Der "Tatort" im Schnell-Check Großes Lüneburg-Kino

Düsseldorf · Im "Tatort" mit Wotan Wilke Möhring und Franziska Weisz spielt der Regisseur mit unterschiedlichen Perspektiven. Ihm ist ein starker Krimi mit überraschendem Ende gelungen.

 Falke und Grosz ermitteln im Clan-Milieu.

Falke und Grosz ermitteln im Clan-Milieu.

Foto: NDR/Christine Schroeder

Darum ging es Kommissar Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) wird verdächtigt, eine Frau erschossen zu haben. Sie war als Flüchtling mit ihrem Bruder nach Deutschland gekommen, dieser soll Kriegsverbrechen in Syrien begangen haben. Falke und seine Kollegin Julia Grosz (Franziska Weisz) werden zu ihren Ermittlungen verhört, in die auch ein arabischer Clan gehört, der unter den Flüchtlingen Drogendealer anwirbt.

Darum ging es wirklich Im "Tatort"-Fall "Alles, was Sie sagen" geht es um Vertrauen, Eifersucht und Verrat. Kammerspiel wechselt sich ab mit Spielszenen. Polizeichef Rehberg (Jörn Knebel) versucht, Falke und Grosz gegeneinander auszuspielen. Verblüffend ist zudem, wie unterschiedlich beide eine Situation wahrgenommen haben. Das wird durch die Spielszenen, die abwechselnd aus der Perspektive der beiden erzählen, besonders deutlich — so viel auch zur Verlässlichkeit von Zeugenaussagen. Auch Falke geht mit großem Interpretationsspielraum an seine Aussagen heran. "Haben Sie das gesehen?" "Nein, aber wie soll es sonst gewesen sein?", fragt er.

Wie war es? Sehr, sehr gut. Regisseur Özgür Yildirim, für den es der dritte Falke-Krimi war, ist ein spannender Fall mit unterschiedlichen Perspektiven gelungen. Besonders das Ende, bei dem sich herausstellt, dass alles so abgesprochen war, macht Eindruck. Dazu gibt es gute Dialoge, in denen vor allem Falke seine Knorrigkeit und seinen Witz ausspielen darf, und eine großartige Franziska Weisz.

Nachahmenswert Weil sich Yildirim als deutsch-türkischer Filmemacher daran stört, wenn Ausländer gebrochen Deutsch sprechen, und da Zuschauer Untertitel nicht mögen, hat er in den Verhörszenen einen Dolmetscher eingesetzt. Zudem engagierte er reale Flüchtlinge. Das wirkt authentisch, und der Zuschauer versteht auch so, worum es geht.

Der beste Dialog Falke und Grosz gehen aus einer Schule raus und kabbeln sich mal wieder. "Sie waren sicher Klassensprecherin", sagt er. "Und Sie? Klassenclown?", sagt sie. "Ja, ich kann schon witzig sein." "Habe ich schon gemerkt." Aber am Ende tritt das ein, was man schon länger gehofft hat: Die zwei werden ein Team und duzen sich am Ende sogar.

Wie kommt Lüneburg weg? Einerseits gut: Falke radelt auf einem Damenrad durch enge Altstadtgassen. Die Idylle der Stadt wird immer wieder thematisiert. Als Polizist Olaf Spieß (Marc Rissmann), mit dem Grosz mal eine Affäre hatte, sagt, seine Leute hätten Anderes zu tun, als die Verdächtigen zu observieren, braust Falke auf: "Ne, ist klar, CSI Lüneburg oder was?"

Dass der Polizeichef als korrupt hingestellt wird und mit dem Drogen dealenden Clan fraternisiert, ist natürlich nur Fiktion. Andererseits bekriegten sich in Lüneburg zwei Clans, die der kurdisch-libanesischen Minderheit der Mhallamiye zugerechnet werden. Es gab öffentliche Auseinandersetzungen, Messerstechereien und Schießereien, bei denen auch Unbeteiligte und Polizeianwärter verletzt wurden — also nicht nur reine Fachwerk-Idylle in Niedersachsen. Laut Angaben des Landeskriminalamtes stieg die Zahl der Ermittlungsfälle in Verbindung mit Familien-Clans von 100 im Jahre 2002 auf 1000 in 2016.

(mso)
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