Heiko Maas bei "Maybrit Illner" "Wir sind nicht die Rettungsschwimmer von Frau Merkel"

Düsseldorf/Berlin · Für Grüne, CDU und FDP war die Talkrunde von Maybrit Illner am Donnerstagabend in Teilen eine Therapiesitzung. Der SPD-Politiker Heiko Maas liebäugelte mit einer großen Koalition und Cem Özdemir mimte den Staatsmann.

So reagieren Politiker auf das Aus der Jamaika-Sondierungen 2017
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Reaktionen auf das Aus der Jamaika-Sondierungen

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Foto: dpa, bvj hjb

Darum ging's "Kanzlerin ohne Mehrheit - muss Deutschland wieder wählen?" - zu dem einzigen politischen Thema der Woche ließ Moderatorin Maybrit Illner am Donnerstagabend diskutieren. "Wenn der Bundespräsident nicht noch eine Partei zum Regieren überredet, dann kann sich Angela Merkel zur Kanzlerin ohne Mehrheit wählen lassen - oder es gibt eben Neuwahlen", so moderierte Illner das Thema an.

Darum ging's wirklich Während die SPD im Willy-Brandt-Haus in Berlin über die Position der Partei zum Scheitern von Jamaika tagte, gab es bei Illner eine Therapiesitzung für die CDU und die Grünen. Thomas de Maizière (CDU) und Cem Özdemir (Grüne) zeigten ihre große Ratlosigkeit über das für sie überraschende Ausscheiden der FDP aus den Sondierungen. In der zweiten Hälfte der Sendung stand die SPD und die Frage einer Fortsetzung der großen Koalition im Fokus. Dann wurde in der letzten Viertelstunde über Neuwahlen oder eine unionsgeführte Minderheitsregierung als Alternativen gesprochen.

Die Gäste

  • Thomas de Maizière (CDU), geschäftsführender Bundesinnenminister
  • Nicola Beer, FDP-Generalsekretärin
  • Cem Özdemir, Grünen-Vorsitzender
  • Heiko Maas (SPD), geschäftsführender Bundesjustizminister
  • Kristina Dunz, stellvertretende Leiterin der RP-Parlamentsredaktion
  • Michael Spreng, Politik-Berater und Publizist

Frontverlauf

Am spannendsten war das, was der geschäftsführende Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) in der Talkrunde von Moderatorin Maybrit Illner sagte - oder vor allem, was er nicht sagte. Im Verlauf der Sendung positionierte er sich gegen Neuwahlen und gegen die Option einer unionsgeführten Minderheitsregierung. Die Argumente für Neuwahlen hätten ihn "nicht überzeugt", sagt er. Mit einer Minderheitsregierung ließe sich Deutschland nicht stabil regieren, vor allem weil man die Mehrheiten nicht nur im Parlament, sondern auch im Bundesrat organisieren müsse. In der SPD-Parteizentrale in Berlin saßen währenddessen die SPD-Spitzen zusammen und diskutierten, ob eine große Koalition angesichts der gescheiterten Jamaika-Sondierungen nun doch denkbar sei.

Da Maas das Ergebnis nicht vorwegnehmen konnte - oder wollte -, legte er sich in dieser Frage nicht fest. Die RP-Hauptstadtkorrespondentin Kristina Dunz, die ebenfalls Gast in der Sendung war, wertete Maas Haltung zur Möglichkeit einer großen Koalition als "zuversichtlich". Neuwahlen sind ihrer Meinung nach "ein großes Wagnis", eine Minderheitsregierung mit der Kanzlerin Angela Merkel an der Spitze unwahrscheinlich.

Vor allem in der zweiten Hälfte der Sendung musste sich Maas spitze Fragen nach dem Verhalten der SPD gefallen lassen. Doch er ließ sich nicht provozieren, betonte, die SPD zeige sich verantwortlich und überdenke daher augenblicklich ihre Position. Die Partei sei nicht Schuld an dem "Scherbenhaufen", den die Jamaika-Sondierer hinterlassen hätten. Er halte das Reden von einer "Staatskrise" für übertrieben. Es müsse klar sein: "Die SPD ist nicht die DLRG von Frau Merkel, die sie vor dem Ertrinken rettet", sagte Maas.

Cem Özdemir, Bundesvorsitzender der Grünen, zeigte sich nicht nur in diesem Teil der Sendung staatsmännisch. Man konnte beim Zuschauen den Eindruck gewinnen, Özdemir habe sich das Staatstragende in den Sondierungsgesprächen von Frau Merkel abgeguckt. Er sprach davon, dass eine große Koalition besser sei als Neuwahlen, auch wenn man nicht vergessen dürfe, dass eine große Koalition auf Dauer den rechten politischen Rand stärke. "Die Feinde der Demokratie dürfen nicht stärker werden", sagte er.

Die ersten 20 Minuten der Sendung benötigten CDU, Grüne und FDP als Therapiesitzung. Zunächst versuchte die FDP-Generalsekretärin Nicola Beer, das Scheitern der Sondierungen aus Sicht ihrer Partei zu erklären. Weit kam sie damit nicht. Denn erst fragte Thomas de Maizière sie nach dem Zeitpunkt, zu dem die FDP entschieden habe, die Sondierungen abzubrechen. Dann fragte Özdemir sie nach dem inhaltlichen Grund. Ob das Teil einer abgesprochenen Inszenierung war, die dazu dienen sollte, die FDP als Schuldige hinzustellen, oder tatsächlich Ausdruck einer tiefempfundenen Ratlosigkeit, blieb unklar.

Beer geriet bei diesen Fragen in die Bredouille. Sie sprach von diesen und jenen Listen und von diversen Milliarden, die an der einen Stelle zu viel, an der anderen zu wenig investiert worden wären. Die Europapolitik und die Abschaffung des Solidaritätszuschlags nannte sie als Themen, die letztlich zur Disposition gestanden hätten. Am Ende habe einfach ein gemeinsames "Prinzip", eine Zukunftsvision, gefehlt, sagte sie. Was auf dem Tisch gelegen habe, habe nicht dem entsprochen, was die FDP unter einer Trendwende verstehe. Deswegen habe man sich am Sonntagabend gegen 22 Uhr endgültig zum Abbruch der Gespräche entschieden.

De Maizière nannte die Entscheidung der FDP "falsch und unnötig". "Ich halte das für Ausreden", sagte er. Politik-Berater Spreng fragte, wer nun der "Geisterfahrer" sei, wenn drei Parteien eine ähnliche Auffassung über die Gründe des Scheiterns hätten und nur eine Partei diese anders sehe.

Özdemir wurde nicht müde zu betonen, wie sehr er bereit gewesen sei, der FDP bei der Abschaffung des Soli entgegen zu kommen. Wiederholt bemühte der die Sprachregelung der Partei, man sei über die Schmerzgrenze hinausgegangen. Gefühle seien zwar wichtig, aber bei den Sondierungen sei es nicht um Gefühle, sondern um Fakten gegangen - "erst kommt das Land, dann die Partei". Da sprach wieder der Staatsmann aus ihm.

(heif)
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