Jörg Schönenborn "Putin ist ständig ausgewichen"

Der WDR-Chefredakteur widerspricht der Kritik an seinem Interview mit dem russischen Staatschef.

WDR-Korrespondentin Ina Ruck ist tief im Thema und spricht im Gegensatz zu Ihnen Russisch. Muss ein Staatschef-Interview zwingend der Chefredakteur selbst führen?

Jörg Schönenborn Es war unser Wunsch, auch mein Wunsch, dass Ina Ruck dieses Interview führt. Das Presseamt hat aber aus Protokollgründen auf einem Chefredakteur als Interviewer bestanden. Das ist ja auch in westlichen Demokratien nicht unüblich. Deshalb haben wir uns darauf eingelassen.

Hat Wladimir Putin Sie mit der Frage nach dem US-Gesetz zur Registrierung ausländischer Agenten ausgetrickst?

Schönenborn Im Gegenteil. Davon hat er schon mehrfach gesprochen, und natürlich kannten wir das Gesetz. Der wichtigste Unterschied schien mir zu sein, dass in den USA auf der Grundlage dieses Gesetzes keine Razzien stattfinden. Darauf habe ich zweimal hingewiesen und das hat Herrn Putin dann ja auch ziemlich aus der Fassung gebracht.

War der Titel "Putin stellt sich" für dieses Interview nicht etwas optimistisch gewählt?

Schönenborn Darüber kann man streiten. Er hat sich meinen Fragen gestellt. Die waren deutlich kritischer, als er das aus vielen Interviews gewohnt ist. Aber er ist natürlich auch Antworten schuldig geblieben. Ein Teil des Interviews hätte daher auch heißen können: "Putin weicht aus".

Haben Sie bei der Vorbereitung damit gerechnet, dass der russische Präsident sich derart provokativ verhalten würde?

Schönenborn Ja, das war nach der Erfahrung der Moskauer Kollegen eindeutig zu erwarten. Und meine Strategie war: stoisch gelassen bleiben und in aller Ruhe die nächste Frage stellen.

Im Nachhinein: War es richtig, darauf zu vertrauen, dass der Zuschauer das Spiel Putins schon durchschauen wird, wenn Sie einfach ruhig bleiben?

Schönenborn Das ist die Kernfrage nach diesem Interview. Die große Mehrheit der Zuschauer, die am Freitag nach der Sendung reagiert haben, hat genau das gelobt und hat ein Psychogramm eines aggressiven Präsidenten gesehen. Ein kleiner Teil sieht das anders, aber das ist vermutlich das Risiko, das man bei einem so ungewöhnlichen Gespräch eingeht.

ULLI TÜCKMANTEL STELLTE DIE FRAGEN.

(RP)
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