Polizeiruf 110 Selbst kleine Fehler können diesem Krimi nichts anhaben

Düsseldorf · In "Und vergib uns unsere Schuld" regnet es sintflutartig und Matthias Brandt spielt Beichtvater, Ermittler und Schuldigen zugleich. Der Kommissar hat den Falschen gefasst, der wahre Mörder konfrontiert ihn mit seinem Scheitern. Was für ein Krimi!

Polizeiruf 110 mit Matthias Brandt: Bilder aus dem Film
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Szenen aus dem Polizeiruf "Und vergib uns unsere Schuld"

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Reales Vorbild?

Während der Fußball-WM 2006 in Deutschland ist die 16-jährige Miriam (Lola Dockhorn) verschwunden, der etwas minderbemittelte Jugendliche Tim Haffling (Sebastian Griegel) gerät ins Visier der Polizei. Im Verhör gesteht er die Tat, nach zehn Jahren in Haft, in denen er gequält und vergewaltigt wird, nimmt er sich das Leben - zynischerweise zu dem Heile-Welt-Lied von Heintje "Ich bau dir ein Schloss".

Eine Parallele gibt es zu dem Fall Ulvi K.: Der geistig Behinderte hatte die Tötung der kleinen Peggy in Franken gestanden. Nur auf Basis des Geständnisses, das er später widerrief, wurde er erst verurteilt und dann in einem Revisionsverfahren freigesprochen. Der wahre Täter ist bislang nicht gefasst und wird anscheinend anders als die Filmfigur Jens Baumann (Kalr Markovics), der sich selbst nach zehn Jahren als Verantwortlicher für Miriams Tod präsentiert, nicht von Gewissensbissen gequält.

Den kennt man doch

Neben Matthias Brandt als Kommissar Hanns von Meuffels trägt Karl Markovics mit seiner Schauspielkunst durch dieses Justizdrama. Die Älteren kennen ihn vielleicht noch als Assistenten aus dem "Kommissar Rex"-Team. Weltweite Aufmerksamkeit erfuhr er mit seinen Rollen in "Grand Budapest Hotel (2014) und "Die Fälscher". Dieser Film von 2007 bekam im Jahr darauf den Oscar für den besten ausländischen Film. Darin spielt der 52-jährige Wiener die Hauptrolle des Salomon Sorowitsch, eines Juden, der im Konzentrationslager gezwungen wird, für die Nazis Devisen zu fälschen.

Schuld und Sühne

Hanns von Meuffels wird zum Beichtvater, Ermittler und Schuldigen zugleich. Diese schmerzhafte Erkenntnis, einen so folgenschweren Fehler begangen zu haben, peinigt ihn - Matthias Brandt stellt das großartig dar. Der wahre Täter Jens Baumann präsentiert mehrere Versionen seiner Geschichte, er will seine Schuld sühnen, aber er selbst kann sich nur langsam dem wahren Ausmaß der Tat stellen.

Als würde der strömende Regen, der diesen "Polizeiruf" ausmacht, einen Schutzpanzer abspülen, gesteht er erst am Ende die Dimension seines Tuns. Faszinierend ist außerdem, wie die unterschiedlichen Wahrnehmungen der Zeugen und auch der Ermittler eingeflochten werden. Immer steht die Frage im Raum: Was hat jemand wirklich gesehen? Wie sich herausstellt, hat er meist nur das gesehen, was er sehen wollte.

Stärkste Szene

Eine Klang- und Bild-Gewalt liefert die Szene, in der Baumann die Leiche verscharrt: Menschliche Panik, ein Wald in absurden Grün-Tönen, und dazu läuft Deep Purples "Child in Time".

Stärkster Dialog

Als es so aussieht, als würden die Beweise nicht genügen, fragt der vermeintliche Täter flehend: "Wer gibt mir die Strafe, die ich verdiene?" "Vielleicht ist es Ihre Strafe, frei zu sein", antwortet der Kommissar.

Was gelernt?

In Meuffels Polizeidienststelle liegen auf der Herrentoilette Stoffhandtücher in einem Korb - wenn die Polizei überall in Bayern so überdurchschnittlich ausgestattet ist, wundert es nicht, dass der Freistaat in vielen Kriminalitätsstatistiken so gut abschneidet.

Kleine Fehler

Es regnet in diesem "Polizeiruf" in sintflutartigen Ausmaßen. Da steigt Meuffels schon pitschnass aus dem Auto aus, und hinter all den Regengüssen blitzt ein Stück blauer Himmel hervor. Aber auch das beeinträchtigt nicht das Ergebnis: Kino-Regisseur Marco Kreuzpaintner ("Krabat", "Coming In") ist mit seiner ersten TV-Arbeit ein ganz besonderer, sehenswerter Krimi gelungen.

(mso)
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