Christian Ehring von "Extra 3" "Erdogan hat uns eine Rekordquote beschert"

Düsseldorf · Nach dem Wirbel um ein Satire-Video über den türkischen Präsidenten in der NDR-Sendung "Extra 3" hat der Moderator aus Düsseldorf nachgelegt.

 "Extra 3"-Moderator Christian Ehring (r.) hat mit einem satirischen Beitrag über den türkischen Präsidenten Erdogan eine diplomatische Krise ausgelöst.

"Extra 3"-Moderator Christian Ehring (r.) hat mit einem satirischen Beitrag über den türkischen Präsidenten Erdogan eine diplomatische Krise ausgelöst.

Foto: dpa, tba

Für einen ambitionierten Satiriker ist das ein Traum - dass ein hochkarätiger Politiker wie der türkische Präsident Erdogan einen Beitrag zum Anlass für diplomatische Verstimmungen nimmt. Zehn Tage nach der NDR-Sendung "Extra 3" vom 17. März, in der Erdogan Textzeilen wie "Ein Journalist, der irgendwas verfasst, was Erdogan nicht passt, ist morgen schon im Knast" in den Mund gelegt wurde, bestellte der Präsident den deutschen Botschafter in Ankara ein. Am Mittwochabend legte "Extra 3"-Moderator Christian Ehring nach. Erdogan schaue offenbar "Extra 3", zahle aber keine Gebühren, sagte der 43-Jährige. "Wenn er Kritik hören will, muss er ,Extra 3' sehen. Will er keine Kritik, sollte er besser die Bundeskanzlerin treffen."

Die Bundesregierung hatte zunächst zu dem Vorfall geschwiegen, am Mittwoch aber die Regierung in Ankara mit deutlichen Worten ermahnt, die Pressefreiheit zu achten. Ehring erklärte in seiner Sendung am Mittwochabend, er habe auch den türkischen Botschafter einbestellt, er sei bloß nicht erschienen. Falls das zu Krieg führe - er habe nur Zivildienst geleistet. Am Ende setzte der Moderator, der zum Ensemble des Düsseldorfer Kom(m)ödchens gehört, eine ernste Miene auf. "Der türkische Präsident zwingt mich, folgende Richtigstellung vorzulesen", sagte er. "War alles richtig."

Herr Ehring, so viel Aufmerksamkeit muss für einen Satiriker doch ein Geschenk sein.

Ehring Wir hatten mit der letzten Sendung eine Rekordquote von elf Prozent, das hatten wir bei einer NDR-Sendung auf diesem Sendeplatz noch nie. Natürlich nehmen wir diesen Popularitätsschub gerne mit. Wenn der türkische Präsident bereit ist, sich als Markenbotschafter für uns zur Verfügung zu stellen, dann lehnen wir das nicht ab.

War der Druck vor der Sendung besonders groß?

Ehring Der politische Druck war überhaupt nicht groß, der selbstgemachte war schon größer. Wir wussten, da schauen jetzt Menschen zu, die "Extra 3" vorher noch nie gesehen haben. Wir haben aber eine normale Sendung gemacht und das Thema nicht ausufernd behandelt, weil wir uns von Erdogan nicht unsere Satire-Agenda vorschreiben lassen wollen.

Sie haben aber diesmal sicher noch intensiver über das Thema Erdogan nachgedacht.

Ehring Das Problem war nur, dass wir nicht damit gerechnet haben, in dieser Woche eine diplomatische Krise heraufzubeschwören. Wir waren durch Ostern personell reduziert und hatten eine kurze Woche. Da waren schon einige Nachtschichten notwendig.

Wie sind die Reaktionen auf den Nachschlag?

Ehring Beängstigend euphorisch. Auch, weil ich das nicht mehr gewohnt bin. Durch die Griechenland-Krise und die emotional geführten Debatten in Deutschland bekommen wir doch viel Gegenwind in Form von wütender Post, Hass-Mails und Drohanrufen. Jetzt aber, wo der türkische Präsident uns den Gefallen tut zu protestieren, sagen viele Menschen: Lasst euch nicht unterkriegen. Es geht gar nicht mehr um den Clip oder unsere Sendung. Der Skandal ist bereits viel größer als wir, und die Debatte darüber genauso. Wir sind stolz, das mit angestoßen zu haben. Manche Reaktion hat auch einen unangenehmen Beigeschmack von: "Gut, dass endlich mal jemand den Türken die Meinung sagt." Solches Lob kann ich natürlich nicht uneingeschränkt annehmen, davon distanziere ich mich dann wieder.

Gab es auch gute Ratschläge aus deutschen oder türkischen Regierungskreisen?

Ehring Nein, überhaupt nicht. Das scheint alles auf diplomatischen Wegen geregelt zu werden. Ich kann auch verstehen, dass die deutsche Regierung da nicht sofort lospoltert. An unsere Adresse gab es keine Vorgaben, keinen Wink, sich zurückzuhalten. So etwas wäre ja in anderen Staaten vorstellbar.

Haben Sie etwas Vergleichbares schon mal mit einem deutschen Politiker erlebt?

Ehring Nein, die Blöße gibt sich keiner in Deutschland. Das ist natürlich auch immer kontraproduktiv. Da sollte man das Motto der Queen beherzigen "never complain, never explain" (niemals beschweren, niemals erklären). Sich zu entblöden und sich zu beschweren, das macht keiner. Erdogan hat vielleicht gerade das Gefühl, er könne sich einen Eklat erlauben. Das macht mir tatsächlich auch ein wenig Sorge.

Denken Sie eigentlich generell im Vorfeld darüber nach, was solche Texte auslösen können?

Ehring Es ist schon so, dass bei Beiträgen über Erdogan vehemente und scharfe Reaktionen kommen. Bislang nicht vom Präsidenten selber, sondern von Erdogan-Anhängern, die in Deutschland leben. Auf dieser Ebene aber haben wir nicht damit gerechnet. Und wir überlegen schon genau, wen wir angreifen und aus welchem Grund. Das Wichtigste für uns: Die Fakten müssen stimmen. Sonst macht man sich angreifbar. Aber von möglichen Protesten darf man sich natürlich nicht abhalten lassen.

Bleiben Sie dran an Erdogan?

Ehring Ich habe schon die Hoffnung, dass sich die Wogen demnächst wieder glätten. So attraktiv das jetzt auch für uns ist. Aber es gibt letztlich Wichtigeres, als sich über einen Satire-Beitrag zu streiten.

Aber Sie könnten das Thema ja auch weiter befeuern, schon alleine der Quoten wegen.

Ehring Es ist aber auch sehr selbstreferenziell. Wenn es virulent ist, werden wir uns weiter damit beschäftigen, klar. Aber ich glaube nicht, dass es ein Running Gag wird, den wir jetzt noch monatelang zelebrieren. Sicher, wenn Erdogan jetzt wieder nachlegt, wenn er den Botschafter ausweist, dann ist das auch für uns wieder ein Thema. Der Ball liegt zurzeit wieder bei ihm.

DAS GESPRÄCH FÜHRTE JÖRG ISRINGHAUS

(RP)
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