TV-Kritik zum Wiener Tatort Österreicher bezeichnen sowas wohl als "Schmarrn"

Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) wollen eigentlich Urlaub machen. Doch dann erfährt die Kommissarin, dass ihr Vater im Sterben liegt. Sie fährt zu ihm in die Steiermark, der Kollege lässt sie selbstverständlich nicht allein.

Szenen aus dem Tatort "Paradies"
11 Bilder

Szenen aus dem Tatort "Paradies"

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Der alte Herr, der ein Säufer war und völlig mittellos gestorben ist, hat seiner Tochter mehr als 30 000 Euro hinterlassen. Klar, dass die beiden wissen wollen, woher er so viel Geld hatte. Sie stoßen auf einen regen Drogenschmuggel im Altenheim sowie einige ungeklärte Todesfälle.

Crystal Meth schmuggelnde Senioren, Armut im Alter und ein schlechtes Tochter-Vater-Verhältnis: Der erste "Tatort" nach der Sommerpause kam aus Wien und hatte genügend Themen, um eine spannende Handlung zu entwickeln. Nur: Der Fall war arg konstruiert.

Dass der Auftakt dennoch nicht misslang, lag allein an den Darstellern. Bibi Fellner sorgte für die ernsten Momente im Krimi, wenn sie zwischen Gleichgültigkeit und Trauer über ihren toten Vater schwankte. Moritz Eisner und der pensionierte Undercover-Ermittler Reinhard Sommer (Branko Samarovski) brachten auch eine komische Note ins Spiel.

Kleine Highlights waren die Auftritte von Fellners Spezi "Inkasso-Heinzi" ("Von Crystal Meth weiß ich nix - ich bin ja nicht der Drogen-Heinzi") und vom Vorgesetzten der beiden Kommissare. Sehr witzig! Der Wiener "Tatort" hat eines der spannendsten Ermittler-Teams und einen ganz eigenen Stil entwickelt.

Eine Fehlbesetzung war allerdings Peter Weck als Paul Ransmayr, dem Anführer der Schmuggler aus dem Altenheim. Schön, dass er nach einigen Jahren der TV-Abstinenz wieder vor der Kamera stand. Doch wäre dem 84-Jährigen eine andere Rolle zu wünschen gewesen: Paul Ransmayr war einst ein reicher Unternehmer, dann überschrieb er seiner Tochter die Firma.

Die neue Besitzerin verwandelte sich in ein undankbares Biest und nahm ihm alles weg. Nun fristet er sein Leben in Altenheim, das aussieht wie ein Armenhaus aus dem 18. Jahrhundert - immerhin, die Requisite konnte zeigen, zu was sie in der Lage ist…

Doch in Österreich scheint es nicht wie in Deutschland eine Verpflichtung der Angehörigen zu geben, abhängig von den eigenen Vermögensverhältnissen für die Heimunterbringung ihrer Verwandten aufzukommen. Wenn doch (wovon auszugehen ist), dann ist die Vita des Paul Ransmayers schlicht Unsinn.

Peter Weck nimmt man seine Rolle als Bösewicht nicht ab: Es steckt in der Person des skrupellosen Drahtziehers zu viel von Werner Schumann, der sich in "Ich heirate eine Familie" rührend um seine Patchwork-Familie samt Hund Lulu und Meerschweinchen Bommel gekümmert hat. Und nun scheut sich Weck nicht, einem Handlanger Mordaufträge zu erteilen und seinem Enkel, dem Drogendealer mit einer Vorliebe für E-Autos, mit einer Blumenvase den Schädel einzuschlagen? Österreicher bezeichnen so etwas wohl als "Schmarrn".

Der ganze Fall wirkte ohnehin arg unlogisch. Zum Beispiel stellte sich die Frage, warum die Drogenmafia die Rentner persönlich nach Ungarn und wieder zurück bringt und damit zufrieden ist, dass jeder Senior ein Tütchen mit vier Medikamentenpackungen über die Grenze schmuggelt. Dafür gab's pro Nase 200 Euro. Ziemlich viel für so wenig Stoff. Und der geschäftstüchtige Zuschauer fragte sich, warum die Dealer das Crystal Meth nicht kiloweise in den Kofferraum packen, wenn der Bus an der Grenze ohnehin nicht kontrolliert wird?

Dennoch: Der ORF- "Tatort" war besser als sein Ruf - bei den Quoten erreichte er von allen Teams im vergangenen Jahr nur den viertschlechtesten Wert. Das haben Fellner und Eisner nicht verdient. Hoffentlich können sie in dieser "Tatort"-Saison besser abschneiden.

(stö)
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