Schnell-Kritik zum "Polizeiruf" Ein Krimi so flach wie Brandenburg

Düsseldorf · Dieser Abschied fällt nicht schwer: Zum letzten Mal ist Horst Krause mit seinem Motorrad durch den "Polizeiruf 110" getuckert. Schade um die Figur. Doch die Dialoge waren kaum besser als in einem Witzebuch.

"Polizeiruf 110: Ikarus" mit Horst Krause in seinem letzten Fall
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Foto: rbb/Arnim Thomaß

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Ein Krimi so flach wie Brandenburg, und Polizist Horst Krause ist im Ruhestand - hosianna!

Fällt der Abschied schwer?

Nein, nach diesem Fall nicht. Allerdings war Horst Krause, der sein Alter Ego immer als seine "Lebensrolle" bezeichnet hatte, fester Bestandteil des "Polizeiruf 110"-Ensembles. Traurig ist es also schon: 17 Jahre tuckerte er mit seinem Motorrad samt Beiwagen durch die Brandenburgische Tiefebene und gehörte eben dazu. 26 Fälle löste er an der Seite wechselnder Kolleginnen. Fünf Kommissarinnen taten mit ihm Dienst: Er begann an der Seite von Katrin Sass, dann folgten Jutta Hoffmann, Imogen Kogge und Maria Simon. Sophie Rois sprang einmal als Schwangerschaftsvertretung für Simon ein.

War "Ikarus" ein Höhenflug?

Nicht wirklich. Die Dreier-Konstellation der alten Freunde Peter Tender (Bernhard Schir), Martin Reef (Martin Feifel) und Catherine Reef (Ursina Lardi) machte dramaturgisch keinen Sinn. Vieles, was angedeutet wurde, löste sich nicht logisch auf. Drehbuchautor Uwe Wilhelm und Regisseur Peter Kahane ist wenig eingefallen: ein paar nette Luftaufnahmen, eine kriselnde Solarindustrie im Frankenstein-Modus, eine junge, ehrgeizige Frau mit undurchsichtigen Ambitionen (Margarita Breitkreitz), wenig Spannung und leblose, gestanzte Dialoge — Wortwitz Fehlanzeige. Als Martin Reef, der seinen Kompagnon töten wollte und aus Versehen seinem eigenen Sohn fast den Tod gebracht hat, am Ende Tender erschossen hat und in selbstmörderischer Absicht von dannen fliegt, sagte Krause nur: "Sie hatten einen großen Traum." Schlimmer geht's kaum.

War Krauses Abschied schön?

Welcher Abschied? Krauses Ruhestand wurde kaum thematisiert. Kommissarin Olga Lenski (Maria Simon) sagte einmal " Ich werde ihn vermissen", dann ging es noch um die Musik für die Abschiedsfeier. Rolling Stones oder die Beatles? Die Kollegen entschieden sich für Karat. Am Ende schwänzte Krause seine eigene Party. Kein großer letzter Satz, er fragte nur seinen Hund: "Haduck, sollen wir uns das antun? Ne!" Sehen sicherlich viele Zuschauer genauso.

Der beste Dialog

Krauses Frau Elsa — die wohl einzige Frau im deutschen Fernsehen, die noch Kittelschürze trägt — sitzt vor dem Haus, ihr Mann kommt heim.

Sie fragt: "Was hat der Arzt gesagt?"

Er antwortet: "Ich kann 120 werden, wenn ich vorher nicht sterbe." Ein Dialog wie aus einem Witzebuch.

Was man lernen konnte

Richtig lügen. Kommissarin Olga Lenski erklärte, sie erkenne anhand der Mikro-Expression im Gesicht ihres Gegenübers, ob dieser die Wahrheit sagt. Wer lügt, der guckt immer nach rechts oben. Diese Theorie wird sofort in dieser Woche auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft, Lügner haben nun schlechte Karten.

Was zum Wundern

Erstaunlich, wie lange die Frau in der Kaffeebude brauchte, um einen Kaffee und einen Kräutertee über die Theke zu reichen. Aber nur dank ihrer Langsamkeit hatten Krause und Lenski genügend Zeit, ihre Theorien zum Fall ausgiebigst zu erörtern. Da bekommt das Wort Schnell-Imbiss eine ganz neue Bedeutung.

So geht's für Krauses Kollegin weiter

Maria Simon ermittelt weiter im "Polizeiruf" — zum Glück! Ihre sympathische Figur Olga Lenski, die sich im Beruf souverän durchsetzt und als Mutter damit hadert, ihre Tochter häufig abgeben zu müssen, wechselt nach Frankfurt an der Oder zur ersten deutsch-polnischen Mordkommission. Dort arbeitet sie mit Kommissar Adam Raczek, den Lucas Gregorowicz verkörpert. Wie viel Temperament in ihm steckt, beweist er zurzeit unter anderem in der ARD-Serie "Vorstadtweiber". Und vielleicht wird dann auch wieder mehr geredet, und der rbb entwickelt ein schnelleres Erzähltempo. Denn sein "Polizeiruf" wirkt wie aus der Zeit gefallen und kann mit den starken Teams aus Rostock und München nicht mithalten. Die erste Folge des neuen Duos läuft voraussichtlich Ende 2015.

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