"Wetten, dass..?" vor dem Aus Das Ende der Samstagabend-Shows

Mainz · Intendant Bellut äußert Zweifel, Moderator Lanz soll nicht mehr wollen, die Quote rechtfertigt die Kosten nicht mehr. "Wetten, dass..?" als Flaggschiff der ZDF-Unterhaltung könnte am Samstag zum letzten Mal auf Sendung sein.

Markus Lanz und der Niedergang der "Wetten, dass..?"-Quoten
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"Wetten, dass..?": Wie bei Markus Lanz die Quoten purzelten

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Dass "Wetten, dass..?" nicht mehr als großes Lagerfeuer am Samstagabend funktioniert, liegt nicht an Markus Lanz. Mit dem tief in den 80er Jahren verwurzelten Konzept der Show wäre auch der vor zwei Jahren von vielen favorisierte Hape Kerkeling als Moderator gescheitert, der nun am Samstag als Gast in die vielleicht letzte Sendung kommt. Denn eine wichtige Ursache für das Quotentief hat mit dem Moderator überhaupt nichts und mit der Sendung nur wenig zu tun: Der Samstagabend ist nicht mehr der Abend der großen Fernsehunterhaltung,

Aktuell kämpfen alle Sender auf diesem Platz mit dem geänderten Freizeitverhalten der Deutschen — die mehr fernsehen denn je. Zwischen 2007 und 2013 stieg die tägliche TV-Nutzungszeit im Bevölkerungsdurchschnitt von 208 auf 221 Minuten täglich. Bei den Zuschauern über 50 Jahren kletterte sie von 275 auf 291 Minuten, bei den 30- bis 49-Jährigen von 205 auf 216 Minuten. Aber der zuschauerstärkste TV-Abend der Woche ist nicht der Samstag, sondern der Sonntag. Im Gesamtpublikum lag die Samstag-Reichweite 2013 laut GfK und SWR Medienforschung bei etwa 40 Prozent und damit teils unter dem Durchschnitt eines Wochentages, am Sonntag dagegen stößt sie an die 50-Prozent-Marke. Bei den Viel-Fernsehern über 50 Jahre liegt die Sehbeteiligung an einem Samstag zwar bei über 50 Prozent, aber am Sonntag zeigt die Kurve Richtung 70 Prozent.

Dieses Zuschauer-Verhalten ist kein deutsches Phänomen. "Aufgeschlüsselt nach Wochentagen ist der Sonntag der insgesamt stärkste Fernsehtag: So sahen Erwachsene im Jahr 2013 mit durchschnittlich 201 Minuten an Sonntagen um über 40 Minuten länger fern als an Werktagen beziehungsweise um circa eine halbe Stunde länger als an Samstagen", heißt es bei der Medienforschung des österreichischen ORF. Der zweithöchste Wert wird aber nicht am Samstag gemessen, sondern am Montag. Und von da an geht es munter bergab; Freitage und Samstage verzeichnen das niedrigste Reichweiten-Niveau; die geringere Zahl von Zuschauern sitzt mit 175 Minuten allerdings länger vor dem Fernseher als an einem Wochentag.

Und so wird Markus Lanz am Samstag wieder einmal weniger gegen RTL und ARD antreten, sondern gegen den Grill auf der Terrasse, das Treffen mit Freunden im Biergarten und den entspannten Einkauf im Supermarkt bis 22 Uhr. Wer Wettkönig wird, ist da eher uninteressant. Mag sein, dass im Sommer in Mainz tatsächlich noch irgendwer darüber redet, was denn nun mit "Wetten, dass..?" wird. Viel wahrscheinlicher ist, dass sich Europas einst größte Fernsehsendung am Samstagabend mit der 13. Moderation von Markus Lanz in eine Sommerpause verabschiedet, aus der es einfach keine Rückkehr gibt.

"Wetten, dass..?" mit Markus Lanz in Düsseldorf
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"Wetten, dass..?" mit Markus Lanz in Düsseldorf

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Foto: dpa, mb fdt

Genau wissen werden es die Zuschauer am 1. Mai. Ab diesem Tag will das ZDF auf seiner Internetseite für Kartenbestellungen "die weiteren Termine nach der Sommerpause" bekannt geben. Bleibt die Seite leer, dann war Offenburg die letzte Ausgabe. Und anders als bei Thomas Gottschalk wird es für Markus Lanz als Showmaster auch keine glanzvollen Abschiedsrunden geben; er wird beim ZDF noch gebraucht. Der Sender wird ihn daher nicht weiter beschädigen wollen.

Die Zeitschrift "Bunte" schreibt in ihrer aktuellen Ausgabe: "Wetten, dass er bald hinschmeißt?" und beruft sich dabei auf das Umfeld von Markus Lanz. Seinen über drei Staffeln laufenden Vertrag wolle der Moderator definitiv nicht verlängern, er habe sich ja ohnehin nie um die Sendung gerissen. "Was da abgelaufen ist, hat seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt", zitiert "Bunte" einen "Insider". In Lanz' engerer Umgebung, der sich selbst nicht äußert, will das Blatt gehört haben: "Der macht noch zwei Sendungen. Das war's dann." Und die Sendung werde ganz eingestellt.

Verdenken könnte man Lanz das nicht, nachdem auch der ZDF-Intendant faktisch bereits das Handtuch geworfen und die Show zum Abschuss freigegeben hat. Thomas Bellut ließ sich jüngst vom "Handelsblatt" zitieren, er wisse nicht, wie lange es die Sendung noch geben werde. In diesem Jahr werde man sehen, wie stark die Marke noch ist. Und dann nannte Bellut eine Zahl, die bislang beim ZDF gut versteckt wurde: Die Kosten pro Ausgabe von "Wetten, dass..?" bezifferte der ZDF-Chef auf rund zwei Millionen Euro, in "besonderen Fällen" könne die Show auch schon mal bei 2,5 Millionen Euro liegen. Womit unausgesprochen gesagt ist: Erreicht die Sendung dauerhaft weniger als sechs Millionen Zuschauer (und damit weniger als eine maue "Tatort"-Folge, die lediglich 1,5 Millionen Euro kostet), dann rutscht das ZDF in ein Rechtfertigungsproblem, was den Umgang mit Gebührengeldern angeht.

Dass "Wetten, dass..?" nach dem jährlichen "Eurovision Song Contest" (Kosten nie unter zwölf Millionen Euro) eine der teuersten TV-Shows Europas ist, liegt an ihrem Grundkonzept. Sie zieht wie eine Kirmes durch die Hallen der Bundesrepublik und hat von einer eigenen Schreinerei bis zur Kaffeemaschine für den Presseraum alles im Gepäck, was man so braucht. Die Redaktion benötigt rund zwei Wochen für den Aufbau und drei Tage für den Abbau. "Wetten, dass..?" ist die teuerste Art, Live-Fernsehen zu machen, die man sich überhaupt ausdenken kann. Das erklärt auch, warum der Sender gegen jede Erkenntnis an einer Sendungslänge von fast drei Stunden festhält — der Aufwand soll sich schließlich lohnen. "Wetten, dass..?" ist eine so große Unterhaltungsmaschine, dass sie einen Moderator regelrecht verschlucken kann.

Die Zuschauer scheinen das ähnlich zu sehen. 42 Prozent der Deutschen, so hat eine aktuelle Umfrage des Magazins "Stern" ergeben, sind gegen eine Fortsetzung von "Wetten, dass..?". 41 Prozent sprachen sich jedoch für eine Fortführung der Sendung aus. Den übrigen ist es gleichgültig. Was das ZDF am meisten überraschen dürfte: Ausgerechnet in der Gruppe der ganz jungen Zuschauer zwischen 14 und 29 Jahren sprachen sich 63 Prozent für eine Fortsetzung der Show aus — während das bei den über 45-Jährigen im ZDF-Kernpublikum nur 31 Prozent möchten. Nur eine Minderheit gibt dem Moderator die Schuld am dümpelnden Quoten-Zustand der Sendung: Markus Lanz wird von lediglich 37 Prozent der Befragten für den Imageverlust und die zuletzt nur noch 5,8 Millionen Zuschauer verantwortlich gemacht.

(RP)
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