"Menschen bei Maischberger" Ein großer Haufen Ratlosigkeit

Köln · In der letzten Ausgabe von "Menschen bei Maischberger" im Jahr 2015 sollte ein "Quartett der Querdenker" eine Bilanz ziehen: Was hat uns das Jahr gebracht und wie geht es weiter? Die Ratlosigkeit war erwartbar und ernüchternd.

Das "Quartett der Querdenker" wagte bei Sandra Maischberger einen Rückblick auf das Jahr 2015.

Das "Quartett der Querdenker" wagte bei Sandra Maischberger einen Rückblick auf das Jahr 2015.

Foto: Screenshot / ARD

Das "Quartett der Querdenker" hatte eindeutig einen männlichen Überhang. Neben "Emma"-Herausgeberin und Feministin Alice Schwarzer als einzige Frau waren drei Herren zu Gast, nämlich Ex-"Wetten, dass..?"-Moderator Thomas Gottschalk, Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit und CDU-Urgestein Heiner Geißler.

Als Sendung über ein "hochdramatisches Jahr, das die Menschen bewegte" wurde die Jahresendausgabe von "Menschen bei Maischberger" angekündigt, und auch Heiner Geißler bestätigte zu Anfang: 2015 hatte die Qualität einer historischen Zäsur.

Gleich mehrere jeweils eigentlich sendungsfüllende Themen wurden besprochen: Vom Terror und der Angst davor (Thomas Gottschalk: "Ich habe die RAF erlebt, aber jetzt betrifft mich der Terror wirklich") über den Kampf gegen den Islamismus (Heiner Geißler: "Eine andere Möglichkeit, als den Versuch, den Islamischen Staat militärisch zu besiegen, gibt es nicht") bis hin zur Flüchtlingsdebatte, von der Daniel Cohn-Bendit forderte, sie müsse sich zu einer Einwanderungsdebatte entwickeln, und den Sorgen einiger Bürger (Alice Schwarzer: "Nicht alle jungen Männer, die da zu uns kommen, tragen den Feminismus unter dem Arm").

Kern der Debatte war schlussendlich die Frage, wie die deutsche Gesellschaften mit den verschiedenen Herausforderungen in der Kombination umgehen sollte. Das wiederum mündete in einer Debatte über das Für und Wider der Toleranz gegenüber unterschiedlichen Meinungen — insbesondere aus der rechten Ecke.

Während Alice Schwarzer und Thomas Gottschalk für die Vertreter der Besorgten standen und durchaus Verständnis dafür äußerten, dass sich einige nicht mehr in der öffentlichen Diskussion wiederfinden (Alice Schwarzer: "Wir neigen in diesem Land wieder zu Denkverboten") zeigten Heiner Geißler und Daniel Cohn-Bendit klare Kante und wehrten sich gegen zu viel Verständnis für rechte Tendenzen (Heiner Geißler: "Es gibt keine Toleranz gegenüber dem Intoleranten").

Überraschenderweise überzeugte in der Runde vor allem der Nicht-Politik-Profi Thomas Gottschalk. Vielleicht war das aber auch sein großer Vorteil. Er schwieg zwar in vielen hektischen Phasen, konnte dafür aber an anderer Stelle besonders unvoreingenommen an die Diskussion herangehen und klarer seine Meinung sagen. "Ich bin nicht besorgt, was die Flüchtlinge betrifft, sondern was die Flüchtlingspolitik angeht", lautete etwa ein bemerkenswerter Satz von ihm.

Die Politik sei zwar aktuell so sehr gefragt wie nie, das Vertrauen der Bevölkerung sei nach politischen Fehlern, etwa bei der Wiedervereinigung und der Einführung des Euro, allerdings verloren gegangen, analysierte Gottschalk überraschend scharf. Schwierig wurde seine Argumentation nur rund um die Diskussion zu "Pegida" und Fehlern bei der Integration von Migranten. Hierzu meinte er in einem Zwischenruf: "Wenn es weniger zu schimpfen gibt, wird auch weniger geschimpft werden", und gab so indirekt den "Pegida"-Anhängern Recht.

Im Jahr 2015 sind in der Tat verschiedene umwälzende Entwicklungen zusammengekommen. Die "Spaßgesellschaft ist an ihre Grenzen gekommen" nannte das Moderatorin Sandra Maischberger ganz zu Anfang ihres Talks.

Eine einfache Erklärung der Religion als Grundlage allen Übels war jedoch allen in der Runde zu einfach. "Der Glaube ist bei den Islamisten auch nur ein Vorwand", gab Alice Schwarzer zu bedenken. Religion werde missbraucht, erläuterte Daniel Cohn-Bendit. Doch sie könne sich, wie Heiner Geißler meinte, auch mit nationalistischen Tendenzen verbinden, wie etwa in Ungarn und Polen. Das ergebe dann wiederum eine gefährliche Mischung.

Der Schlüssel ist offenbar mehr Integration und mehr Toleranz, oder mehr "Love and Peace", wie es Thomas Gottschalk zu Anfang der Sendung nannte. Die Toleranz muss jedoch vielseitig sein. Wer Integration von Zuwanderern fordere und sie auf unsere Werte hinweise, müsse gleiches auch mit den Anhängern von AfD und Pegida tun, bezog Daniel Cohn-Bendit Stellung.

Ein wirklicher Ausblick auf das Jahr 2016 und die handfesten Konsequenzen der Debatte fehlten. Wie genau muss Integration aussehen? Welche Aufgaben kommen der Politik und welche anderen gesellschaftlichen Akteuren zu? Und wie sieht ein Umgang mit Islamisten unabhängig vom Kampfeinsatz gegen den IS in Syrien aus? Alle diese Fragen blieben offen. Am Ende stand vor allem Ratlosigkeit. Dazu passend das:

"Wir werden die Welt ja nicht in dieser Stunde ändern können", sagte Thomas Gottschalk mitten in einer Argumentation — und brachte damit auf den Punkt, welchen Erkenntnisgewinn die Sendung, in der er selbst saß, zu erbringen vermochte.

Sandra Maischberger sendete zum letzten Mal am Dienstagabend im Ersten. Wegen des Wechsels von Anne Wills Talksendung auf den Sendeplatz am Sonntagabend läuft "Menschen bei Maischberger" ab Anfang 2016 immer mittwochs um 22.45 Uhr.

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(hebu)
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