"Maybrit Illner" Söder bedient Vorurteile und wird entlarvt

Düsseldorf · Bei "Maybrit Illner" ging es um Populisten. Zu Gast waren vier Populisten und ein Wissenschaftler. Vor allem Letzterer war eine große Bereicherung für die Sendung und entlarvte eine Aussage von Markus Söder.

Das ist die TV-Journalistin Maybrit Illner beruflich und privat.
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Das ist Maybrit Illner

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Foto: Illner Maybrit Screenshot ZDF

Darum ging's

Immer mehr Menschen haben genug. Sie sprechen von einem politischen Einheitsbrei und setzen auf Männer und Frauen, die ihnen eine radikal andere Politik versprechen. Maybrit Illner wollte deshalb von ihren Gästen wissen: "Große Koalition immer kleiner — Stunde der Populisten?"

Darum ging's wirklich

Flüchtlingskrise, AfD, Einkommensunterschiede, Große Koalition, Richtungsstreit, Angela Merkel, Österreich, Bayern — es gibt eigentlich kein großes Thema, das in dieser Sendung nicht diskutiert wurde. Teilweise sehr scharf und durchaus unterhaltsam.

Die Runde

  • Philipp Blom, Historiker und Publizist
  • Oskar Lafontaine (Die Linke), Fraktionsvorsitzender im saarländischen Landtag
  • Markus Söder (CSU), Bayerischer Staatsminister der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat
  • Marcus Pretzell (AfD), Mitglied des Europäischen Parlaments
  • Klaus Wowereit (SPD), Regierender Bürgermeister von Berlin (2001 bis 2014)

Frontverlauf

Berlins Ex-Bürgermeister Klaus Wowereit sieht bei der AfD keine homogene Wählerschaft. Er sieht eine Stammwählerschaft von lediglich fünf bis sechs Prozent. Alles andere wären Protestwähler, die die Partei aus ganz verschiedenen Motiven wählen würden.

CSU-Mann Markus Söder sieht "objektive Probleme" für die Unzufriedenheit der Wähler mit den etablierten Parteien. Er verwies auf die Flüchtlingskrise und kritisierte die unbegrenzte Öffnung der Grenzen. Die Folgen, die dadurch ausgelöst worden sind, hätten zu einer weiteren Verunsicherung der Bevölkerung geführt, meinte Söder. Und er forderte: "Rechts von der Union darf keine demokratische Partei entstehen."

"Es geht darum, dass sich unsere Gesellschaften und unsere globale Situation ändern, aber die Politiker nicht den Mut haben, mit der Bevölkerung das Gespräch darüber anzufangen", kritisierte der Historiker Philipp Blom. In den Augen vieler Menschen seien Parteien nichts anderes als große Umverteilungsmaschinerien. Die Leute sehen sich und ihre Interessen darin nicht mehr repräsentiert.

Der Erfolg der AfD bedeute nicht, dass die ganze Republik auch so tickt wie die AfD, sagte Klaus Wowereit. Die etablierten Parteien hätten nach wie vor wesentlich mehr Stimmen. "Diese Zerrissenheit, die wir in der Bevölkerung feststellen, die ist auch in der Politik da — und warum sollte sie da auch nicht vorhanden sein", meinte der Sozialdemokrat. Mit Blick in Richtung Markus Söder fügt er hinzu: "Mir geht verloren, dass die Flüchtlinge oft nur noch als Zahl auftauchen und nicht als Individuen, die hierher gekommen sind, weil sie Hilfe brauchen."

Duell des Abends: AfD-Mann Pretzell gegen den Rest

"Herr Wowereit von der SPD ist der große Verteidiger der Kanzlerin, die aus der CDU kommt", sagte AfD-Politiker Markus Pretzell. Für ihn sei das ein Indiz dafür, dass es in Deutschland ein großes Politik-Kartell gebe. Mit seinen teils obskuren Theorien sorgte Pretzell in der Runde für Unmut.

Am Rande lieferte er sich außerdem ein Duell mit Oskar Lafontaine. Es ging um ihre unterschiedlichen Wirtschaftsansichten. Als es zu technisch wurde, wechselte Moderatorin Illner höflich das Thema. Die ablehnende Haltung gegenüber dem AfD-Mann blieb aber weiter bestehen.

"Sie machen eine Politik der Ausgrenzung", sagte Wowereit zu Pretzell. "Und das ist das, was mich in diese Gegnerschaft bringt." Berlins ehemaliger Bürgermeister sieht den demokratischen Grundkonsens durch die AfD gefährdet.

Pretzell setzte trotz dieser deutlichen Worte weiter auf Provokation. "Wenn ich Herrn Söder heute Abend zuhöre, dann habe ich das Gefühl, ich habe einen lupenreinen AfD-Politiker vor mir sitzen", sagte er zunächst lobend. Doch dann holte der AfD-Politiker zum Rundumschlag aus: Söder würde aus Bayern außerparlamentarische Opposition betreiben und so tun, als habe er mit der Bundesregierung nichts zu tun, während drei CSU-Minister gleichzeitig auf der Regierungsbank sitzen. Das sei eine Farce.

"Wir halten uns an Gesetze, und das tun sie so nicht", konterte Söder. "Ich bezweifle ihre und die Integrität vieler Freunde." Der CSU-Politiker wolle nicht, dass Parteien wie die AfD oder die Linke in Deutschland regieren.

Lafontaine macht den Lafontaine

Oskar Lafontaine redete wie gewohnt an allen vorbei. Löhne, Renten und soziale Leistungen seien die Themen, die die Menschen bewegen würden, sagte der Linken-Politiker. "Wenn die etablierten Parteien nicht begreifen, dass man die Bevölkerung an dem wachsenden Wohlstand beteiligen muss, dann wird es so weitergehen", prophezeite er — und erntete dafür ein unterstützendes Nicken von Pretzell. Protestpolitiker unter sich.

Gewinner des Abends: Philipp Blom

Er hörte viel zu, sagte wenig und doch hatten seine Worte ein enormes Gewicht. Der Grund: Die Aussagen des Historiker Philipp Blom waren ausgeruht, klug und damit eine enorme Bereicherung für die Politiker-Runde. Vor allem aber wirkten Bloms Analysen entlarvend. Das bekam nicht zuletzt Markus Söder zu spüren.

"Das Erste was Sie gesagt haben, war: Die Einbrüche sind raufgegangen, und dann haben Sie die Domplatte in Köln erwähnt", sagte Blom. "Zuerst kommt die Assoziation mit Migranten als Dieben und Vergewaltigern." Der Historiker hat damit ein Problem. "Wenn viele etablierte Politiker über Menschen, die hierher kommen, vor allem erstmal als Muslims sprechen — nicht als Mütter und Väter, Schreiner und Ingenieure und Krankenschwestern — dann schaffen Sie eine identitäre Weise diese Menschen anzusehen, die auch einer rechtsaußen Partei nützt." Söder blieb nichts anderes übrig, als diese Worte zu schlucken.

Erkenntnis

Es war eine unterhaltsame Sendung mit vielen verschiedenen Themen und kontrastreichen Positionen. Am Ende wollte aber irgendwie jeder über etwas anderes sprechen. Und genau das bringt die aktuelle politische Situation in Deutschlands bestens auf den Punkt: Es gibt derzeit viele Themen, die polarisieren und viele Parteien, die diese Themen auf unterschiedliche Weise besetzen. Die Machtverhältnisse werden in den anstehenden Wahlen nach und nach neu ausgewürfelt und alle versuchen, die Würfel in die eigene Richtung zu schieben. Es bleibt spannend.

(gol)
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