"Plötzlich Krieg?" auf ZDFneo Vom Krieg — und vom gestohlenen Frühstück

Düsseldorf · "Plötzlich Krieg? Ein Experiment" ist eine Reality-Show der etwas anderen Art – und gleichzeitig auch nicht. Zwar gibt sich das ZDFneo-Format den Anschein, wissenschaftlich erklären zu wollen, wie Konflikte entstehen. Letztlich geht es aber doch nur um Streit zwischen den Kandidaten, Belanglosigkeiten – und um ein gestohlenes Frühstück.

"Plötzlich Krieg? Ein Experiment" auf ZDFneo mit Jochen Schropp
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"Plötzlich Krieg? Ein Experiment" auf ZDFneo

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"Plötzlich Krieg? Ein Experiment" ist eine Reality-Show der etwas anderen Art — und gleichzeitig auch nicht. Zwar gibt sich das ZDFneo-Format den Anschein, wissenschaftlich erklären zu wollen, wie Konflikte entstehen. Letztlich geht es aber doch nur um Streit zwischen den Kandidaten, Belanglosigkeiten — und um ein gestohlenes Frühstück.

Bei Reality-Shows geht es ja eigentlich immer um eins: Unterhaltung — um fast jeden Preis. Bei "Big Brother", der Mutter aller dieser Formate, kann man Staffel für Staffel sehen, wie Menschen in einem Container mehr oder weniger lustige Spiele spielen, streiten wie die Kesselflicker und zwischendurch nackte Haut zeigen.

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Vordergründig hat "Plötzlich Krieg? Ein Experiment" damit nichts zu tun: angekündigt als Mischung aus Sozialexperiment und Spielshow, die zu erklären sucht, wie schnell durch Manipulation Konflikte entstehen können. Und ja: Im ersten von zwei Teilen, zu sehen am Dienstagabend bei ZDFneo, reichten ein paar Gameshow-Spielchen und ein verpasstes Frühstück, um zwei Gruppen mit je sechs Erwachsenen ("Team Rot" und "Team Blau") ordentlich gegeneinander aufzustacheln. "Das gibt Rache", droht Nikita aus der roten Gruppe am Tag drei von fünf: Man werde "alles daran setzen, die fertigzumachen". Schnelle Schnitte, dramatische Musik und überspitzte Kommentare von Versuchsleiter Christopher Lesko sorgten dabei dafür, dass die Verwandschaft zu anderen Reality-Shows trotz des wissenschaftlichen Anstrichs nicht zu verhehlen war.

Bei Castings in Berlin und Hamburg wurden die Teilnehmer (23 bis 54 Jahre) ausgewählt; gesagt hat man ihnen, es gehe ums Thema "Konfliktverhalten". Ein Projektentwickler ist dabei, ein Kaufmann, eine Kellnerin. Einige introvertiert, andere lauter: Student Alex (33) fällt sofort auf, weil er immer zu allem seinen Senf dazugibt und Grenzen der Mitspieler überschreitet "wie ein Kaktus am Nacktbadestrand", sagt Konflikt-Coach Lesko. Fünf Tage leben sie mit wenig Komfort und abgeschnitten von der Außenwelt (auch das "Dschungelcamp" lässt grüßen), regelmäßig ruft Lesko per Lautsprecher mit verzerrter Stimme die Teilnehmer für Gespräche in die "Kommunikationseinheit", die wie ein Klo-Häuschen anmutet und sofort Gesprächsthema wird: "Ne, da gehe ich morgen lieber im Wald kacken."

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Foto: Screenshot Twitter/Matthias Knödler

Für einen Konflikt brauche es drei Faktoren, sagt Lesko: Ein Wir-Gefühl ("Wir sind die Guten"), ein Feindbild ("Die sind die Bösen") und das Gefühl, einem werde etwas weggenommen. Eine Konstellation, wie man sie täglich in den Nachrichten findet, bei Konflikten auf der ganzen Welt. Damit sich auch in der isolierten Camp-Welt alles so entwickelt, ist in jedes Team ein "Maulwurf" eingeschleust worden, der seine Mitspieler unbemerkt in die richtige Richtung schieben soll.

Auch die Spiele sind manipuliert: "Team Rot" hat in einem vermeintlichen Wettlauf keine Chance, den Raum mit seinem Frühstück rechtzeitig zu erreichen - aber der Gruppe wird suggeriert, "Blau" sei schneller gewesen und habe dann frech beide Körbe mitgenommen. Muss eine Gruppe vernünftig genährter Erwachsener halt mal eine Mahlzeit auslassen, denkt der Zuschauer. "Ob man essen kann oder verhundern muss, ist eine überlebenswichtige Frage", sagt Lesko. Ganz falsch liegt er schrägerweise nicht. Im roten Team sieht man lange Gesichter, die Spieler sind hungrig und sauer, vom "Fertigmachen" ist schon die Rede.

Beim nächsten Spiel drücken die Teams von beiden Seiten gegen eine bewegliche Wand, um die Gegner nach hinten über eine Markierung zu schieben. Natürlich geht's dabei, das ist nun wieder recht lebensnah, erneut ungerecht zu: Die Wand ist manipuliert, Rot verliert zum zweiten Mal (auch geschwächt durch den Frühstücksverzicht!). "Das ist hochbelastend", sagt Lesko: "Die fühlen sich, als hätten sie eine Schlacht verloren."

Als Vorlage für den Versuch haben die Macher der Sendung das "Robber's-Cave"-Experiment von Muzaffer Şerif mit Jugendlichen aus den 50er-Jahren hergenommen. Die Manipulationen funktionieren ähnlich, die Rahmenbedingungen sind aber ganz andere: Immerhin sind die Teilnehmer diesmal - man merkt's halt nicht immer - Erwachsene, und sie sind mit Internet und Privatfernsehen großgeworden, haben wohl schon viele solcher Shows gesehen. Man müsse damit rechnen, dass sie das Spiel durchschauen oder nicht mitspielen, sagt Lesko: "Das ist ergebnisoffen."

Der Ausblick auf die zweite Hälfte des Experimentes deutet jedoch darauf hin, dass sich der Konflikt mit einer "Wasserschlacht" an Tag vier verschärft. Man möchte den Kopf schütteln. Ausgiebig.


Zweiter Teil: Heute (Mittwoch), 21.45 Uhr, ZDFneo

(RP)
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