"Ninja Warrior" Schöner scheitern

Düsseldorf · Beim Finale von "Ninja Warrior Germany" dauerte es fast zwei Stunden, bis der erste Kandidat den Auftaktparcours bezwang. Doch auch die Nicht-Sieger sind keine Verlierer.

"Ninja Warrior": Oliver Edelmann kämpft sich durchs Finale 2016
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"Ninja Warrior" - Oliver Edelmann kämpft sich durchs Finale

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Das Schönste beim Betrachten extremer sportlicher Leistungen im Fernsehen: Man kann die Anstrengung, die Aufreibung, die Schmerzen zwar sehr deutlich sehen, muss sie aber nicht spüren. Beim Finale von "Ninja Warrior" tat einem allerdings schon nach zwei Stunden zwar nicht vom Zuschauen, so doch vom Zuhören selbst eine Körperstelle weh: So irre brüllte Kommentator Frank Buschmann die Sportmenschen durch den Parcours, dass einem Zu Hause selbst der Hals schmerzte.

Auf den ersten Blick — und für Menschen, die bei der Freikletter-Sportart Bouldern zuerst an eine jugendsprachliche Verballhornung des guten, alten Bowlings denken — sieht die zu bewältigende Hindernisstrecke aus wie etwas, durch das man nur überambitionierte Sportschäferhunde hetzen könnte. Was die 28 Finalsportler dann zeigen, beeindruckt auch erklärte Nicht-Sport-Begeisterte: Vom Profikletterer bis zum Maschinenbaustudent springen, hangeln, stemmen sie sich durch die fast nicht machbar scheinenden Schikanen — und plumpsen dann doch einer nach dem anderen an wechselnden Stellen aus dem Kurs in die darunter lauernden Wasserbecken.

Weltweit haben es nur sechs Menschen bis über das letzte Hindernis geschafft

Egal, ob hobbysportelnder Metallbauer oder Profi-Kletterer: Sie verschätzen sich, treten nur ein paar Zentimeter daneben, verlieren die Balance oder werden von den letzten Kraftreserven verlassen — und Frank Buschmann schreit, zetert, zaudert, befeuert: "Das ist'n Kalb!", "Ich krieg die Pimpernellen hier!", "Er muss, er muss, ER MUSS!", "Das ist ein Mentalitätsmonster!", "Oh je, der ist doch schon blau!". Bis er selbst ähnlich am Ende ist wie die Sportler: "Ist er der erste — SCHNAUF — der hier im Finale — SCHNAUF — in die nächste Runde kommt?"

Als nach fast zwei Stunden immer noch kein Kandidat durch ist, gerät man Zu Hause leicht ins Grübeln: Eigentlich sollte diese unüberwindbare Qualstrecke nur die erste von vier Bahnen sein, die es im Finale zu überwinden gilt, bevor der ultimative "Mount Midoriyama" zu bezwingen wäre, 22 Meter, die man an einem Seil senkrecht in rasender Geschwindigkeit in die Höhe klettern muss — existieren die anderen drei Bahnen überhaupt?

Doch Scheitern gehört bei "Ninja Warrior" traditionell dazu: In den 29 Jahren, in denen das Format international bereits läuft, haben es nur sechs Menschen bis über das letzte Hindernis geschafft. In den USA schaffte das der erste Kandidat in der siebten Staffel.

Der Titel des deutschen Ninja Warrior bleibt noch unvergeben

Ganz normal also, dass am Samstagabend auch ein Favorit nach dem anderen plötzlich aus dem Wettbewerb kippt, auch wenn Buschmann ihn zuvor noch in den höchsten Frequenzen gelobt hat: "Der hat Schmackes bis Ultimo!", "Der ist fit bis Oberammergau!", Vor allem die letzte Hürde, die "unsichtbare Leiter", bei der sich die Sportler mit einem Ringe-Zugsystem durch einen Schacht nach oben wuchten müssen, kickt viele auf den letzten Metern noch aus dem Wettbewerb: Sie hängen dann da wie willensstrampelnde, aber abgekämpfte Männekes. Frauen sind übrigens in diesem Finale keine dabei, man gedachte den in den Vorrunden ausgeschiedenen Sportlerinnen aber immerhin in einem ehrenden Einspieler.

Irgendwann kommt doch einer durch. "Das hatterhatterHATTER!", tobt Buchmann, als Oliver Edelmann als erster und in letzter Sekunde auf den Bahn-End-Buzzer des ersten Parcours drückt. In der zweiten Bahn muss dann allerdings auch der vierfache deutsche Meister in Sportakrobatik kapitulieren, der Titel des deutschen "Ninja Warrior" bleibt also noch unvergeben.

Das Scheitern ist mit einkalkuliert

Was sympathisch und ungewohnt ist an diesem Format: Weil die Aufgabe so groß und fast unlösbar scheint, ist das Scheitern mit einkalkuliert und keineswegs die Endstation: "Bestimmt sehen wir dich nächstes Jahr wieder", tröstet Moderatorin Laura Wontorra viele Gescheiterte — praktischerweise wurde gerade eine zweite Staffel bestätigt. Tatsächlich ist es bei den internationalen Vorbildern durchaus nicht ungewöhnlich, sich der Herausforderung in guter Menderes-Penetranz-Tradition alle Jahre wieder zu stellen.

Denn Nicht-Siegen heißt hier nicht Verlieren. Angenehm abgeklärt sind darum viele der vorerst Gescheiterten. "Wahrscheinlich gibt es schon mehrere Facebook-Fanpages von dir", tröstet Wontorra einen Ausgeschiedenen, der gerade aus dem Wasserbecken klettert. Und der, nass, aber trocken: "Ich hoffe nicht."

Am besten fasste diese Haltung der Bruder des Berufskletterers Moritz Hans zusammen, der es gestern auch nicht bis zum Ende schaffte: "Egal, wie es ausgeht: Morgen gibt es trotzdem Kässpätzle."

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