Interview mit Senta Berger "Das Label Grande Dame ist langweilig"

Düsseldorf · Am Donnerstagabend bekommt Schauspielerin Senta Berger in Düsseldorf den Ehrenpreis des Deutschen Fernsehpreises. Dabei hat die 75-Jährige schon mit 21 ans Aufhören gedacht.

 Senta Berger im Jahr 2013 bei Dreharbeiten des ARD-Films "Freundinnen" in München.

Senta Berger im Jahr 2013 bei Dreharbeiten des ARD-Films "Freundinnen" in München.

Foto: dpa, bsc csa

Schon mit 16 Jahren wurde sie am renommierten Max-Reinhardt-Seminar in Wien aufgenommen. Anfang der 60er Jahre gelang ihr der Durchbruch beim Film, sogar in Hollywood drehte sie. Ihr Mann Michael Verhoeven ist Regisseur, auch Sohn Simon arbeitet hinter der Kamera. Zuletzt drehten sie gemeinsam "Willkommen bei den Hartmanns". Das ZDF zeigt morgen ab 23.15 Uhr einen Zusammenschnitt der Fernsehpreis-Gala.

Fühlen Sie sich mit 75 Jahren "reif" für die Ehrung fürs Lebenswerk?

Berger Das wird sich zeigen. Wer kann das heute sagen?

Empfinden Sie den Beruf als Schauspielerin als Privileg - erst recht, weil es kein Renten-Eintrittsalter gibt?

Berger Es ist auf jeden Fall ein besonderer Beruf, wobei ich das nicht an einem oder keinem Rentenalter festmachen möchte. Die allermeisten Schauspieler sind wie so viele freischaffende Künstler im Alter schlecht versorgt. Das liegt nicht an ihnen, das liegt an Steuergesetzen, die pauschal angewendet werden. Dennoch ist es ein wunderbarer Beruf, der einen provoziert, zum Mitdenken, zum Beobachten, zu Entscheidungen anregt und zwingt. Man arbeitet mit interessanten Menschen zusammen, lernt sie kennen und sich selbst auch.

Haben es heute junge Schauspieler in Ihren Augen schwerer?

Berger Die existenzielle Unsicherheit ist sicher größer geworden, eigentlich paradox, denn es gibt ja heute viel mehr Medien, in denen Schauspieler gefragt sind. Aber es gibt ja auch viel mehr Schauspieler als in meinen Anfangsjahren. Damals war es so, dass das Theater ein wesentlicher Grundstein war. Nach der Schauspielschule hatte so gut wie jeder Absolvent ein Engagement. Ich hatte eines am Theater in der Josefstadt in Wien. Damals spielte ich schon kleinere Rollen in Filmen, aber das Theater war meine Sicherheit, nicht nur materiell. Die Gagen waren sehr niedrig, aber ich konnte am Theater Schritt für Schritt gehen und ausprobieren, bevor ich in Filmen einer großen Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Der Zauber der großen Kinoleinwand ist ein wenig geschwunden.

Berger Ja, das ist wahr. Die Einmaligkeit des Kinos hat sich durch die Bilderflut der Medien, nicht nur des Fernsehens, nicht erhalten. Dass man versucht hat, aus dem Kino einen Ort zu machen, wo man sich genauso wie zu Hause vor dem Fernseher hinlümmeln darf, schmatzend und raschelnd essen und trinken darf, ja, sogar soll, hat dem Nimbus des Kinos eher geschadet als genützt. Finde ich.

Haben Sie schon mal ans Aufhören gedacht?

Berger Mit 21. Ich habe damals eine Reihe von eher unbedeutenden, unbedarften deutschen Filmen gemacht und dachte, nein, wenn das so weitergeht, musst du dir etwas anderes für dein Leben ausdenken. Mein Plan war, zurück nach Wien zu gehen und zu studieren. Theaterwissenschaft. Mich hätte Regieführen am Theater interessiert. Und dann ging alles sehr schnell. Es kam der erste große internationale Film "Die Sieger " und damit auch der Vertrag mit Columbia-Studios, der mich nach Hollywood brachte. Heute ist es so, dass ich frei entscheiden kann, ob ich eine mir angetragene Arbeit glaubwürdig spielen kann - und wenn ja, spiele ich sie. Nach dem großen Kinoerfolg "Willkommen bei den Hartmanns" liegen einige interessante Drehbücher auf meinem Schreibtisch.

Warum haben Sie ein Problem mit dem Label Grande Dame?

Berger Weil's langweilig ist. Weil's "operettig" ist. Weil's nun wirklich nichts beinhaltet. Alle meine Rollen haben mit Grande Dame nun wirklich nichts zu tun. Von der "Schnellen Gerdi" angefangen bis zur Eva Prohacek in "Unter Verdacht".

Sie sind 75 geworden - erinnern Sie sich nun an die Kindheit intensiver?

Berger Es gibt ein schönes Hesse-Gedicht: Mit dem Alter wird man immer jünger. Er hat auch damit gemeint, dass einem im Alter die Jugend, die Kindheit wieder näher kommt. Man sieht sich nun selbst aus der Distanz. Man erkennt die Zufälle, die sich zu einem Schicksal geformt haben, und auch, dass man manche Zufälle selbst herbeigeführt hat. Man wundert sich, wie lange das schon alles her ist und dass es einem doch wie gestern geschehen vorkommt. Jeder Anfang im Leben ist schön und schwer und unvergesslich. Darüber schreibe ich auch in meinem Buch "Ich habe ja gewusst, dass ich fliegen kann".

Haben Sie Projekte oder Filme, die Ihnen besonders wichtig waren?

Berger Mein Mann und ich haben in sehr jungen Jahren die "Sentana - Filmproduktion" gegründet, die im Laufe der Jahre und Jahrzehnte viele und sehr unterschiedliche Kino- und Fernsehfilme produziert hat. Von "Die Weiße Rose" bis zu "Das schreckliche Mädchen", "Die schnelle Gerdi" bis zuletzt als Co-Produzenten für "Willkommen bei den Hartmanns". Das hat meinen Blick für alle anderen Gewerke, die in einem Team vereint und maßgeblich an der Herstellung eines Films beteiligt sind, geschärft. Davon habe ich als Schauspielerin unendlich profitiert. Zu wissen, welche Notwendigkeiten ein Kameramann, der Ton, die Kostümbildnerin hat. Zu verstehen, wie Filme entstehen, hat mich als Filmschauspielerin vorangebracht. Die Filme der "Sentana" sind mitten durch unser Leben gegangen, sind Teil unseres Lebens geworden, und ich sehe sie deshalb als meine wichtigsten Filme an.

Martina Stöcker führte das Gespräch.

(mso)
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