Sandra Maischberger Diese Iranerin erklärt Maischberger, was Integration bedeutet

Düsseldorf · Endlich kommen in einer Talkshow die zu Wort, um die es geht: Bei Sandra Maischberger erzählen Flüchtlinge von ihrer Flucht, Todesangst und einem neuen Leben in Deutschland. Traurig, dass die beiden eingeladenen Politiker damit nichts anzufangen wussten.

 Jasmin Taylor floh in den 80er Jahren aus dem Iran.

Jasmin Taylor floh in den 80er Jahren aus dem Iran.

Foto: Screenshot ARD

"Die Stunde der Flüchtlinge - jetzt reden wir!", lautet der Titel der Ausgabe von Maischberger. Man muss ihr allein für den Ansatz danken. Seit dem Spätsommer redet Deutschland tagein, tagaus über Flüchtlinge. Aber viel zu wenig mit ihnen. Dabei predigt jeder, der sich näher mit den Fragen von Integration befasst: Sich kennenzulernen ist die beste Voraussetzung, um Hürden abzubauen. Auch deswegen ist in Multikulti-Regionen wie etwa dem Ruhrgebiet die Angst vor dem Fremden weniger ausgeprägt als in "Pegida"-Dresden.

Maischberger will daher etwas nachholen und hat Menschen eingeladen, die nach Deutschland geflohen sind. Mehrere Männer sind dabei, alle allein nach Deutschland gekommen. Ihre Geschichten jedoch könnten unterschiedlicher kaum sein.

Da ist Majd al Hosaini, ehemals Fußballer in der ersten syrischen Liga. "Ich bin Fan von Deutschland, von Bayern München sogar", erzählt er. Im syrischen Bürgerkrieg wurde er am helllichten Tag niedergeschossen. Auf dem Weg nach Hause, nach dem Training, ein Schuss ins Knie. Sein Vater organisierte erst eine Operation, dann ein Flugticket nach Ägypten. Dort vertraute er sich einem Schlepper an. Zwei Jahre ist das her. Er lernte Deutsch, machte seinen Schulabschluss und fand einen Ausbildungsplatz. "Natürlich möchte ich bleiben", sagt er. "Ich habe mir etwas aufgebaut."

Auch Dr. Dilovan Alnouri ist aus Damaskus geflohen. "Kollegen wurden ermordet, nur weil sie die falschen Patienten behandelten", erzählt der Arzt. Es gehe ihm um Sicherheit für seine Familie. "Ich will nicht, dass meine Kinder erleben, was ich in Damaskus erlebt habe." Nach einem verheerenden Bombenattentat und einer Nacht unter Beschuss floh er aus seinem Krankenhaus in Damaskus.

Anders die Geschichte des Kosovo-Albaners Beq Zeqiri. Wenige Tage vor dem Besuch bei Maischberger erhielt er die Nachricht, dass er und seine Familie nur noch bis zum 7. Dezember geduldet werden. Dann droht täglich die Abschiebung. Er gilt als Wirtschaftsflüchtling. Dass er bereits während des Jugoslawienkrieges als anerkannter Asylant in Deutschland lebte, ist dem Recht egal. Er verwirkte seinen Status, indem er wieder zurückkehrte.

Zudem sitzt Jasmin Taylor in der Runde. In den 80er Jahren floh sie als 17-Jährige während des ersten Golfkriegs aus dem Iran, weil sie auf ein Leben in Sicherheit hoffte. "Wenn der Krieg nicht gewesen wäre, wäre ich 'never ever' hier hingekommen", sagt sie. Auch sie hat sich in Deutschland etwas aufgebaut. Als Unternehmerin hat sie es zu einem Vermögen gebracht. Verheiratet ist sie mit einem Amerikaner, daher der englische Name.

Doch beim Nacherzählen von Einzelschicksalen will Maischberger es nicht belassen. Darum hat sie auch Politiker eingeladen. Paul Ziemiak, Chef der Jungen Union und selbst Kind von polnischen Aussiedlern sowie Grünen-Chefin Simone Peters. Ziemiak hatte unlängst offen gegen die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin rebelliert und eine Obergrenze gefordert. Seine Argumentation: Zu viele Menschen in zu kurzer Zeit, Deutschland sei schlichtweg überfordert.

Peters Einwand, was er denn bei einer Obergrenze von 500.000 mit dem 500.001. Flüchtling machen wolle, der auf ein Leben abseits von Tod und Terror hofft, lässt er nicht gelten. Es würde ja schon reichen, wenn man beispielsweise im rot-grün regierten NRW mal konsequent abschieben würde. Dabei schaut er die Grünen-Chefin an, nicht den Kosovo-Albaner Beq Zeqiri. Dieses Schema zieht sich bedauerlicherweise durch den ganzen Abend. Peters und Ziemiak versteifen sich auf parteipolitisches Gezänk, anstatt mit denen zu reden, um die es in dieser Sendung eigentlich gehen soll.

Ziemiak führt noch einen weiteren Grund an, warum Deutschland in seinen Augen den Zuzug von Flüchtlingen begrenzen muss. Christen seien doch viel leichter zu integrieren als Muslime. Er und seine Eltern seien damals immer in die Kirche gegangen. "Da waren sie schon in der Mehrheitsgesellschaft." Mit seiner Warnung, durch muslimische Flüchtlinge drohten Parallelgesellschaften wie in Berlin-Neukölln, ist Ziemiak bei Jasmin Taylor allerdings bei der falschen gelandet. Schon während er redet und redet, brodelt es in ihr.

"Ob man zur Kirche oder zur Moschee geht, hat doch nichts mit Integration zu tun", sagt sie. Ausschlaggebend sind dafür in ihren Augen ganz andere Dinge. Die Sprache zu lernen, Kultur und Werte verstehen, arbeiten, Steuern zahlen, Haus kaufen, Heiraten und Kinder zu haben — eben ein normales Leben. "Und das ist egal, ob ich dann zuhause Reis mit Kebab esse oder Schweinebraten, das hat doch mit Integration nichts zu tun."

Auch Ziemiaks Einwand, so gut ausgebildete Flüchtlinge wie im Maischberger-Talk seien doch nicht repräsentativ für die Menschen, die jetzt alle nach Deutschland wollen, entkräftet sie mit einigen wenigen Sätzen. Sie verweist auf die Erfolgsgeschichte der in Deutschland lebenden Iraner. Demnach besitzen mindestens jeder Zweite einen Bachelor-Abschluss, demnach arbeitet jeder Vierte in einem akademischen Beruf.

Die Sendung bietet einer echten Auseinandersetzung zwischen Taylor und Ziemiak nur wenig Raum. Das deutsche Fernsehen sollte sich in kommenden Talks ruhig die Zeit dafür nehmen.

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(pst)
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