Neue Netflix-Serie „The OA“ ist eine ungewöhnliche Mystery-Serie

Der Name "The OA" klingt kryptisch. Tatsächlich versteckt sich dahinter eine mutige, packende, etwas andere Netflix-Serie. Seit Freitag kann sie abgerufen werden.

 Prairie Johnson (Brit Marling) sammelt in der Netflix-Serie "The OA" fünf Mitstreiter um sich und erzählt ihre fantastische Geschichte.

Prairie Johnson (Brit Marling) sammelt in der Netflix-Serie "The OA" fünf Mitstreiter um sich und erzählt ihre fantastische Geschichte.

Foto: Myles Aronowitz/Netflix

Es beginnt mit einem Smartphone-Video. Eine junge Frau stürzt sich von einer Brücke — und überlebt. Schnell wird klar, dass es sich um die 28-jährige Prairie Johnson (Brit Marling) handelt, die vor sieben Jahren spurlos verschwunden ist. Nur: Damals war sie blind, jetzt kann sie sehen und ihr Rücken ist von Narben entstellt, die eher wie seltsame Zeichen aussehen. Das könnte der Beginn einer eher typischen Mystery-Serie sein. Nur: "The OA" ist alles andere als typisch.

Die junge Frau schart recht schnell fünf unterschiedliche Menschen um sich, die ihr helfen sollen — bei einer geheimnisvollen Mission. Dann erzählt sie den fünf Auserwählten ihre fantastische Geschichte. Die hat fast gar nichts mit Action oder einem nervenzerreißenden Thriller zu tun. Und doch sind die acht Folgen packend und man kommt nicht mehr von der Serie los. Denn es geht um existenzielle Fragen: Was kommt nach dem Tod? Ist er das Ende? Und welchen Sinn hat das Leben?

Prairies vielschichtige Story fesselt so sehr, weil sie etwas in jedem Menschen berührt und weil man auf Antworten hofft. Zudem wird die Geschichte von der herausragenden Leistung der Schauspieler getragen. Vor allem von der innigen, nahegehenden Darstellung Brit Marlings, durch die der Zuschauer tatsächlich eine Bindung zu Prairie Johnson aufbaut.

Die Hauptdarstellerin hat zusammen mit Zal Batmanglij auch die Geschichte geschrieben. Das Duo hat bereits mit den außergewöhnlichen Filmen "Sound of my Voice" und "The East" Achtungserfolge erzielt. Und in "The OA" gehen die beiden ebenfalls ihren eigenen Weg — auch bei der Inszenierung.

In der Serie dominieren Dialoge, einige Szenen erinnern schon fast an ein Kammerspiel. Dennoch wird es niemals langatmig. Dafür ist die Geschichte zu packend. Schnell steht indes die Frage im Raum, ob das alles auch stimmt. Tatsächlich handelt es sich oft nur um die in Szene gesetzten Erzählungen Prairies, deren Wahrheitsgehalt man durchaus anzweifeln kann. Zumal immer wieder Indizien dafür einstreut werden, dass Prairie geisteskrank ist.

Einige ihrer fünf Mitstreiter sind auch nicht immer überzeugt. Aber sie wollen — wie auch der Zuschauer —, dass die Geschichte stimmt und die Mission einen Sinn hat. Denn Vordergründig geht es in "The OA" um Prairie und ihre Geschichte. Hintergründig geht es um das Leben in der Moderne. Alle fünf haben zwar einen anderen Hintergrund. Aber ihr Leben bewegt sich in fest gefügten oder festgefahrenen Bahnen — ohne Höhepunkte oder einen tieferen Sinn. Sie existieren isoliert von anderen bloß vor sich hin.

 Prairie (Brit Marling) nimmt an Experimenten teil, die ihr Leben verändern.

Prairie (Brit Marling) nimmt an Experimenten teil, die ihr Leben verändern.

Foto: JoJo Whilden/Netflix

Erst durch Prairie, ihre Story und den Glauben an die Mission verändert sich etwas. Sie haben ein Ziel, sie fühlen sich angenommen und bedeutend und sie spüren etwas, dass sie bislang vermisst haben: Sie fangen an zu leben.

Zugegeben: Nicht alle diese Charaktere sind wirklich ausgearbeitet. Ebenso wenig wie die Figuren in Prairies Geschichte. Aber "The OA" funktioniert trotzdem. Bis zum herzergreifenden, bewegenden Schluss, der viele Fragen offen lässt. Was stimmt nun? Was ist wirklich passiert? Darauf muss der Zuschauer wie auch Prairies fünf Gefährten selbst eine Antwort finden. Nach dem Abspann der letzten Folge bleibt man darum nachdenklich zurück und stellt dann fest, dass das Ende den Sinn hat, den man ihm geben möchte.

"The OA" — es gibt eine Erklärung für den seltsamen Titel, aber das wäre bereits ein Spoiler — ist eine Serie, die nur bei Netflix funktionieren kann. Nicht nur, weil die acht Episoden unterschiedlich lang sind und sich zwischen 30 Minuten und mehr als einer Stunde bewegen. Das zurückgenommene Tempo, die Dialoglastigkeit, der ungewöhnliche Rhythmus, der einen dennoch mitreißt — das alles hätte bei einem normalen TV-Sender keine Chance gehabt. Der Streaming-Dienst dagegen hat den Mut für solche Experimente. In diesem Fall zum Glück. Denn "The OA" bewegt zutiefst — wenn man sich darauf einlässt.

(jov)
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