Neuer Krimi mit Matthias Brandt "Polizeiruf" und ein Schrei nach Liebe

München · Der ARD-Krimi mit Matthias Brandt fordert Geduld vom Zuschauer. Der Lohn: großartiges Schauspiel.

 Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) und Max Steiner (Axel Milberg) freuen sich über das Wiedersehen.

Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) und Max Steiner (Axel Milberg) freuen sich über das Wiedersehen.

Foto: BR/Erika Hauri

Am Sonntag um 20.15 Uhr sollte der Zuschauer aufs Erste schalten und dann die Fernbedienung außer Reichweite schaffen - am besten so weit, dass man dafür aufstehen müsste, um sie wiederzubekommen. Läge sie zu nah, wäre die Versuchung zu groß, in den ersten Minuten dieses Krimis umzuschalten. Und dann würde man einen großartigen "Polizeiruf" verpassen.

Der Anfang ist nämlich ein wenig gewöhnlich: Ein junger Intensivtäter ersticht einen fremden Jugendlichen auf einer Rolltreppe - nur, weil der ihn im falschen Moment angesehen hat und "seine Area" zerstört hat. Der Junge sitzt im Jugendgefängnis und äußert sich nicht zum Tatvorwurf. Also muss Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) ran, um das Schweigen zu brechen. Bis dahin läuft es wie ein normaler Krimi: wieder Jugendgewalt, wieder ein Tatort in einem U-Bahnhof. Beides haben Drehbuchschreiber schon zu häufig thematisiert, als dass es immer wieder dazu reicht, Spannung aufzubauen.

Doch dann betritt Abteilungsleiterin Karen Wagner (Sandra Hüller) die Szenerie, und der "Polizeiruf" aus München entwickelt sich nicht zu einem Krimi, sondern zu einer Liebesgeschichte mit kriminellen Nebenschauplätzen. Von Meuffels, der in einer Pension lebt und niemanden so wirklich an sich ranlässt, ist sofort bezaubert von der blonden Psychologin. Auch sie scheint in Beziehungsdingen nicht wirklich ein Profi zu sein. Sie ist einsam, liebt Mahler-Lieder und hadert mit ihrer Rolle in der Haftanstalt.

Von da an erzählt Regisseur und Drehbuchautor Alexander Adolph eine bezaubernde Geschichte des Verliebens und der Annäherung, so voller Sehnsucht und Unsicherheit, dass man beim Zuschauen in manchen Szenen Bauchschmerzen bekommt. Matthias Brandt und Sandra Hüller spielen diese Gefühle wunderbar und behutsam. Es ist ein leiser, Kammerspiel-artiger Krimi mit außergewöhnlichen Kamera-Einstellungen, in dem die zarte Liebe zwischen dem Kommissar und der Psychologin im Mittelpunkt steht.

Ein wenig Verbrechen darf aber nicht fehlen, um die Krimi-Gemeinde nicht zu verschrecken. Der Intensivtäter Martin, der den Jugendlichen im U-Bahnhof umgebracht hat, entwickelt Ängste im Jugendknast und wird eines Tages tot in seiner Zelle gefunden. Alles deutet auf einen Freitod hin, doch von Meuffels beginnt zu ermitteln - ausgerechnet gegen seine neue Freundin. Denn in dem Gefängnis arbeitet auch sein Schulfreund Max Steiner (Axel Milberg), der ihn mit Interna füttert und Zweifel an ihrer Integrität schürt. Immer an von Meuffels' Seite ist Polizist Marcel Oberpriller (Andreas Lust), der für die tragikomischen Momente sorgt. Bei den Recherchen stößt von Meuffels auf eine Suizidserie in dem Gefängnis, Karen Wagner wurde von einem Häftling der sexuellen Belästigung bezichtigt. Wer ist diese Frau, neben der er nun morgens aufwacht? So verstrickt sich der Ermittler in ein Gefühlschaos, das jeden Gedanken an die Fernbedienung wegpustet.

"Polizeiruf 110 - Morgengrauen", ARD, So., 20.15 Uhr

(RP)
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