ARD-Trilogie "Mitten in Deutschland" Die Blutspur des NSU-Trios

Düsseldorf · Die beeindruckende Spielfilm-Trilogie "Mitten in Deutschland" arbeitet die Gewalttaten der rechtsextremen Gruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" auf. Täter, Opfer und Ermittler werden in je einer Folge ausführlich beleuchtet.

NSU: Szenenbilder aus "Die Täter – Heute ist nicht alle Tage"
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Szenenbilder aus dem 1. Teil der ARD-Trilogie über den NSU

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Foto: SWR/Stephan Rabold

Die Blutspur zieht sich quer durch die Republik. Mit acht Schüssen wurde in Nürnberg im September 2000 der muslimische Blumenhändler Enver Simsek auf dem Gebetsteppich in seinem Lieferwagen niedergestreckt. Zwei Tage später erlag er seinen schweren Verletzungen. Simsek war das erste Opfer, gegen das sich der tödliche Hass der rechtsextremistischen Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) richtete.

Von 1998 bis 2011 wurden bundesweit mindestens zehn Menschen kaltblütig erschossen. Außerdem gehen zwei Sprengstoffanschläge in Köln (Probsteigasse und Keupstraße) mit vielen Verletzten sowie 15 Raubüberfälle auf das Konto des NSU.

Stationen des NSU-Terrors
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Foto: dpa, Frank Doebert

Den harten Kern bildeten drei junge Leute aus Thüringen: Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe. Nach dem Tod — allem Anschein nach Selbstmord — der beiden Männer im November 2011 in einem Wohnmobil ist Zschäpe die Hauptangeklagte im Münchener NSU-Prozess, der im Mai 2013 begonnen hat. Parallel dazu versuchen Parlamentarische Untersuchungsausschüsse in NRW und anderen Bundesländern zu ergründen, wieso das infernalische Trio so lange unentdeckt bleiben und sein Unwesen treiben konnte.

Um die Mordserie des NSU dreht sich auch die beeindruckende Spielfilm-Trilogie "Mitten in Deutschland", in der es jeweils um die Täter, die Opfer und die Ermittler geht. Das anspruchsvolle Filmprojekt verdient uneingeschränkt das Prädikat: absolut sehenswert.

Der erste Teil (Regie: Christian Schwochow) zeigt, wie junge Leute im Osten Deutschlands nach dem Mauerfall aus Orientierungslosigkeit, Frust und Langeweile ausrasten und sich zunehmend radikalisieren. In einem dumpfen Milieu aus Suff, Gegröle und Übergriffen tun sich die beiden Uwes und Beate Zschäpe (glaubhaft dargestellt von Sebastian Urzendowsky, Albrecht Schuch und Anna Maria Mühe) als besonders gewaltbereit hervor.

Wohin die Verrohung führte, zeigt Teil zwei (Regie: Züli Aladag). Er ist weitgehend angelehnt an die Autobiografie von Semiya Simsek ("Schmerzliche Heimat"), der Tochter des ermordeten Blumenhändlers. Bis auf die junge Polizistin Michele Kiesewetter in Heilbronn handelt es sich bei den Opfern ausschließlich um griechische und türkische Kleinunternehmer, die scheinbar wahllos sterben mussten. Die Täter machten von ihnen Fotos, die sie später auf eine CD brannten.

Urlaubsbilder der Nazi-Terrorzelle
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Im Falle Simsek ging die Polizei lange Zeit von einem Drogenhintergrund aus, da der Blumenhändler häufig nach Holland gefahren war und bei einer Wohnungsdurchsuchung viel Geld gefunden wurde. Erschreckend, wie herablassend die Angehörigen von der Kripo behandelt wurden. Sie mussten sich von ihr auch vorhalten lassen, dass der Ermordete mit einer Freundin ein Kind gehabt habe. Eine glatte Lüge, wie ein Beamter später kleinlaut einräumte. Das sei nur eine "Ermittlungsmaßnahme" gewesen.

Teil drei (Regie: Florian Cossen) macht nicht minder sprachlos angesichts der (bewussten?) Fehler bei den Ermittlungen. Da wird beispielsweise das ausgebrannte Todes-Wohnmobil der beiden NSU-Mörder auf einen Abschleppwagen hochgezogen, so dass das Löschwasser nach außen schwappt und im Innern mögliche Spuren verwischt werden. Der Film nährt den schlimmen Verdacht, dass der Verfassungsschutz die Aufklärungsarbeit mehr blockiert als unterstützt hat. Waren Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe V-Leute des Verfassungsschutzes? Dazu würde passen, dass wichtige Akten in Behördenschredder gesteckt wurden und das Trio noch vor dem polizeilichen Zugriff aus seiner konspirativen Wohnung entkommen konnte.

Es hat Jahre gedauert, bis zwischen den zehn NSU-Morden (unter anderem auch in Dortmund und München), bei denen immer dieselbe Tatwaffe benutzt wurde, eine Verbindung aufgedeckt wurde. Doch viele Fragen bleiben offen. Solange Beate Zschäpe vor Gericht schweigt, wird sich daran wohl kaum etwas ändern.

Info "Mitten in Deutschland", ARD, Teil I 30. März, 20.15 Uhr; Teil II 4. April, 20.15 Uhr; Teil III 6. April, 20.15 Uhr; Dokumentation 6. April, 21.45 Uhr

(hüw)
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