TV-Nachlese Maybrit Illner Es liegt am Griechen

Düsseldorf · Maybrit Illner und ihre Gäste verzweifeln ein weiteres Mal an Griechenland. Alle sind erkennbar genervt vom Eiertanz in Brüssel, reden aber trotzdem aufgeregt aufeinander ein. Absurder Höhepunkt im Talk-Chaos ist der Moment, in dem die Juso-Vorsitzende die Griechen gegen einen Griechen verteidigt.

 Maybrit Illner lud am Donnerstag zum Drama-Talk über Griechenland.

Maybrit Illner lud am Donnerstag zum Drama-Talk über Griechenland.

Foto: Screenshot ZDF

Natürlich, es geht um Griechenland. Wie schon in der Vorwoche und wie alle anderen auch befasst sich Maybrit Illner am Donnerstag mit dem Griechen-Showdown in der EU. Ohne Grexit, Pleitenangst und Schuldenkrise hätte das deutsche Talkshow-Wesen vermutlich längst seinen Bankrott erklären müssen.

In den 60 Minuten im ZDF zeigen sich Illners Gäste weitgehend genervt. Überraschend einstimmig bewerten ihre Gäste den Gipfel-Flop am Donnerstag als absurdes Politik-Theater. "Wie hier bis zum Letzten verhandelt wird, hat Vertrauen zerstört", sagt die Welt-Journalistin Dorothea Siems.

Juso-Chefin Johanna Uekermann bezeichnet das Geschacher als "erbärmlich", der ehemalige FDP-Politiker Jorgo Chatzimarkakis nennt das Ganze ein "Affentheater", bei dem sich beide Seiten amateurhaft verhalten hätten. "Politik macht sich lächerlich", so seine Bilanz.

Ähnlich auch Oskar Lafontaine (Linke) und Euro-Rebell Carsten Linnemann (CDU). Nur Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), empört sich etwas weniger.

Es geht oftmals turbulent zu, minutenlang reden Menschen gleichzeitig aufeinander ein, um die Hoheit über das Gespräch zu erlangen, und Illner lässt sie erstaunlich lang gewähren. An Argumenten ist nichts Neues zu vernehmen. Lafontaine wettert gegen Spardiktat und den neoliberalen IWF, Schweitzer erläutert, dass Unternehmen nicht mehr in Griechenland investieren, weil es in der Politik keine Verlässlichkeit gebe.

Dass diese und ähnliche Argumente schon tausendfach zu hören waren, zeigt nur das Ausmaß des Stillstands in Griechenland und Brüssel. "Ich kann das ganze Geleier nicht mehr hören", bekennt dann auch Linnemann erstaunlich offen, als sein Gegenüber Chatzimarkakis auf die Notwendigkeit grundlegender Reformen abhebt.

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Ein Kern der ganzen Misere wird damit ganz nebenbei deutlich: Selbstverständlich benötigt Griechenland tiefgreifende Reformen in Staat und Wirtschaft, um wieder auf einen grünen Zweig zu kommen, das ist seit Jahren eine Binse.

Dass ein Hinweis darauf nun nach fünf Jahren Euro-Krise als Geleier erscheinen mag, zeigt nur, dass sich im Kern nichts getan und Athen grundlegende Strukturreformen vor sich hergeschoben hat. Nun aber ist das Vertrauen in die Griechen weitgehend dahin. Nicht nur bei Linnemann, wie der Gipfel am Donnerstag gezeigt hat.

So zählt es zu den eigentümlichen Höhepunkten des Talks, wie Chatzimarkakis mit Hilfe nationaler Stereotype über seine eigenen Landsleute herzieht. Illner will von ihm wissen, warum es denn auch eine linke Syriza-Regierung, die doch einen Systemwechsel versprach, nicht schafft, den Wandel herbeizuführen, Oligarchen zu besteuern und zu verhindern, dass die reichen Familien Milliarden aus dem Land schaffen.

Seine Antwort: "Weil leider auch die linke Regierung aus Griechen besteht."

Lachen, gemischt mit Applaus.

Aber er meint es offensichtlich ernst. "Weil auch diese Griechen, ob sie links sind, oder es sind ja auch ein paar Rechtspopulisten dabei, strukturell ein Problem damit haben, einen Staat strukturiert aufzubauen."

Als ein Beispiel führt er schwarze Kassen bei Premier, Verteidigungs- und Außenministerium an. "Da hat niemand Einblick, außer dem Minister selbst. Da gibt es keine Parlamentskontrolle. Das sind Geheimkassen. Und über diese Geheimkassen werden die großen Deals gemacht."

Juso-Chefin Johanna Uekermann interveniert. Nationale Klischees als Begründung für eine Staatsmisere, will sie so nicht dulden.

"Ich weiß ja nicht, was für Griechen Sie kennen..."

Chatzimarkakis: "Ich bin ja selbst einer."

Uekermann: "Ich weiß. Ich weiß auch nicht, was für ein Grieche Sie anscheinend sind. Ich kenne aber ziemlich viele junge Leute in Griechenland, die haben jetzt wahrscheinlich den Kopf geschüttelt über das, was Sie gesagt haben."

Chatzimarkakis: "Ich sprach von Politikern."

Uekermann: "Ja, also, also so geht's nicht, ne?" Zwar habe die jetzige Regierung sicher nicht alles richtig gemacht. Aber man müssen doch auch anerkennen, dass schon viel passiert sei.

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Foto: dpa, sp ase tba

Chatzimarkakis stellt klar: "Mir tut das sauweh, sowas zu sagen. Ich will auch keinen Griechen beleidigen und das hat auch nix mit DNA oder so was zu tun. Aber griechische Politiker, sobald sie in diesem Amt sind, verhalten sich so. Und das muss ich hier offen ansprechen, sonst mache ich mich mitschuldig."

Man muss in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass Chatzimarkakis sich ziemlich gut auskennt im politischen Innenleben von Griechenland. Mehrere Monate agierte er für angeblich 1000 Euro monatlich halb ehrenamtlich als Sonderbotschafter für sein Land, beendete dies aber nach dem Antritt der Regierung von Alexis Tsipras.

Bei Illner geht es Chatzimarkakis nun um über die Jahrzehnte eingeschliffene Korruption im Land, die sich wie Mehltau über Bürokratie und Politik legt und echten Reformen immer wieder im Weg steht. Für Kritiker wie Linnemann ist das nur Wasser auf die Mühlen. Der CDU-Politiker fordert mehrfach ein Insolvenzverfahren für Staaten in Europa, das eine Chance auf einen Exit in geordneten Bahnen eröffnen würde.

Ein weiteres Highlight lieferte im Lauf der Sendung noch eine Live-Schaltung nach Brüssel zu Martin Schulz. Der Präsident des Europäischen Parlamentes war dicht dran an den Verhandlungen des Donnerstags. Er seufzt im Kurz-Interview auf und gibt in einem Nicken so tiefen Frust zu erkennen, dass im Studio Lachen laut wird. Mehr bemüht als glaubhaft klingt daraufhin sein Appell an die Vernunft der Beteiligten.

(pst)
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