Studentin spricht bei "Maischberger" über Kölner Übergriffe "Man hat sich so respektlos behandelt gefühlt in dem Moment"

Düsseldorf · Neuer Name, neuer Sendeplatz, neues Studio – so geht Sandra Maischberger in das neue Talkjahr. Diskutiert wird über die "Angstrepublik Deutschland" und insbesondere über die Übergriffe von Köln. Ein Opfer und ein Kriminologe machen die Sendung zu einem sehenswerten Talk. Der Schnellcheck.

 In einer gemischten Gruppe aus elf Personen war die Studentin Michelle an Silvester am Kölner Hauptbahnhof.

In einer gemischten Gruppe aus elf Personen war die Studentin Michelle an Silvester am Kölner Hauptbahnhof.

Foto: Screenshot Youtube

Neuer Name, neuer Sendeplatz, neues Studio — so geht Sandra Maischberger in das neue Talkjahr. Diskutiert wird über die "Angstrepublik Deutschland" und insbesondere über die Übergriffe von Köln. Ein Opfer und ein Kriminologe machen die Sendung zu einem sehenswerten Talk. Der Schnellcheck.

"Zehn Tote Deutsche in Istanbul, davor Angriffe in Köln, dieses Jahr hat mit Unfrieden begonnen. Und wenn sie sich unsicher fühlen, dann sind sie in bester Gesellschaft." Mit diesen Worten beginnt Sandra Maischberger ihren Talk zum Thema: "Angstrepublik Deutschland: Übergriffe in Köln, Terror in Istanbul". Was davon aber ist berechtigt, was Hysterie, fragt sie noch.

Auch wenn angesichts des Titels zu befürchten war, dass es ein heilloses Durcheinander an Themen werden könnte, von denen keines so richtig ausdiskutiert wird, wurde es dies am Ende nicht. Das lag daran, dass die Sendung gewissermaßen zweigeteilt war. Zunächst ging es um die Anschläge in Istanbul, im Mittelpunkt stand ein zugeschalteter Terrorismus-Experte. Nach einem harten Schnitt ging es dann um die Übergriffe von Köln — und das hätte dann auch der eigentliche Titel der Sendung sein sollen.

Neben dem zugeschalteten Terrorismus-Experten Peter Neumann vom King's College in London waren CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer, der Grünen-Politiker Volker Beck, die "Emma"-Redakteurin Chantal Louis, Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime, Kriminologe Christian Pfeiffer und die Studentin Michelle, die Opfer der Übergriffe in Köln geworden war, zu Gast.

Im Großen und Ganzen waren sich die Gäste recht einig, auch wenn etwa Andreas Scheuer natürlich versuchte, eine harte Linie zu fahren. Doch Volker Beck, der ihm hätte Kontra geben können, blieb angesichts der Schwere der Themen zurückhaltend, etwa als es um zu Beginn auch um die Terrorwarnung in München aus der Silvesternacht ging, die er für richtig hielt: "Da sollten wir auch das parteipolitische Gezänk und Besserwisserei heraushalten. Das verunsichert die Leute", sagte Beck. Zwei andere Gäste, die aneinander gerieten, waren Louis und Mazyek. Louis etwa verwies darauf, dass auch auf dem Tahir-Platz in Ägypten Frauen belästigt wurden zu Zeiten des Arabischen Frühlings, oder allgemein auf das Frauenbild in arabischen Ländern, woraufhin Mazyek sagte: "Was interessiert mich Afghanistan als deutscher Moslem, was interessiert mich Saudi-Arabien. Ich will doch schauen was hier passiert." Und die Mehrzahl der Muslime in Deutschland, auch der Flüchtlinge, schäme sich abgrundtief für das, was in Köln passiert ist. Überhaupt hatte Mazyek das Gefühl, sich die ganze Zeit gegen Pauschalisierungen verteidigen zu müssen.

Andreas Scheuer konnte natürlich nicht aus der Sendung gehen, ohne die eine oder andere Spitze loszulassen, schließlich fährt seine Partei bei der Flüchtlingspolitik schon seit geraumer Zeit eine harte Linie. Und so sagte er dann Sätze wie: "Wir holen uns zu viele Probleme von Leuten ins Land, die gar nicht da sein dürften" (bezogen war dies auf Marokkaner und Algerier). Der Polizei in Köln warf er "völliges Versagen" vor. In Bayern dagegen gebe es bei solchen Menschenmassen eine "Deeskalation durch Stärke und nicht Deeskalation durch schwaches Auftreten". Auch griff er NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) an, denn die Polizisten in Köln hätten so gehandelt, wie es die Führung aufgetragen habe. Diese habe versagt, und die Führung, das sei eben Jäger.

Kriminologe Pfeiffer versuchte einzuordnen, warum die Täter von Köln die Frauen so massiv sexuell belästigt hatten. Er nannte es einen "Ausdruck von hochfrustrierten Männern, die in Ohnmacht leben im Alltag, aber aus einer Kultur kommen, wo Männer das Sagen haben". Sie hätten einmal Macht ausüben wollen. "Das ist die Reaktion auf persönliche Ohnmacht nach einer langen Phase von Frust", erklärte er. Mazyek nannte dies aber eine Entschuldigung, die er nicht gelten lassen könne.

Die Studentin Michelle hat die Übergriffe am Kölner Hauptbahnhof miterlebt, die sie in der Sendung schilderte. Man sah eine selbstbewusste Frau, die sich nicht davon einschüchtern lassen und auch mit ihren Freunden zum Karneval gehen will — "weil wir nicht einsehen, denen die Macht zu geben", auch wenn man sicherlich vorsichtiger sei.

Die junge Frau war mit einer aus Frauen und Männern gemischten Gruppe gegen 23 Uhr am Hauptbahnhof angekommen. Auf dem Vorplatz, schildert sie, seien "nur Männer, nur Ausländer" gewesen — "ohne das jetzt böse zu meinen: Wir haben keine deutschen Menschen mehr gesehen".

Sie hätten an der Menge vorbeigehen wollen, doch spätestens nach 30 Sekunden seien sie komplett umzingelt gewesen. Die Jungs aus der Gruppe seien gezielt weggeschubst worden, die Mädchen hätten sich aneinander geklammert. "Wir konnten uns gar nicht mehr bewegen." Auch sie wurden sexuell belästigt.

Michelle schildert ihre Eindrücke so: "Spätestens nach einer Minute, als nicht aufgehört wurde, auch wenn man versucht hat, die Hände wegzutun, war da schon der Gedanke, das ist nicht mehr normal. Das waren auch keine leichten Berührungen mehr, das war ein festes Zupacken." Sie schildert, dass ihrem Eindruck nach den Männern das respektlose Verhalten gegenüber den Frauen Spaß gemacht habe.

Auch sie kritisiert die Polizei. Als sie es irgendwann aus der Menge geschafft hätten, "war da leider niemand". Und als sie den Diebstahl ihres Handys angezeigt hatte, seien auch die sexuellen Übergriffe zur Sprache gekommen — "das hat leider nicht wirklich jemanden richtig interessiert", sondern erst jetzt, wo die Medien darüber berichteten, sei dies plötzlich wichtig.

"Man hat sich so respektlos behandelt gefühlt in dem Moment" — Studentin Michelle zu den sexuellen Übergriffen in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof.

(das)
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