TV-Talk Maybrit Illner zu Trumps Politik Zwischen Ernstnehmen und Schönreden

Düsseldorf · Ist Angst vor US-Präsident Trump angemessen? Politiker, Wirtschaftsvertreter und Journalisten im "Maybrit Illner"-Talk wiegeln ab. Sie warnen aber auch davor, die Situation schönzureden.

Die Gäste

  • Mareike Nieberding, Journalistin und Gründerin der "Jugendbewegung für Demokratie DEMO"
  • Peter Altmaier, Chef des Kanzleramts, CDU
  • Gabor Steingart, Herausgeber der Zeitung "Handelsblatt"
  • Jürgen Trittin, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, B'90/Die Grünen
  • Bernhard Mattes, Präsident der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland, Ford-Aufsichtsrat

Darum ging's

Mauern gegen Mexiko, Einreiseverbote für Menschen aus muslimisch geprägten Ländern, Handelsabkommen kündigen und Strafzölle erheben — bringen Trumps erste Wochen mehr Sicherheit und Jobs für die Amerikaner? Kann "America First!" funktionieren? Oder steckt darin Sprengkraft für das angeschlagene Europa? Und droht ein Handelskrieg — auch gegen Deutschland?

Darum ging's wirklich

Es sollte ein sachlicher Austausch über Europa werden und über Deutschlands Zukunft mit einem möglichen Verbündeten. Eine Stunde lang mühen sich Journalisten und Politiker neue Gedanken zur politischen Linie der USA zu formulieren, ohne alles in den letzten Wochen Gesagte zu wiederholen. Immer wieder betonen die Teilnehmer, wie wichtig ein starkes Europa sei.

Frontverlauf

Was ist so skandalös an "Amerika First?", fragt Matthias Fornoff. Er moderierte für die erkrankte Maybrit Illner die Sendung. CDU-Politiker Altmaier bezeichnet das Einreiseverbot als verwirrend. Er betont, nun sei wichtig weiter zu reden und sich um eine freundschaftliche Sprache zu bemühen. So wie es ja auch Gabriel derzeit in Washington praktiziere.

Jürgen Trittin und Gabor Steingart warnen indes davor, nun Trumps Politik vor lauter Freundschaft zu den USA plötzlich schönzureden. Auch Bernhard Mattes findet bedenklich, wenn die "Tradition der Vielfalt mit Füßen getreten" werde. "Die Rahmenbedinungen für den Handel haben sich komplett geändert", so der Handelskammerpräsident. Von da an geht es in der Runde um Handelsabkommen, die Frage der Abschottung und die Machtposition des neuen Präsidenten.

Unsicherheit für Export und Handel

"Zu Gesprächen unter Freunden gehört ein offener Austausch", erinnert Peter Altmaier und setzt darauf, dass in kaum einem Land die "Demokratie so tief verwurzelt ist wie in Amerika". Gabor Steingart, der lange Korrespondent in den USA war, rät, in Europa müssten nun Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik geschlossen auftreten und klare Signale setzen. Das Thema sei komplexer, denn ein günstiger Euro sei ja nicht allein verantwortlich für Handelsdefizite auf der einen und Überschüsse auf der anderen Seite. Ihn erinnere Trump in seinen Rufen nach Fairness ein wenig an das Tucholsky-Zitat "Das Volk erkennt nicht alles, aber es fühlt viel". Seine Politik müsse nicht zu einem Handelskrieg führen, wenn stattdessen eine "ökonomische Entspannungspolitik" verfolgt werde.

Nach Trittins Ansicht kann sich Europa nur zusammenhalten lassen, wenn ernsthaft an einer Strukturreform gearbeitet werde und auch in ärmeren Regionen Europas wieder mehr investiert werde. Steingart ergänzt: "Europa ist ja nicht plötzlich aus der Krise, wir haben nur weniger Platz auf den Titelseiten der Zeitungen."

Der Journalist erinnert daran, dass Amerika zwar ein wichtiger, aber kaum Deutschlands einzig wichtiger Handelspartner ist. Der Außenhandel mit Frankreich beispielsweise sei ebenso bedeutsam, die Handelsaufkommen mit Polen, Ungarn und Tschechien sogar noch größer.

Machtposition macht Angst

Die einzige Frau in der Runde, Mareike Nieberding, sorgen vor allem Stil und Sprache der Politik Trumps. Sie habe sich in Amerika umgehört und daraufhin entschieden, eine transatlantische Demokratiebewegung zu gründen. Ihr grause vor allem vor Steve Bannons Aktionen. Trumps Regieren per Twitter vergleicht sie mit "Dauerbeschuss in einem Actionfilm": "Ich frage mich ob eine Strategie dahinter steckt, so von größeren Schachzügen abzulenken", sagt Nieberding.

Für Seehofers Lob über Trumps Tempo habe sie kein Verständnis: "Wieso ist es plötzlich okay, sich über demokratische Entscheidungen und Kompromisse lustig zu machen?", kritisiert sie die ironischen Kommentar des CSU-Mannes und erntet Applaus. Vor allem aber mache Nieberding Angst, wie plötzlich mit der Wahrheit umgegangen werde. "Auf eimal sprechen wir von ‘Alternative Right' — früher hießen die Nazis oder Klu-Klux-Klan." Heute heiße plötzlich ‘alternative facts', was früher schlicht Lügen gewesen seien.

Wieso man nichts vom Parlament höre, wird Steingart gefragt: "Der Präsident hat eine Art Status der Unfehlbarkeit, wie ihn sonst fast nur der Papst hat.…" Deswegen habe auch ein amerikanischer Präsident Hiroshima möglich machen können. "Die Machtfülle übersteigt alles, was wir in Europa kennen", so Steingart. Er appelliert, Europa müsse in größerer Vitalität zueinander finden und reagieren, etwa an die Bürger denken und Bürokratie abbauen. "Europa zuerst" könnte ja auch ein gutes Motto sein.

Gespräche können wirken

Peter Altmaier erklärte, er habe den Eindruck, dass bisherige Gespräche bereits Wirkung zeigten. "Er wird zuhören, auch wenn er nicht in jedem Fall auf uns hören wird", so der CDU-Mann. Es stimme ihn optimistisch, dass Donald Trump offenbar schon jetzt zum Thema Russlandsanktionen eine andere Linie zu fahren scheine.

Auch Bernhard Mattes betonte die Wichtigkeit, sich weiter aktiv einzubringen, das Gespräch zu suchen und auf die bisherigen "win win" Beziehungen aufzubauen.

(juju)
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