inzwischen sehnte man sich nach irgendetwas, das die Diskussion erträglicher, pointierter und themenbezogener macht. Bier? Ach ja, Melanie Huml. Auch in Bayern gibt es - natürlich - die üblichen Präventionsprogramme. Auch das Rauschtrinken falle darunter, sagt Huml und kommt zu dem Fazit: "Feiern soll Spaß machen, aber nicht abhängig und süchtig!".

Aha, hieß das Thema nicht: "Cannabis und Kokain: Sollen Drogen freigegeben werden?". Egal, die Runde diskutierte fleißig über Alkohol und Nikotin an den Schulen und die vielen Toten, die dadurch zu beklagen seien, ein treffenderer Titel der Sendung wäre wohl "Alkohol und Nikotin: Sollten Genussmittel verboten werden?" gewesen.

Und dann schwang Mediziner Bartens die ganz große Keule. Weintrinker aufgepasst, denn Sie sind schuld an den vielen Alkohol-Toten! Alkoholkonsum sei kulturell geadelt, weil es hochwertig sei, über bestimmte Weine zu reden und sich als Weinkenner zu outen, sagte Werner Bartens. Die Biertrinker hat er hingegen offenbar schon aufgegeben - "in Bayern gelte der Gerstensaft ja als Lebensmittel". Was auch sonst fragt man sich? Nunja, Bertens jedenfalls sieht eine Doppelmoral zu anderen Drogen, die ja "viel viel weniger Schaden insgesamt anrichten".

Und siehe da, der Moderatorin war ihr eigenes Thema der Sendung wieder eingefallen. Schnell gab sie das Wort an Ex-Junkie Jörg Böckem, der recht amüsant schilderte, wie er während seiner Zeit beim "Spiegel" sein Heroin gekocht hat. "Ich habe gewartet, bis alle Kollegen in der Kantine waren, habe meine Bürotür zugemacht, dann meinen Druck aufgekocht, die Spitze aufgezogen, bin aufs Klo gegangen und habe geguckt, ob alle Kabinen leer waren", sagt er.

Nachdem zwischenzeitlich Polizist André Schulz seine Sicht der Dinge schilderte - natürlich ist er gegen eine Freigabe von Drogen - war es wieder Werner Bartens, der eines der Zitate des Abends lieferte. Wir lebten in einer optimierten Gesellschaft, setzt er an, das werde schon den Kindern nahe gebracht. "Asterix und Obelix sind gedopt. Popeye hat Spinat mit besonderen Wirkungen." Peinlich berührtes Lachen Maischbergers.

Doch damit nicht genug, nachdem eine junge Mutter von ihrer Crystal-Meth-Sucht berichtete, forderte die ARD-Moderatorin Bartens auf, die Wirkung der Droge doch bitte zu erklären. Das Tat er auch. Die Vermutung, die deutsche Weltmeistermannschaft von Bern habe die Droge ebenfalls genommen, um höhere Leistungen zu bringen, konnte er sich nicht verkneifen.

Was immer deutlicher wird. Im Grunde sind alle drei Journalisten zumindest für eine teilweise Freigabe von bestimmten Drogen. Pech für Bayerns Gesundheitsministerin, denn die stand plötzlich alleine da und wurde von allen anderen angegangen. Cannabis sei keine Einstiegsdroge, sagte Werner Bartens; Nikotin sehr wohl, meint Jenke von Wilmsdorf. Dem stimmt auch Jörg Böckem zu.

Die Ministerin hingegen schlägt sich wacker, wenngleich ihre Argumentation zuweilen seltsame Züge annimmt.
"Alkohol und Tabak haben negative Folgen, das wissen wir", sagt die Ministerin. "Und dann sagen wir, alles andere, was auch negative Folgen für die Gesundheit hat, müssen wir deshalb freigeben? Das kann doch nicht der Grund sein!"

Alles in allem eine Runde, die in dieser Form unnötig war. Klüger ist der Zuschauer nicht, und den Konsum von den viel zitierten "Einstiegsdrogen" Alkohol und Nikotin dürfte der Talk angesichts von nervenden Journalisten, die vom Thema abschweifen, auch nicht gesenkt haben - im Gegenteil.

(maxk)
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