Serie "Westworld" Die Maschinen sind unruhig

Düsseldorf · In "Westworld" leiden Maschinen mit Gefühlen unter sadistischen Menschen und ziehen den Zuschauer so auf ihre Seite. In den USA hat die Serie mit Anthony Hopkins den Quoten-Rekord von "Game of Thrones" gebrochen.

William (Jimmi Simpson) verfällt Dolores (Evan Rachel Wood), doch die teilt nicht nur das Outfit, sondern auch die Neugierde von Alice im Wunderland. So realisiert sie, dass sie ein Roboter ist — verdammt zum Missbrauch durch vergnügungssüchtige Menschen.

William (Jimmi Simpson) verfällt Dolores (Evan Rachel Wood), doch die teilt nicht nur das Outfit, sondern auch die Neugierde von Alice im Wunderland. So realisiert sie, dass sie ein Roboter ist — verdammt zum Missbrauch durch vergnügungssüchtige Menschen.

Foto: John P. Johnson / HBO

Das Töten, im Zweifel ohne jeden Grund, ist ein Tabubruch, der den Menschen schon immer fasziniert hat. "I shot a Man in Reno — just to watch him die", sang schon Johnny Cash im "Folsom Prison Blues", und die Häftlinge beim Live-Konzert in ebendiesem Gefängnis grölten zustimmend. Fast 50 Jahre später erzählt die Science-Fiction-Serie "Westworld" von einem Freizeitpark, in dem jeder Superreiche seine dunkelsten Seiten ausleben kann: Nicht nur Stehlen, Schlagen und Schüsse in die Luft sind in der prächtigen Wildwest-Simulation ausdrücklich erlaubt, sondern auch Folter, Vergewaltigung und eben Mord.

In den USA hat die erste Staffel von "Westworld" im Schnitt zwölf Millionen Zuschauer erreicht - mehr als selbst die erste Staffel "Game of Thrones", mehr sogar als die allerletzte Folge des ersten globalen Serien-Hits "Breaking Bad". Trotz des Mangels an Erklärungen, trotz der komplexen, verrätselten Handlung ist die Serie dort so populär wie der fiktive gleichnamige Park in der unbestimmten Zukunft.

Das Verkaufsargument heißt: Sünde ohne Sühne, Allmacht statt Alltag - und es zieht. Ein Abenteuerspielplatz mit Knarren und Whiskey und einem Minimum an Spielregeln, "Fight Club" für Jedermann! Der Kunde ist König und gewinnt immer. Kein Opfer wehrt sich, kein Verbrechen wird je gesühnt. Selbst jedes Schuldgefühl ist überflüssig. Denn die Opfer mögen bis ins Detail aussehen, sprechen und handeln wie Menschen — sie sind bloß Roboter, die handeln, wie es ihr Programmcode vorschreibt, hergestellt in 3D-Druckern. Kaum "dienstunfähig" gestochen, gehängt oder geschossen, werden sie aufgesammelt und in unterirdischen Labors zusammengeflickt - um so schnell wie möglich wieder einsetzbar zu sein. Als Verfügungsmasse für Menschen, die es genießen, täuschend echtes Kunstblut spritzen zu sehen und Todesröcheln zu hören.

Der revolutionäre Moment der ersten Folge zeigt einen Roboter, der einen seiner Schöpfer anzulügen scheint und eine störende Fliege totschlägt. Es ist ein Triumph des Willens — und das Signal, dass diesen geschundenen Kreaturen Isaac Asimovs legendäres erstes Robotergesetz nicht mehr lange heilig bleiben wird: "Ein Roboter darf kein menschliches Wesen verletzen..." Die Menschen haben es übertrieben - spätestens, als sie den Robotern Pseudo-Gefühle einpflanzten: Schmerzempfinden, quälende Erinnerungen an ersponnene Ereignisse, gegenstandslose Schuldgefühle und unerfüllbare Hoffnungen.

Ohne Scheu vor Pathos verhandelt "Westworld" die Natur von Konzepten wie Bewusstsein, Wille und Freiheit, Fluch und Segen des Vergessens, Nutzen und Gefährlichkeit von Emotionen — und die Berechtigung der menschlichen Überzeugung von der eigenen Überlegenheit und Einzigartigkeit.

Anthony Hopkins und Jeffrey Wright brillieren als Darsteller des "Westworld"-Schöpfers Dr. Ford und dessen Helfer Bernard, Ed Harris gibt den Superschurken "Man in Black", die wichtigsten Roboter werden stark verkörpert von Evan Rachel Wood und Thandie Newton.

Die Optik ist spektakulär; dass die Produktionskosten 100 Millionen Dollar betragen sollen und allein 35 Kostümbildner beteiligt waren, überrascht kein bisschen. Größtes, ja einziges echtes Problem: Dass man nach Ende der zehnten Folge bis 2018 auf die Fortsetzung warten muss, mindestens. Bis zu fünf Staffeln soll es geben. Wenn sie auch nur annähernd so gut werden wie die erste, ist sie gefunden, die neue Über-Serie - mutig wie "Matrix" oder "Inception", rau wie <u>"Hell on Wheels</u>", beklemmend wie <u>"Black Mirror"</u>, klug wie <u>"Ex Machina"</u>.

Die deutsche Erstausstrahlung von "Westworld" beginnt am 2. Februar auf Sky Atlantic, in Doppelfolgen donnerstags ab 21 Uhr. Parallel dazu gehen sie in verschiedenen Varianten auch online — zu sehen etwa mit "Sky Ticket" (9,99 Euro, monatlich kündbar).

(tojo)
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