Talk mit Maybrit Illner AKP-Politiker macht Propaganda für Erdogan

Düsseldorf · Maybrit Illner diskutierte zum Thema "Deutschland und die Türkei – was erlaubt sich Erdogan?" AKP-Politiker Mustafa Yeneroglu wirkte wie ein Propagandaminister für den türkischen Präsidenten.

Gaggenau - Pressestimmen zur Absage an türkischen Minister
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Pressestimmen: "Man ist geneigt, vor der Stadt Gaggenau den Hut zu ziehen"

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Foto: qvist /Shutterstock.com/Retusche RPO

Maybrit Illner diskutierte zum Thema "Deutschland und die Türkei — was erlaubt sich Erdogan?" AKP-Politiker Mustafa Yeneroglu wirkte wie ein Propagandaminister für den türkischen Präsidenten.

Die Konflikte zwischen Berlin und Ankara spitzen sich zu: Flüchtlingsabkommen, Repressionen nach dem Putsch, Imame als Spitzel. Und während Journalist Deniz Yücel weiterhin in Haft sitzt, wurden Wahlkampfauftritte türkischer Minister in Gaggenau und Köln abgesagt, die für Erdogans Referendum werben wollten. Was das für die deutsch-türkische Partnerschaft bedeutet, diskutierte Maybrit Illner mit ihren Gästen.

  • Aydan Özoguz (SPD), Integrationsbeauftragte der Bundesregierung
  • Markus Söder (CSU), bayerischer Staatsminister
  • Mustafa Yeneroglu, Abgeordneter der türkischen Regierungspartei AKP
  • Mithat Sancar, Abgeordneter der türkischen Oppositionspartei HDP
  • Yahya Kilicaslan, deutscher Unternehmer mit türkischen Wurzeln und Erdogan-Unterstützer

Gleich zu Beginn des Talks thematisierte Illner den Fall Yücel. Mithat Sancar (HDP) gab zu Bedenken, dass nicht nur Yücel inhaftiert ist, sondern mit ihm 155 andere Journalisten und 13 türkische Parlamentsabgeordnete, "weil die türkische Regierung keine Kritik duldet". In der Türkei herrsche ein unkontrollierter Ausnahmezustand, so Sancar. Selbst die Justiz sei in der Hand des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Während er Applaus erntete, fand sich nur ein einsamer Klatscher im Publikum, als Mustafa Yeneroglu seine Position deutlich machte. Der AKP-Politiker könne die Empörung nicht nachvollziehen. "Es gibt 1000 andere Journalisten, die in der Türkei frei arbeiten", sagte Yeneroglu. "Und nicht Erdogan entscheidet über Yücel, sondern unabhängige Gerichte."

Was kann die Bundesregierung tun?

Schnell stand die Frage im Raum, ob Yücel ein "Faustpfand" für den nächsten Deal der Bundesrepublik mit Erdogan sein könnte. "Das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei ist nicht so einseitig, wie es immer dargestellt wird", entgegnete Aydan Özoguz (SPD). Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung betonte allerdings, dass es nicht in einen Rechtsstaat passe, einen Journalisten aufgrund seiner Arbeit zu inhaftieren. Der bayerische Staatsminister Markus Söder pochte darauf, dass die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sofort beendet werden müssten.

Rund 1,6 Millionen in Deutschland lebende Türken sind in der Türkei wahlberechtigt. Auch deswegen suchen türkische Politiker deutsche Städte auf, um für das Präsidialsystem zu werben, dass Erdogan beim Referendum am 16. April durchsetzen will. Befürworter argumentieren, das sei vergleichbar mit dem amerikanischen oder französischen System. Kritiker befürchten eine Diktatur — so auch Özoguz, die die Absage der Auftritte begrüßte. Yeneroglu hingegen drehte den Spieß um. "Dass Cem Özdemir hier Wahlwerbung für die HDP macht, kritisiert keiner."

Die Gefahr, dass Erdogan seine Macht missbraucht und das Land per Dekret regiert, sehen Kilicaslan und Yeneroglu nicht. Eine Opposition werde es weiterhin geben. "Nicht Erdogan steht zur Wahl, sondern ein Regierungssystem", sagte Yeneroglu. Doch Aydan Özoguz konnte seine Haltung nicht nachvollziehen und gab Kontra: Erdogan würde durch das Präsidialsystem zum Alleinherrscher und die Gewaltenteilung aufgehoben.

"Herr Yeneroglu, warum schaffen Sie die Rechte ihres eigenen Parlaments ab?", fragte sie den Vorsitzenden des türkischen Menschenrechtsausschusses. Das Kopfschütteln des AKP-Politikers ging im Applaus unter. Yahya Kilicaslan antwortete später, dass allein das Präsidialsystem Stabilität in die Türkei bringen könne.

HDP-Politiker Sancar hatte die Sympathien zunächst auf seiner Seite, weil er Erdogans Politik scharf kritisierte. Illner fragte dann aber, wie sich die HDP zum bewaffneten Kampf der PKK positioniert. Sancar dementierte jede Nähe zwischen seiner Partei und den Gewaltaktionen. Yeneroglu warf der HDP Nähe zur Terrororganisation vor und nannte Deutschland einen "Finanzierungs- und Rekrutierungsraum für die PKK".

Fazit des Abends

Bis zum Schluss blieb die Frage offen, welche Aufgabe die Bundesregierung zukünftig haben wird. Angela Merkel solle weiterhin Gespräche auf Augenhöhe suchen, den Kontakt nicht abbrechen. "Das Flüchtlingsabkommen darf aber nicht zum Blankoscheck werden", sagte Markus Söder, der als einziger Antworten fand. Die Zuschauer formulierten ihr eigenes Fazit im sozialen Netz.

(ball)
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