Mit einem sieht man besser?

Der Vorschlag von Horst Seehofer, ARD und ZDF zu fusionieren, wird kontrovers diskutiert. Medienexperte Thomas Lückerath analysiert die Machbarkeit und sagt, die Sender doppeln sich weniger, als man denkt.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk braucht grundlegende Veränderungen, um mit klarer definierten Aufträgen und einem gestrafften Angebot auch in Zukunft mit den erwartbaren Mitteln der Rundfunkgebühr auszukommen. Vereinzelt wird diese Dringlichkeit auch bei ARD und ZDF schon erkannt, doch nötige Weichenstellungen überlässt man als Intendant zu gerne dem Nachfolger. Viele Entscheidungen werden dann zu spät und nicht strategisch getroffen. Welche Angebote könnten sich die beiden Anstalten sparen? Und warum wurden allein aus den regionalen Landesrundfunkanstalten der ARD längst mehrere national sendende und denkende Sender?

Horst Seehofers jüngster Vorschlag, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland kurzerhand in einer Anstalt zu fusionieren, erweist leider jedem ernsthaften Reform-Bemühen einen Bärendienst. Ein Holzhammer hilft nicht, wo Nadeln nötig wären. Die Angegriffenen schalten instinktiv in den Defensiv-Modus. Dabei kann man sich natürlich fragen, warum wir eigentlich mehrere öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten haben. Andere Länder kommen auch mit einer aus. Die Fragestellung ist so naheliegend wie legitim.

Ohne sich jedoch die Mühe zu machen, zunächst zu verstehen, wie unser öffentlich-rechtlicher Rundfunk gewachsen ist, will Seehofer ihn schon beschneiden. Einfache Antworten auf komplexe Probleme sind selten ratsam, aber stets effektvoll. So auch Horst Seehofers Vorstoß zu ARD und ZDF. Wenige Themen bringen die Deutschen scheinbar so auf die Palme wie der Rundfunkbeitrag, ehemals GEZ-Gebühr. Hier eine kostensparende Revolution anzusprechen, bringt schnellen Applaus. Da haben ARD und ZDF das gleiche Image wie die große Politik: Es gibt zu viele, und sie sind zu teuer. Das wisse doch jeder!

Seehofer sieht sinnlosen Wettbewerb zwischen diesen Anstalten - eine Sichtweise, die vielleicht der Sozialisierung in einem Bundesland geschuldet ist, in dem lange eine Meinung - die der CSU - die absolute Mehrheit stellte. Vielfalt in Darstellung, Meinung und Blickwinkeln gilt sonst jedenfalls als Bereicherung. Parallel übertragene Königshochzeiten sind natürlich Quatsch, aber auch eine seltene Ausnahme. Im Alltag liefern sich ARD und ZDF einen Wettbewerb, basierend auf dem selben Qualitätsverständnis.

Und sie doppeln sich weniger, als man auf den ersten Blick denkt. Die ARD an sich gibt es beispielsweise nicht, weil es ein föderal aufgestellter Verbund ist. Das ZDF wiederum ist zentral organisiert. Die ARD ist im Radio aktiv, das ZDF nicht unmittelbar. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk beschäftigt nicht nur selbst und über Tochterfirmen Zehntausende Menschen. Er ist mit Abstand auch der größte Auftraggeber für eine unabhängige Produktionslandschaft, die weitere Zehntausende mittelbar beschäftigt. Auch das deutsche Kino - um nur ein Beispiel zu nennen - ist auf überlebenswichtige Förderungen der Öffentlich-Rechtlichen angewiesen.

Man kann also ARD und ZDF fusionieren und sparen wollen, aber müsste dabei berücksichtigen, dass dies weitreichendere Auswirkungen hat als die Reduktion einer doppelten Königshochzeit. Zwischen schöner Theorie und praktischer Realpolitik gibt es eben Unterschiede. Seehofer ist mit seiner jüngsten Idee nicht allein, doch die Gesellschaft, in die er sich damit begibt, ist zweifelhaft. Radikale Vorschläge zum Umbau des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland gab es zuletzt immer mal wieder, meist allerdings vom politischen Rand oder von den hinteren Bänken der größeren Parteien.

Tröstlich: Zu viele Gedanken sollten wir alle nicht an eine radikale Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verschwenden, denn geändert werden kann er nur von der Medienpolitik. Und da wird oft ein sehr wichtiger Aspekt vergessen: Wenn Politik im Fernsehen die Massen erreicht, dann fast ausschließlich über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Das Privatfernsehen widmet sich nur selten der Politik, bietet ihr noch seltener eine Bühne zur Selbstdarstellung - deren Lebensader in Zeiten medialer Erregungen. Letztlich wird auch Horst Seehofer daher aus ganz egoistischen Motiven nicht den Ast absägen, auf dem er sitzt.

Der Autor ist Chefredakteur des Online-Medienmagazins und Branchendienstes DWDL.de

(RP)
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