TV-Kritik Maybrit Illner Lächeln, Hetzen, CSU

Düsseldorf · Maybrit Illner diskutierte über rechten Hass gegen Flüchtlinge. CSU-Minister Herrmann muss sich gegen den Vorwurf der Hetze verteidigen. Als Blogger Sascha Lobo ihm vorschlägt, Flüchtlinge in "Vertriebene" umzubenennen, empört er sich. Manchmal kann einem die CSU schon Angst machen.

 Joachim Herrmann (CSU) muss bei Illner eine Menge Kritik einstecken.

Joachim Herrmann (CSU) muss bei Illner eine Menge Kritik einstecken.

Foto: Screenshot ZDF

Illner zurück aus der Sommerpause. Die Talk-Queen des ZDF hat ein weiteres Mal Flüchtlinge zu ihrem Thema gemacht. "Fluchtpunkt Deutschland. Zwischen Hilfe und rechter Gewalt", lautet der Titel der Sendung.

Der Beginn dürfte einige Zuschauer verschreckt haben oder einschlafen lassen. So als ob sie die versäumten Talk-Wochen noch einmal aufarbeiten wollte, stellt Illner ganz große Fragen, die in den vergangenen Tagen schon eingehend erörtert worden sind.

Die Grüne Katrin Göring-Eckardt nimmt die Stichworte dankbar auf: Hat Merkel zu spät reagiert? "Die Krise kann man nicht wegmerkeln." Haben die Deutschen aus Hoyerswerda nichts gelernt? "Die Gesellschaft hat sich verändert, sie ist hilfsbereiter denn je." Diskussion? Fehlanzeige.

Bei der Verurteilung der rechten Gewalt von Heidenau sind sich naturgemäß alle einig. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann bezeichnet sie als unerträglich, jetzt müssten Demokraten zusammenstehen. Dass jeder, der nach Deutschland komme, ein Anrecht auf Unversehrtheit habe, betont er noch, ganz egal ob er eine Bleibeperspektive habe oder nicht.

Zu wenig Polizisten

Drei weitere Gäste sitzen noch mit an Illners Tisch und sie bringen interessante Blickpunkte mit ein. André Schulz etwa, Bundesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamte, erläuterte, warum es in Heidenau so wenig Verhaftungen gab. Schuld daran sei der Abbau der Polizeikräfte, die seien ausgeblutet — auch ein Grund für die Fehleinschätzung in der ersten Nacht von Heidenau.

Neben Illner sitzt die ziemlich leise Ines Kummer, Grünen-Stadträtin aus Freital, die sich in der ebenfalls wegen der ausländerfeindlichen Kundgebungen in die Schlagzeilen geratenen Stadt für Flüchtlinge einsetzt. So aufrecht ihr Verhalten in einem feindlich gestimmten Umfeld, so groß ist ihre Sorge: Sie vermisst den Aufstand der Anständigen. "Die Zivilgesellschaft kriegt nicht den Hintern hoch", beklagt sie sich.

Brandstifter-Vorwürfe gegen die CSU

Es ist dem Blogger und Journalisten Sascha Lobo zu verdanken, dass die Sendung nicht vorschnell in tausendfach gehörten Allgemeinplätzen untergeht. Lobo spricht in aller Schärfe von einem neuen rechten Terror, der sich nach seinen Beobachtungen zunehmend im Netz organisiert. Zunehmend fielen die Hemmungen, rechtsextreme Kommentare im Netz seien inzwischen unter echten Namen zu finden. "Weil die Menschen glauben, es gibt eine Aufbruchstimmung, eine rassistische Aufbruchstimmung", sagt Lobo. Sein Kernargument: Deutschland ist dringend auf Zuwanderer angewiesen, weil es demografisch schrumpft.

Im letzten Drittel nimmt die Sendung Fahrt auf, zeitweise braucht Illner sich gar nicht mehr einzuschalten, weil Lobo und Göring-Eckardt den CSU-Minister von sich aus in die Zange nehmen. Herrmann soll sich etwa zu dem Vorwurf erklären, die CSU schüre auf unzulässige Weise Ausländerfeindlichkeit und Ängste vor Zuwanderung. Wie erschreckend weit sich die bayerische Landespartei in dieser Sache schon aus dem Fenster gelehnt hat, illustriert ein Einspieler der Illner-Redaktion, der einfach ein paar Statements von Seehofer, Scheuer und auch Herrmann aneinanderreiht.

Scheuer: "Die Zuströme sind ungebrochen, deshalb ist unsere Gesellschaft auch bald überfordert."

Herrmann: "Man muss eigentlich sagen, dass über die Hälfte der Flüchtlinge, die zu uns herkommen, nicht berechtigt sind."

Seehofer: "Wir sind nicht das Sozialamt für die ganze Welt."

Scheuer: "Liebe Freunde, das Asylrecht ist nicht gemacht für Sozialtouristen, die einen Freifahrtschein ins All-Inclusive-Sozialparadies buchen wollen."

Herrmann lächelt. Wie andere CSU-Politiker auch hat er bereits einige Erfahrung gesammelt, auf solche Vorwürfe zu reagieren. Er sei doch mit dem Satz zitiert worden, dass 50 Prozent der Asylgesuche abgelehnt worden seien, amtlich bestätigt durch Verwaltungsgerichte, was bitte sei denn daran falsch? Die CSU nenne traditionell die Probleme beim Namen. Der angebliche Mut zur Wahrheit ist ein Argument, das man so ähnlich auch von "Pegida" kennt.

Lobo bringt Herrmann mit einem Vergleich in Rage

Lobo spitzt die Sache dann noch mit einem interessanten Vergleich weiter zu. Er habe einen großartigen Vorschlag. Herrmann lächelt wieder. Wie es denn wäre, wenn man alle Flüchtlinge fortan Vertriebene nennen würde, dann könne er sich sicher damit anfreunden, die alle in Bayern einzugliedern.

Applaus. Herrmann lächelt.

Seine Replik hat es in sich: "Ich hoffe Sie meinen das nicht so bös, aber das ist eine Beleidigung der Vertriebenen, der wirklich damals vor 70 Jahren Vertriebenen, die in diesen Kontext zu stellen", sagt der bayerische Innenminister mit aller gebotenen Ernsthaftigkeit.

Lobo ist fassungslos. In seinen Ohren hört es sich so an, als sei es eine Zumutung, deutsche Vertriebene aus den Nachkriegswirren mit Flüchtlingen des Jahres 2015 gleichzusetzen.

"Haben Sie sich Syrien mal angeguckt?", fragt er bissig. Und schiebt hinterher: "Wenn sie das als Beleidigung auffassen, dann ist das rassistisch!"

Die leise Frau Kummer bringt die Dinge auf den Punkt

Herrmann empört sich. Syrien habe er nicht gemeint, sondern die Flüchtlinge vom Balkan. Fast alle haben keinerlei Aussicht darauf, in Deutschland Asyl zu bekommen. "Wer wird denn aus Serbien vertrieben zur Zeit? Das ist ja wohl grober Blödsinn", giftet er zurück.

Illner interveniert und beruhigt die Lage, in dem sie sich der leisen Frau Kummer aus Freital zuwendet. Sie soll einschätzen, ob die Menschen in Freital Kriegsflüchtlingen aus Syrien offener gegenüberstehen als Wirtschaftsflüchtlingen, die aus zwar aus meist sicheren Herkunftsländern kommen, dort aber oftmals unter elenden Bedingungen leben.

Kummer sucht nach den richtigen Worten, bringt die Misere aber auf den Punkt: "Vielen fehlt dann an dieser Stelle die humanitäre Haltung."

(pst)
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