Michael Mittermeier im Interview "Für die Leute dort bin ich ein Oxymoron"

Der Comedian Michael Mittermeier stand im Mai am New Yorker Broadway auf der Bühne, in dieser Woche spielt er in London. Im August ist er zudem zwei Wochen beim Fringe Festival in Edinburgh zu sehen. Im Interview mit unserer Redaktion spricht der Bayer sein englisches Tour-Leben und warum man im Ausland die Deutschen für absolut unlustig hält.

 Michael Mittermeier.

Michael Mittermeier.

Foto: AP

Herr Mittermeier, Sie haben am Broadway gespielt, standen im Vorprogramm des britischen Comedian Eddie Izzard vor 2800 Leuten. Was war das für eine Erfahrung?

Michael Mittermeier Ich habe mich wahnsinnig gefreut. Aber: Auf der einen Seite hat man ein großes Publikum, auf der anderen Seite muss man dann auch liefern. Wenn es nicht gut ist, wird es schwierig vor so vielen Leuten.

Weil man Michael Mittermeier dort nicht kennt.

Mittermeier Eben, der Markt dort ist viel zu groß — da haben wir in Deutschland keine Vorstellung von. Wenn bei uns einer lustig umfällt, bekommt er ja gleich eine Fernsehsendung. In New York allein haben sie wahrscheinlich zehn Mal mehr Comedians als in ganz Deutschland. In dieser Masse geht man unter.

Dabei war es gar nicht Ihr erster Auftritt in New York.

Mittermeier Das stimmt. Ich habe vor zehn Jahren mal für ein paar Monate in New York gewohnt und habe damals begonnen, meine ersten englischsprachigen Auftritte zu machen. Ich bin monatelang durch kleine Clubs und OpenMic-Veranstaltungen gewuselt. Das war damals so ein Hobby von mir. In den letzten Jahren war ich dann auch in Schottland und England unterwegs, und für mich war klar: New York muss wieder bespielt werden.

Fällt es Ihnen denn schwer, ein Publikum komplett zu überzeugen — und noch dazu auf Englisch?

Mittermeier Das ist sauschwierig. Als Stand-up-Comedian habe ich schon alles gemacht, ich habe alle Größenordnungen gespielt. Irgendwann kommt dann der Punkt, wo du dich fragst: Wo will ich noch hin, was kann ich noch machen? Natürlich kann man dann irgendwelche Kinokomödien oder Fernsehserien drehen. Mein Gefühl hat mir gesagt, ich sollte auch mal auf Englisch spielen. Obwohl er relativ unbeachtet in Deutschland passiert, weil ich der Einzige bin. Es gibt keinen aus Deutschland, der so im Ausland auftritt.

"Cindy aus Marzahn" stand aber kürzlich auch in New York auf der Bühne.

Mittermeier Das stimmt. Sie hat da allerdings auf Deutsch gespielt. Und die Reaktion im Ausland ist eine andere, wenn man als Deutscher mit englischem Programm vor englischsprachigem Publikum auftritt.

Welche Rolle spielt es, dass da ein Bayer vor dem Publikum steht?

Mittermeier Das nehmen viele von ihnen gar nicht so richtig wahr. Denn sie kennen das Bundesland Bayern als solches nicht. Für viele sind die Deutschen Lederhosen tragende Würtschl-Esser auf dem Oktoberfest. Und da stell ich mich auf die Bühne und sage: "Freunde, das hat mit Deutschland nichts zu tun, das sind nur wir — die Bayern."

Sie spielen in diesem Sommer noch in London und auf dem Fringe-Festival in Edinburgh. Lachen die Leute dort über dieselben Witze wie die Deutschen?

Mittermeier Es gibt ja keinen "deutschen Humor". Was soll das sein? Womit wir Deutschen aber zu kämpfen haben, ist das Klischee, dass wir eigentlich überhaupt keinen Humor haben. Da sollten wir uns mal fragen, warum das so ist.

Haben Sie eine Antwort darauf?

Mittermeier Das ergründe ich noch und ich arbeite gerne gegen dieses Klischee an. Für die Leute dort bin ich ein Oxymoron. Ein lustiger deutscher Comedian ist für sie so etwas wie ein russischer Menschenrechtsausschuss. Als ich mal einem Taxifahrer in London über meinen Beruf erzählte, lachte er nur und sagte: "Guter Witz."

Was haben Sie denn bei ihren Forschungen herausgefunden?

Mittermeier Es gibt zum Beispiel kein einziges positives Humorsprichwort bei uns. Es heißt immer "Scherz beiseite" oder "Spaß muss sein". Oder haben Sie schon einmal versucht, den Spruch "Hast Du einen Clown gefrühstückt" zu übersetzen: "Did you have a clown for breakfast?"

Haben Sie sich mit ihrem Programm an die Länder angepasst?

Mittermeier Natürlich. Es ist schon ein Unterschied, ob ich in Deutschland oder England spiele. Vieles aus meinem englischen Solo-Programm habe ich extra dafür geschrieben — da hat mir die Erfahrungen aus den vergangenen Jahren sicherlich geholfen. Ich will die Leute dort ja genauso zum Lachen bringen wie hier. Das würde nicht funktionieren, wenn ich mein deutsches Programm einfach nur ins Englische übersetzen würde.

Das bedeutet, Sie greifen auch lokale Themen vor Ort auf, legen den Finger in die Wunde?

Mittermeier Ja, insbesondere unter dem Gesichtspunkt: Wie schaut der Deutsche auf ein Thema, das vor Ort wichtig ist? In den USA wäre das zum Beispiel der Aspekt des Waffenkaufs. Aber man muss nicht nur heiße Eisen anfassen, es können auch leichtere Themen sein. Zum Beispiel gucken die Amerikaner ganz anders auf das Thema Fußball als wir Europäer.

Das, was Sie machen, ist in vielen Ländern keine Selbstverständlichkeit. Das haben sie selbst erlebt als sie durch Burma gereist sind, wo der örtliche Komiker Zarganar viele Jahre im Gefängnis saß, weil er Witze über die Regierung machte.

Mittermeier Das ist erschreckend zu sehen. Aber schlimm finde ich es auch, wenn sich in Deutschland Leute hinstellen und behaupten, sie dürften ihre Meinung nicht äußern, würden mundtot gemacht. Das ist Schwachsinn und spottet all denjenigen, die in Ländern leben, wo sie verhaftet werden, weil sie im Bus einen Witz über ihren örtlichen Bürgermeister gemacht haben.

Sie haben damals über die Reise einen Dokumentar-Film gedreht. Waren sie seitdem noch einmal in Burma?

Mittermeier Leider nicht. Wir sind damals gerade so noch aus dem Land rausgekommen und waren bestimmt auf einer schwarzen Liste. Da wollten wir erst einmal nicht wieder zurückfahren. In den letzten zwei Jahren, seit Zarganar aus dem Gefängnis raus ist, hat es sich leider noch nicht ergeben. Aber ich habe ihn vor einiger Zeit in London und auch in Irland getroffen.

(csc)
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