Genf Schweizer Justiz kritisiert "Anne Will"

Genf · Die Bundesanwaltschaft zeigte sich "irritiert" über den Auftritt der Konvertitin Nora Illi in der ARD-Talkshow.

Die Aufregung um den Auftritt der vollverschleierten Schweizerin Nora Illi in der ARD-Talkshow "Anne Will" am vergangenen Sonntagabend ebbt nicht ab. Die Funktionärin des Islamischen Zentralrates der Schweiz (IZRS) pries in der Sendung die Rolle der Frau im Islam.

Nun äußerte auch die Schweizer Bundesanwaltschaft Kritik. Die Behörde sei "irritiert darüber, dass dem IZRS im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eine Plattform geboten wird", sagte ein Sprecher gestern. Gegen das Vorstandsmitglied des Zentralrates laufe ein Strafverfahren. Die Redaktion habe von den Ermittlungen gewusst und daraufhin mit der Schweizer Bundesanwaltschaft telefoniert, sagte die verantwortliche Redakteurin der Sendung, Juliane von Schwerin. "Diese hat uns weder von dem Auftritt Illis abgeraten noch davor gewarnt", betonte Schwerin. Sie fügte hinzu, die Redaktion habe im Vorfeld der Sendung auch den Schweizer Verfassungsschutz kontaktiert. Dort habe man sich aber nicht äußern wollen. Die Redaktion wies jedoch Darstellungen zurück, sie sei explizit vor dem Auftritt gewarnt worden.

Die Bundesanwaltschaft teilte mit, Grund für das Strafverfahren gegen Illi sei der Verstoß gegen das Verbot terroristischer Gruppierungen wie Al-Qaida und "Islamischer Staat" in der Schweiz. Ein weiteres Verfahren laufe aus den gleichen Gründen gegen Unbekannt. Weitere Angaben machte die Bundesanwaltschaft nicht.

Nach der Sendung hatte der Norddeutsche Rundfunk die Einladung an die Frauenbeauftragte des IZRS verteidigt. "Die Redaktion hat die Einladung von Frau Illi sorgfältig abgewogen", hieß es am Montag. Am Sonntagabend hatten die Gäste in der Sendung über das Thema "Mein Leben für Allah - Warum radikalisieren sich immer mehr junge Menschen?" diskutiert. In der Runde saß Illi, die einen Nikab trug, der nur schmale Sehschlitze freiließ. Mit ihr debattierten unter anderem der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach (CDU) und der Islamismus-Experte und Psychologe Ahmad Mansour. Von der Produktionsfirma "Will Media" hieß es gestern, man habe das gesamte Spektrum des Themas abdecken wollen: "Dann ist es natürlich beinahe zwingend, auch eine radikalisierte Person in der Runde zu haben."

Medienberichten zufolge wuchs die Schweizerin Illi (32) in einem atheistischen Elternhaus im Kanton Zürich auf. Demnach war sie als junges Mädchen ein feierfreudiger Punk, ernährte sich vegetarisch und träumte davon, Journalistin zu werden. Sie glaubte aber auch an die Existenz eines Gottes und begab sich auf eine religiöse Selbstfindung. Mit 16 Jahren begann Illi, sich mit dem Christentum, Judentum und Buddhismus zu befassen.

Durch einen Jugendfreund lernte sie den Islam näher kennen. Auf einer Dubai-Reise will sie beim Gebetsruf des Muezzins ein Erleuchtungserlebnis gehabt haben. Zurück in der Schweiz konvertierte sie 2002 zum Islam. Zwei Wochen zuvor hatte bereits ihr Jungendfreund den Glauben angenommen. Er nennt sich seither Abdel Azziz Qaasim Illi. 2003 heirateten beide. Sie haben fünf Kinder. Ihren Beruf als Mediengestalterin hat Illi nach der Ausbildung nie ausgeübt. Ihr Mann begann ein Studium der Islamwissenschaften.

Für den TV-Auftritt soll kein Geld geflossen sein. "Frau Illi hat kein Honorar erhalten", sagte eine Sprecherin der Produktionsfirma. Sie habe auch keine Aufwandsentschädigung erhalten. "Es wurden seitens der Redaktion lediglich die Kosten der Anreise übernommen."

Wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtet, wird sich nun der NDR-Rundfunkrat mit der Sache befassen.

(RP)
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