Talk zu Integration und Islam Selbst Anne Will blickt am Ende nicht mehr durch

Düsseldorf · Die Bundesregierung hat sich auf ein Integrationsgesetz geeinigt. Anne Will spricht darüber in ihrem Talk unter anderem mit dem Innenminister und der AfD-Chefin. Es wurde eine Sendung in heillosem Durcheinander, sodass selbst die Moderatorin sagt: "Ich blicke nicht mehr durch." Der Talk im Check.

Anne Will: Moderatorin im Porträt – von der Sportschau zum eigenen Talk
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Das ist Anne Will

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Darum ging's

"Wer nicht zu Deutschland gehört, das haben die AfD und Volker Kauder gerade wieder gesagt: der Islam — mal ganz pauschal", beginnt Anne Will ihren Talk. Dazu gehören sollen dagegen jene, die sich gut integrieren, führt sie weiter aus und ist damit schon beim Thema Integrationsgesetz. Darüber will Will in ihrer Sendung "Integration per Gesetz — Wer soll zu Deutschland gehören" sprechen.

Darum ging's wirklich

Gut die Hälfte der Sendung ging es mehr um Sinn und Unsinn eines Integrationsgesetzes, erst im zweiten Teil kommt die Runde schließlich auf den Islam zu sprechen. Jeder Gast ist anderer Ansicht, und AfD-Chefin Frauke Petry erwartungsgemäß auf Krawall gebürstet. Kaum einer lässt den anderen ausreden, sodass am Ende auch der Zuschauer gar nicht mehr weiß, wo ihm der Kopf steht.

Die Runde

  • Bundesinnenminister Thomas de Maizière, CDU, verteidigt das Integrationsgesetz und sagt: "Das ist hoffentlich der große Wurf".
  • Dietmar Bartsch, Fraktionschef der Linken, befürwortet Integration, steht dem Gesetz aber skeptisch gegenüber.
  • AfD-Chefin Frauke Petry sagt: "Wir diskutieren am eigentlichen Problem vorbei", denn mit dem Gesetz kaschiere die Regierung nur die Fehlentwicklungen aufgrund der vorhandenen Gesetze. Diese müssten reformiert werden, dann brauche es kein Integrationsgesetz.
  • Lamya Kaddor steht dem Gesetz ebenfalls kritisch gegenüber, weil man damit im Grunde annehme, die Einwanderer wollten sich gar nicht integrieren.
  • Migrationsforscher Ruud Koopmans nennt das Gesetz einen Schritt in die richtige Richtung, fordert sogar noch mehr Anstrengungen.

Frontverlauf

Während Petry Fehler in der Politik sieht, wenn es etwa um die Abschiebung krimineller Asylbewerber geht, versucht de Maizière deutlich zu machen, dass man mit dem Gesetz eben jene Fehler aus der Zeit der Gastarbeiter, als man kaum etwas für die Integration der Einwanderer getan habe, zu verhindern — eben nach dem Prinzip "Fördern und Fordern". Die Frage Wills, ob es ihm darum gehe, dass möglichst wenige Flüchtlinge hierbleiben, will er aber nicht konkret beantworten, sondern verweist darauf, dass es darauf ankomme, wie die Anwendung der Rechtslage sei.

Bartsch wiederum kritisiert, es gebe inzwischen eine "reine Nützlichkeitsdebatte" und will an die menschlichen Schicksale erinnern. Migrationsforscher Koopmans sagt, Deutschland brauche Zuwanderer. Allerdings könnte das Gesetz seiner Ansicht nach noch schärfer sein, etwa in dem nicht nur die Teilnahme am Integrationskurs verpflichtend sei, sondern auch ihn zu bestehen. Er macht zudem klar: Flüchtlinge sind Menschen wie wir, und die brauchen Anreize.

Kaddor ihrerseits hat es sich zur Aufgabe gemacht, Frauke Petry Paroli zu bieten. Doch die beiden lassen sich nicht gegenseitig ausreden, sodass dem Inhalt ihrer Reden teils nur schwer zu folgen ist. Als Petry sie aber fragt, ob es denn nun Einwanderer seien oder Flüchtlinge, die schnell zurückwollten in ihre Heimat, macht Kaddor klar, dass es um beides gehe. Wenn die Menschen schließlich zwei, drei oder gar zehn Jahre hier seien, dann sollten sie sich integrieren. Genau das wisse man doch aus der Zeit der Gastarbeiter. Womit sie anspricht, was keiner sagt: Nämlich, dass niemand weiß, wie lange der Krieg in Syrien noch dauern wird.

Anne Will lässt ihre Gäste gern ausreden, wie sie erst neulich im Interview mit unserer Redaktion sagte. Das Problem in der Runde am Sonntagabend war aber, dass dadurch irgendwie niemand richtig zu Wort kam — außer Frauke Petry, die sich mit lautstarker Stimme immer wieder versuchte, Gehör zu verschaffen, während Kaddor versuchte, dagegen zu argumentieren. Selbst Will gelang es zwischenzeitlich nicht, den Redefluss Petrys zu stoppen, um wieder aufs eigentliche Thema zurückzukommen. So wurde es für den Zuschauer zunehmend anstrengender zuzuhören.

Dialog des Abends

Petry verteidigte erwartungsgemäß den Anti-Islam-Kurs ihrer Partei. Woraufhin Kaddor sie mit einer einzigen Frage auflaufen lässt: "Wenn Sie das alles verbieten lassen würden, glauben sie dann, dass Muslime genug integriert sind? Wenn Muslime keinen Religionsunterricht hätten, keine Moscheen, wenn sie nicht mehr beschneiden dürften, nicht mehr schächten, "sind wir dann endlich genug integriert für sie?"

Petry: Viele integrierte Muslime hätten kein Problem mit den Thesen, welche die AfD verabschiedet habe. Kaddor: "Das ist doch überhaupt kein Argument; antworten Sie doch einfach auf die Frage." Petry: "Stehe ich bei Ihnen im Verhör? Ich glaube, Sie müssen überlegen, Ihre Religionsgemeinschaft muss überlegen..."

Satz des Abends

"Ich blicke nicht mehr durch", sagt Anne Will, als es bei der Islam-Debatte ins Detail ging, sodass kaum noch jemand folgen konnte. Der Zuschauer mag das, was Will nun aussprach, schon 30 Minuten vorher gedacht habe.

Erkenntnis

Will man sachlich über Integration diskutieren, dann braucht es andere Gäste. Praktiker, erfahrene Analytiker wie Koopmans zum Beispiel, der zumindest ein wenig der Ruhepol in der Sendung war und mit Fakten aufwarten konnte. Dann bekäme auch der Inhalt mehr Gewicht als ewiger Krawall. Und der Zuschauer müsste sich nicht am Ende fragen, ob er nun schnell noch eine Kopfschmerztablette nehmen muss.

(das)
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