TV-Kritik Maybrit Illner Donald Trump — wie Dieter Bohlen als Kanzlerkandidat

Düsseldorf · Glaubt man den Umfragen, kann am Dienstag nur eine die US-Präsidentschaftswahl gewinnen: Hillary Clinton. Doch Donald Trump holt auf, weil das Clinton-Lager von Skandalen um E-Mails und "Sexting" erschüttert wird.

Darum ging's: Wenige Tage vor der US-Präsidentschaftswahl fragte Moderatorin Maybrit Illner, ob Hillary Clinton den sicher geglaubten Sieg vielleicht doch verspielt. Trump beleidige, prahle und lüge, seine Konkurrentin stecke tief in der E-Mail-Affäre. Viele Amerikaner wenden sich ab, die anderen quälen sich mit der Frage, welcher der beiden Kandidaten das kleinere Übel ist.

Darum ging's wirklich: Selten war sich eine Runde so einig, wie die Gäste von Maybrit Illner: Hillary Clinton ist Teil des Establishments, Donald Trump das enfant terrible. Beide Kandidaten sind unbeliebt bei den Wählern, trotzdem werde Clinton aller Wahrscheinlichkeit nach gewinnen. Mit Claus Kleber, Alexander Graf Lambsdorff, dem Politikberater Andrew Denison und der Autorin Deborah Feldman saßen vier Kenner des amerikanischen Politiksystems am Tisch, die mehr analysierten als diskutierten. Schließlich ist es schwierig, über Spekulationen über den Wahlausgang uneins zu sein. Auch der Trump-Wähler Nicholas Smith brachte keinen Pfeffer in die Sendung.

  • Alexander Graf Lambsdorff (FDP), stellvertretender Präsident des Europäischen Parlaments
  • Claus Kleber, ZDF-"heute journal"-Moderator
  • Deborah Feldman, amerikanische Autorin
  • Nicholas Smith, Trump-Wähler
  • Paulina Unfried, Schülerin, die ein Jahr in Minnesota gelebt hat
  • Andrew B. Denison, amerikanischer Politologe und Politikberater

Der Frontverlauf:

Trump ist möglich, aber unwahrscheinlich — darin war sich die Runde bei Maybrit Illner einig. "Es kann passieren, dass wir uns am Morgen nach der Wahl die Augen reiben und Donald Trump Präsident ist", sagte "heute journal"-Moderator Claus Kleber zu Beginn der Sendung. Er habe in New York, einer Hochburg der Demokraten, viele Stimmen gehört, die Hillary Clinton als korrupt und verdorben bezeichnen. Sie stehe für das fehlgeleitete, elitäre System.

Der Politikberater Andrew Denison bezeichnete die erneute E-Mail-Affäre im Clinton-Lager als Wahlkampfhilfe für Donald Trump. Vor einigen Tagen war herausgekommen, dass der Ehemann einer engen Beraterin von Hillary Clinton, Anthony Weiner, exhibitionistisches Material auf seinem Rechner hat. Der Kongressabgeordnete hat anderen Frauen offenbar anzügliche Bilder und Textnachrichten geschickt (sogenanntes "Sexting").

Bei der Untersuchung fanden Ermittler auch weitere E-Mails, die Hillary Clinton verbotenerweise über ihren Privatserver verschickt hatte. Seither steht der FBI-Chef unter Verdacht, den Wahlkampf zu beeinflussen. "Es ist nicht üblich, dass der FBI-Direktor Ergebnisse einer laufenden Untersuchung veröffentlicht", sagt Denison. Auch er hält es für möglich, dass Trump doch noch Präsident wird. Denison sprach aber auch davon, dass Trump eine Katastrophe für Europa sei, weil Europa abhängig von amerikanischen Banken, dem amerikanischem Markt und amerikanischen Soldaten sei.

Claus Kleber sprach davon, dass ausgerechnet der Geschäftsmann Trump bei der unternehmerischen Seite des Wahlkampfs keine gute Performance abliefert. Er führe seinen Wahlkampf ineffizient. Er verschwende Zeit mit Auftritten in Staaten, in denen eine demokratische Mehrheit sicher sei. "Ein Kandidat kann mehr Geld organisieren, er kann mehr Stimmen organisieren, er kann mehr Enthusiasmus organisieren, was er nicht organisieren kann, ist mehr Zeit", sagte Kleber.

"Wenn man den Umfragen glaubt, dann kann nur Hillary Clinton gewinnen", sagte Alexander Graf Lambsdorff, stellvertretender Präsident des Europa-Parlements. "Aber Clinton ist nervös. Keiner weiß, ob die blaue Wand wirklich hält." 18 Staaten der USA werden wohl mehrheitlich demokratisch wählen, und auch in den sogenannten "Swing States" sehe es augenblicklich gut für Clinton aus.

Abwechslung in die Sendung sollte der junge Englisch-Lehrer und Restaurant-Besitzer Nicholas Smith bringen, der per Briefwahl schon für Trump gestimmt hat. Er findet Trumps Vorschläge zur Bekämpfung der Korruption gut. "Trump ist ein normaler Mensch, deswegen ist er so beliebt", schilderte er seine Faszination für den republikanischen Kandidaten. "Die andere Möglichkeit ist noch schlimmer." Als Moderatorin Maybrit Illner ihn mit Trumps chauvinistischen und überzogenen Sprüchen konfrontierte, sagte Smith: "Man sollte ihn nicht wörtlich, aber trotzdem ernst nehmen."

Die US-amerikanische Autorin Deborah Feldman stellte fest, dass das Clinton-Lager nie versucht habe, Trump als Teil des Establishments zu entlarven. Er sei nicht der Kleinunternehmer, der wie viele anderen Mittelständler in Amerika Opfer des elitären Systems sei, er sei Teil der Elite. "Je mehr negative Berichterstattung es über ihn gibt, desto mehr Sympathie bekommt er von seinen Wählern", sagte Feldman.

Trump verspreche den wirtschaftlich abgehängten Gruppen, ihre Situation zu verbessern, sagte Graf Lambsdorff, der selbst sechs Jahre in den USA gelebt hat. Er verglich Donald Trump mit Populisten wie Geert Wilders, Nigel Farage, Boris Johnson oder Marine Le Pen. Auch in Europa gebe es "clowneske Auftritte" von Politikern, das sei Ausdruck einer "Demokratie-Krise". Maybrit Illner sprach daraufhin davon, Donald Trump als Präsidentschaftskandidat sei wie Dieter Bohlen als Kanzlerkandidat. "Das ist mal ein gutes Bild", sagte daraufhin Lambsdorff zustimmend.

Spruch des Abends: "Ein Kandidat kann mehr Geld organisieren, er kann mehr Stimmen organisieren, er kann mehr Enthusiasmus organisieren, was er nicht organisieren kann, ist mehr Zeit." Claus Kleber

(heif)
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