"Polizeiruf"-Nachlese Brandts Spiel nimmt dem Zuschauer den Atem

Düsseldorf · Am Ende steht Kommissar Hanns von Meuffels ganz alleine gegen alle, verraten selbst von seinem eigenen Freund und Vorgesetzten. Der "Polizeiruf: 110" zum Mitreden.

  • 90 Minuten in 90 Zeichen

Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) ist einsam wie nie, dem Wahnsinn nahe, und er traut keinem. Aus Gründen.

  1. Was fällt sofort auf?

Die grünlich-schmutzige 70er-Jahre-Optik, die schwer an einen Retro-Instagram-Filter erinnert und die geradezu perfekt zu Filz und Finsternis und Einsamkeit passt.

  1. Worum ging es?

Hanns von Meuffels trifft auf eine Frau, für deren Einweisung in eine geschlossene Psychiatrie er vor Jahren gesorgt hat und die nun wieder frei ist. Die Frau, Witwe eines Münchner Bankiers, behauptet, sie habe eine Liste mit Namen von Promis mit Schwarzgeldkonten in der Schweiz.

Von Meuffels glaubt der Frau, die um ihr Leben bangt und seine Hilfe will, nicht — bis sie vor seinen Augen von einem Auto überfahren wird und in seinen Armen stirbt. Von Meuffels beginnt zu ermitteln und merkt, dass die nur scheinbar Verrückte offenbar die Wahrheit gesagt hat.

Weil der Kommissar keine Ahnung hat, wer alles auf dieser ominösen Liste steht, wer noch Teil dieses Filzes ist, weil er sich zunehmend verfolgt und selbst bedroht fühlt, fängt er an, endgültig jedem zu misstrauen: seinen Kollegen, seinem Freund und Vorgesetztem (Ulrich Noethen), dem plötzlich auftauchenden, schrecklich unsympathisch wirkenden Mann vom LKA.

Wie sich herausstellt: aus Gründen. Denn von Meuffels Riecher ist richtig. Das Böse von München sammelt sich im Promi-Tennisclub, und es unternimmt alles, um seine Taten zu vertuschen. Der Kommissar bekommt ordentlich auf die Zwölf — aber was noch viel schlimmer ist: Seine Sorge war absolut begründet. Für ihn gibt es keinen Vertrauten.

  1. Worum ging es wirklich?

Darum, wie einsam ein Mensch sein kann. Darum, dass selbst der noch so Kontrollierteste irgendwann ausrastet, wenn er nur weit und heftig genug gedrängt wird. Darum, dass man Menschen immer nur an-, aber nie in sie hineinsehen kann.

  1. Und worum ging es nicht?

Um die leise Liebesgeschichte, die sich im letzten Polizeiruf "Wölfe" mit Matthias Brandt angebahnt hat. Regisseurin Hermine Huntgeburth knüpft mit "Sumpfgebiete" nämlich nicht an "Wölfe" an, sondern erzählt eine Geschichte, die für sich genommen funktioniert. Für von Meuffels wünscht sich der Zuschauer dennoch, dass die Liebesgeschichte fortgesetzt wird. Ein bisschen Glück hätte doch was.

  1. Was war besonders gut?

Matthias Brand. Der Mann kann machen was er will — er braucht nur zu gucken (verstört, angeekelt, enttäuscht, desillusioniert) und sagt damit alles Notwendige und noch viel mehr. Brandt spielt den sich immer verfolgter fühlenden von Meuffels so intensiv, dass es dem Zuschauer fast die Luft abschneidet. Im Grunde nähme man ihn gern in den Arm, aber am Ende traute man sich nicht.

Auch toll: Ulrich Noethen als bayerisch vor sich hinknödelnder, korrupter Chef Alexander Beck, der vorgibt, Vertrauensperson zu sein und am Ende doch Teil der Amigo Connection ist.

  1. Was war so geht so?

Julia Wendts Rolle sollte sicher nervig und überspannt daherkommen — und das hat auch in der Tat sehr gut funktioniert. Und: Vielleicht hätte es die ein oder andere Wendung (von Meuffels lässt sich für rund viereinhalb Minuten in die geschlossene Psychiatrie einweisen) so nicht gebraucht.

  1. Der beste Dialog, die Erste

Von Meuffels zu Beck: Beurteile nie die Last, die du nicht trägst.

Beck: Konfuzius?

Von Meuffels: Nee. Erfunden.

Von Meuffels dreht sich wieder zum Fenster.

Beck: Und, was denkst´?

Von Meuffels: Nix. Wollt´nur mal bedeutungsschwer aus dem Fenster gucken, geht aber nicht.

  1. Der beste (und tragischste) Dialog, die Zweite

Beck: Was war jetzt eigentlich mit der Melanie, der Marlene, hast du inzwischen eine Ahnung, wer das sein könnte? Irgendeine alte Freundin, der du was ausrichten sollst?

Von Meuffels: Was interessiert dich das eigentlich?

Beck: Warum mich das interessiert?

Von Meuffels: Ja, du hast doch gesagt, sie sei nicht zurechnungsfähig. Warum auf einmal diese Neugier auf irgendwas, das sie gesagt haben soll?

Beck: Das fragst du mich, spinnst du? Weil ich seh', wie es dich umtreibt, du Hirsch. Weil ich mich für dich interessier'.

(heif)
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