"Menschen bei Maischberger" "Angela Merkel trägt Schuld an Hundert toten Flüchtlingskindern"

Köln · Der SPD-Mann pöbelt gegen den CSU-Mann, der Europa-Abgeordnete pöbelt gegen alle und Norbert Blüm will dem IS die Waffen wegnehmen. Die Diskussion bei "Menschen bei Maischberger" war ein Spiegelbild des Streits in der Großen Koalition in der Flüchtlingskrise. Auffällig: Der CSU-Vertreter sympathisierte zunehmend mit radikalen Positionen.

 Der slowakische Europa-Abgeordnete Richard Sulik und der ehemalige Bundesminister Norbert Blüm waren bei Sandra Maischberger selten einer Meinung.

Der slowakische Europa-Abgeordnete Richard Sulik und der ehemalige Bundesminister Norbert Blüm waren bei Sandra Maischberger selten einer Meinung.

Foto: Screenshot ARD

Die Große Koalition ist zerstritten. Wie soll die Flüchtlingskrise gelöst werden? Die Union hat sich auf Transitzonen geeinigt, die SPD will lieber Einreisezentren. Doch ist der Unterschied überhaupt relevant? Das ist er, wie der Talk mit Sandra Maischberger zeigte. Denn hier gifteten sich vor allem die Vertreter von CSU und SPD, die doch eigentlich in der Regierung zusammenarbeiten, besonders heftig an.

Darum ging's

Wie kann die Flüchtlingskrise gelöst werden? Ralf Stegner, stellvertretender Vorsitzender der Bundes-SPD, plädiert für den humanitären Weg. Stephan Mayer, innenpolitischer Sprecher der CSU, findet abschreckende Maßnahmen gut. Richard Sulik, slowakischer Europa-Abgeordneter, will die Grenzen dichtmachen, am besten schon am Rande der EU, zum Beispiel an der Grenze zur Türkei oder nach Griechenland. Mayer findet diesen Plan "durchaus überlegenswert". Norbert Blüm, ehemaliger Bundesminister der CDU, will die Ursachen der Flucht bekämpfen. "Kann nicht einer mal dem IS die Waffen abnehmen? Wir können ja auch ganz andere Sachen", sagt er. Und die Journalistin Bettina Gaus kann zu alldem nur mit dem Kopf schütteln.

Darum ging's wirklich

Sowohl SPD als auch die Union wollen in der Flüchtlingsfrage ihren Stiefel durchziehen und aus dem Regierungsstreit als Sieger hervorgehen. "Wir haben eine Regierungskrise, die Flüchtlinge geraten dabei zur Nebensache", sagte Journalistin Gaus treffend. Dabei sind die Koalitionsparteien im Kern der Sache vielleicht näher beieinander, als man vermuten könnte. Doch keiner will klein beigeben. Ralf Stegner macht eine klare Ansage: "Transitzonen wird es mit der SPD nicht geben". Wie groß der Bruch ist, wird deutlich, als Stegner Mayer vorwirft, rechtem Gedankengut den Weg zu bereiten: "Was Sie anrichten ist: Sie bieten den unseligen Fritzen von der AfD eine Chance, ihren Unsinn zu verbreiten". Darauf Mayer: "Unterstellen Sie uns nicht, wir wären geistige Brandstifter für die AfD".

Norbert Blüm findet ein bisschen Streit ok, denn "Streit gehört zur Demokratie". Aber "das Haus brennt", sagt er. "Die Menschen verlangen eine Antwort, es geht nicht nur um Taktik, wer gewinnt. Die müssen sich einigen oder sie haben versagt", fasst Blum die Stimmung im Land zusammen.

Flüchtlingskinder wollen nach Deutschland
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"Ich muss nach Deutschland, um zu leben"

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Foto: afp, ak-iw

Bemerkenswertester Gast

Die stärksten und auch polemischsten Thesen stellt Richard Sulik auf: "Es ist absurd, was Deutschland die ganze Zeit veranstaltet. Ein Land, das seine Grenzen nicht schützen kann, wird von Weicheiern regiert". Er fordert, die Grenzen zu schließen. Trotzdem war nicht Sulik der bemerkenswerteste Gast, sondern CSU-Politiker Mayer und die Art, wie er auf Suliks Aussagen reagierte. Beispielsweise sagt er auf Maischbergers Frage, ob die Union alle Menschen aus den Transitzonen abschieben wolle (rechtlich ist das möglich), "das ist noch nicht erforderlich". Er schließt diesen Schritt also nicht grundsätzlich aus. Und auf die Frage, ob mit dem Satz: "Wenn wir an Grenzübergängen Menschen zurückweisen, wird das ein Signal sein an Menschen in den Lagern zum Beispiel im Libanon, gar nicht mehr nach Deutschland zu kommen", auch syrische Flüchtlinge gemeint seien, antwortet er ausweichend.

Sulik meint, Merkel sei mit ihrer Willkommenspolitik schuld daran, dass auf der Flucht von der Türkei auf die griechische Insel Lesbos Flüchtlingskinder sterben. "Je mehr wir Flüchtlinge irgendwo unterbringen, desto mehr kommen". Und: "Merkel soll sich üerblegen, wer sie gewählt hat und zu wessen Gunsten sie handeln sollte." Darauf wiederum Mayer: "Ich bin durchaus bei Sulik. Wir müssen aufpassen, dass wir keine falschen Anreize schaffen".

Ursachen der großen Flucht
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Ursachen der großen Flucht

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Foto: ALESSANDRO BIANCHI

Norbert Blüm schien unterdessen zeitweise etwas fehl am Platz. In die Diskussion um eine Lösung der akuten Probleme in der Flüchtlingsfrage, zum Beispiel für die Situation an der österreichisch-deutschen Grenze, konnte er nichts einbringen. Stattdessen forderte er immer wieder, die Ursachen der Flucht zu bekämpfen. "Ich bin für Abrüstung", warf er einmal ins Gespräch ein. Es schien, als sei er schon zu lange aus dem aktuellen Politikbetrieb heraus, um noch wirklich etwas beitragen zu können. Doch einige aktuelle Ansätze trug er durchaus bei: Er sprach sich klar gegen eine Obergrenze bei den Flüchtlingszahlen aus. Und er hält Flüchtlinge für "die Nagelprobe für Europa".

Erkenntnis

Die Große Koalition wird uns trotz allem Zwist wahrscheinlich erhalten bleiben. "Wenn es am Donnerstag keine Einigung gibt, ist die Koalition trotzdem nicht am Ende", sagte Stegner. Doch er sagte auch: "Gewinner des Streits sind die Parteien rechtsaußen, das können wir nicht wollen." Allerdings bezog CSU-Mann Mayer im Laufe der Diskussion immer wieder Positionen, die durchaus in Richtung der Positionen dieser "Parteien rechtsaußen" gehen. Stichworte sind Abschreckung, Reduzierung der Flüchtlingszahlen,

Der Journalistin Gaus zufolge wird die letzte Entscheidung in der Flüchtlingspolitik ohnehin nicht bei den Regierungsparteien liegen. "Das Bundesverfassungsgericht wid viel zu tun bekommen", sagt sie. Es stellten sich die Fragen, ob Transitzonen, die Beschränkung von Familiennachzug und eine mögliche Obergrenze für Flüchtlinge überhaupt verfassungskonform seien.

Fehlende Erkenntnis

Wie genau die Transitzonen in der Umsetzung aussehen, weiß der Zuschauer nach dem Talk immer noch nicht - obwohl Maischberger mehrfach nachfragte. Mayer erklärt, dass in den Transitzonen nach Kriegsflüchtlingen und Menschen aus sicheren Herkunftsländern differenziert werden soll. Darauf Maischberger: "Sie fragen also erstmal die 10.000, die dort jeden Tag ankommen, 'Wo kommt ihr her'? Die Frage macht deutlich, wie schwierig die Suche nach einer praktikablen Lösung ist. Und Stegner fügt hinzu: "Das hier ist Absurdistan. Wer würde denn in solche Transitzonen gehen? Wenn es sie gäbe, würden die Menschen über die grüne Grenze kommen".

Die Frage auf eine Lösung für die Flüchtlingsproblematik bleibt auch nach diesem Talk ungeklärt. Am Ende reden alle wild durcheinander. Sandra Maischberger bricht die Diskussion nur ab, weil die Sendezeit vorbei ist.

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(lsa)
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