"Der Wüstensohn" München-"Tatort" erinnert an Gaddafis Sohn

München · Die Münchner "Tatort"-Kommissare bekommen es in ihrem 68. Fall mit dem Sohn eines Emirs aus Arabien zu tun. Der Prinz (gespielt von Yasin el Harrouk) genießt diplomatische Immunität und rast in einem Lamborghini munter durch München. Als die Polizei den jungen Mann anhält und eine Leiche auf dem Beifahrersitz des "Wüstensohns" findet, hört der Spaß dann aber auf.

Szenen aus "Tatort: Der Wüstensohn"
9 Bilder

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Schritt für Schritt kommen Batic und Leitmayr dennoch einer Verschwörung auf die Schliche, die sogar bis ins Wirtschaftsministerium und zu einem milliardenschweren U-Bahn-Deal führt. Dabei lernen die Ermittler eine Welt voller Luxus und Dekadenz kennen, in der selbst der sonst so standfeste Batic schwach wird. Zumindest beinahe. In einer Nebenrolle überzeugt Wilson Gonzales Ochsenknecht als schmieriger Assistent des Prinzen. Man könnte den Eindruck haben, der 24-jährige Sohn von Schauspieler Uwe Ochsenknecht muss sich auf Rollen des Typs "Rotzlöffel" nicht sonderlich vorbereiten.

Das Drehbuch zu "Der Wüstensohn" orientiert sich an wahren Begebenheiten. Ein Sohn des ehemaligen libyschen Diktators Gaddafi lebte für längere Zeit in München und machte mit seinen nächtlichen Ausschweifungen immer wieder Schlagzeilen. So raste Gaddafi junior ebenfalls ohne Führerschein durch die Stadt. Kleine Streits in der Disko regelte er gerne mit der Faust. Sogar Waffenschmuggel und Anstiftung zum Mord wurden ihm vorgeworfen. Ins Gefängnis musste er nie, ihm wurden gute Kontakte in die High Society nachgesagt. Nach dem Sturz des Regimes kam er 2011 bei einem Luftangriff in der libyschen Hauptstadt Tripolis ums Leben.

Den Drehbuchautoren Alexander Buresch und Matthias Pacht ist ein flotter und sehenswerter Krimi gelungen, dem erst gegen Ende etwas die Puste ausgeht. Die wahren Hintergründe des Mordes bleiben lange im Nebel. Schade lediglich, dass der "Tatort" nicht ohne Klischees auskommt. Das Personal des "Wüstensohns" macht Schießübungen mit einer Kalaschnikow im Vorgarten. Kurz zuvor spazierte ein Kamel durchs Bild. Kokain wird rund um die Uhr gleich vom iPhone geschnupft.

Richtig ärgerlich wird es zum Glück nur einmal: "Ich darf zwar alles machen, aber ich bin nicht frei", klagt der weinende "Wüstensohn" kurz vor dem großen Finale. Dies sollte wohl so ein typischer "Tatort"-Moment werden, in dem der Zuschauer zum angestrengten Nachdenken aufgefordert wird. Nun, das Mitleid mit der Hauptperson dürfte sich bei den meisten Zuschauern in Grenzen halten. Das kluge und überraschende Ende lässt diese Szene zum Glück schnell vergessen.

Leitmayr und Batic stellen mit diesem 68. Fall einen einsamen "Tatort"-Rekord auf. Obwohl die beiden manchmal wie ein altes Ehepaar wirken, ein paar Fälle wie dieser dürfen gerne noch folgen.

"Tatort: Der Wüstensohn", ARD, So., 20.15 Uhr

(RP)
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