"Tatort" Borowski und Brandt gegen den IS

Kiel · Der Kiel-"Tatort" dreht sich um eine 17-Jährige, die zum Islam konvertiert ist und nach Syrien will. "Borowski und das verlorene Mädchen" ist einer dieser Krimis, in dem der Mord kaum mehr ist als ein ungelenker Vorwand, um einen Blick in eine Parallelgesellschaft zu werfen.

"Borowski und das verlorene Mädchen"
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Foto: NDR/Christine Schroeder

Der 17-jährigen Julia Heidhäuser (Mala Emde) wird alles zu viel. Ihr Vater ist bei einem Unfall gestorben, ihre Mutter empfindet sie als kühl und abweisend, ihr Bruder versucht sich als Drogendealer, in der Schule herrscht Zickenkrieg. Und dann wird auch noch ihre Mitschülerin Maria ermordet. So wagt das zierliche Mädchen mit den blauen Strähnen die ultimative Rebellion: Die junge Frau ohne Migrationshintergrund wendet sich dem Islam zu, bestärkt von Amina (Sithembile Menck) und dem örtlichen Imam.

Zunächst trägt Julia Kopftuch, bald geht sie nur noch vollverschleiert aus dem Haus. Die Blicke und Beschimpfungen der Passanten (erst versteckt gefilmt, später nachgestellt) bestärken sie nur, ebenso der Hass ihres Bruders auf Muslime: "Ihr seid wie Parasiten, Ihr zerstört meine Familie und mein Land!"

Ihre Radikalisierung im Turbo-Tempo gipfelt darin, dass sie wild entschlossen ist zu heiraten. Einen IS-Kämpfer an der Front, in Syrien, den sie abgesehen von einigen kurzen Videotelefonaten nicht kennt.

Heikles Thema, packend umgesetzt

Doch Borowski und Brandt überlassen Julia nicht kampflos dem IS - trotz der Warnung eines mysteriösen LKA-Manns. Dabei gibt es ein Wiedersehen mit Jürgen Prochnow (75), der sein "Tatort"-Debüt bereits 1973 in "Jagdrevier" gefeiert hatte.

Das heikle Thema ist packend umgesetzt. Wo hören Religionsfreiheit und Unschuldsvermutung auf, wo beginnt Beihilfe zum islamistischen Terror durch Unterlassung? Und was treibt eine junge Frau zu dem drastischen Schritt, sich dem IS anzuschließen? "Unsere Geschichte zeigt, wie Julia in den Extremismus abrutscht", sagt die Hauptdarstellerin dazu. "Sie hätte auch rechtsradikal oder drogenabhängig werden können."

Dass sich die Polizei ihr Kommissariat plötzlich mit Flüchtlingen teilen muss, was arg unrealistisch wirkt, war übrigens nicht geplant: Die Kulisse war bloß tatsächlich zum Heim umfunktioniert worden.

"Tatort: Borowski und das verlorene Mädchen", Das Erste, So., 20.15 Uhr

(tojo)
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