"Tatort"-Ermittlerin Sabine Postel "Ich habe keine Angst, in Rente geschickt zu werden"

Bremen · Sabine Postel (60) ist nach Ulrike Folkerts die dienstälteste "Tatort"-Ermittlerin. Und sie ist stolz darauf, zu den "normaleren" Kommissaren der Reihe zu gehören. Sie ist sicher: Die Zuschauer freuen sich über Schauspieler, die sie über Jahre begleitet haben und wollen nicht immer wieder neue Gesichter.

Tatort "Die Wiederkehr" aus Bremen: Sabine Postel als Inga Lürsen
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"Tatort: Die Wiederkehr" – Inga Lürsen ermittelt in Bremen

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Inga Lürsen bekommt im neuen "Tatort" mächtig Ärger wegen ihrer Verhörmethoden. Geht die Kommissarin dieses Mal zu weit? Sabine Postel Nein, ich finde nicht. Sie treibt den Vater zwar in die Enge, um ihm Erinnerungen zu entlocken, aber sie bedroht ihn nicht. Sie hat eine gewisse Härte, denn sie will in diesem Moment das Leben des verschwundenen Mädchens retten und versucht, an Informationen zu kommen. Schlimm wird es erst in dem Moment, als der Mann sich umbringt. Vorher hätte man gesagt, die Kommissarin ist taff, dann aber muss sie sich für ihre Verhörmethoden rechtfertigen. Für die Kommissarin wird das zur Belastung, denn sie muss mit dieser vermeintlichen Schuld erst lernen zu leben.

Bis kurz vor Ende weiß man nicht genau, wer welche Rolle spielt. Endlich rätselt man mal wieder bis zum Schluss, das kam in der letzten Zeit beim "Tatort" nicht mehr oft vor.

Postel Häufig wird beim "Tatort" auf das Komödiantische gesetzt. Das sage ich nicht als Kritik. Aber dabei bleiben die Story und die Spannung oftmals auf der Strecke. Man bekommt das Gefühl, dass es wichtiger ist, eine Situationskomik zu bedienen oder einen Witz zu erzählen, als die Logik eines wirklichen Kriminalfalles voranzubringen und die Spannung aufrechtzuerhalten.

Sind Sie stolz darauf, eine der "normaleren" Ermittlerinnen der Krimireihe zu sein?

Postel Die Konzeption der Figur war es von Beginn, immer so normal wie möglich zu sein. Nicht besonders witzig, erotisch oder ausgefallen. Sondern zu versuchen, eine realistische Ermittlerin zu sein. Der Fokus liegt hierbei auf den Geschichten, die Drehbücher müssen immer supergut sein, weil die Ermittlerfigur eben nicht im Vordergrund steht. Das ist uns in den vergangenen Jahren immer besser gelungen. Wenn die Geschichten nicht gut sind, dann können die Schauspieler noch so gut sein — dann floppt das Format, wie man leider bei Devid Striesow beobachten kann, den ich für einen tollen Schauspieler halte.

Sie machen im Schnitt zwei "Tatorte" pro Jahr. Wären Sie gerne öfter dran?

Postel Ich betrachte es als Privileg, "nur" zweimal im Jahr zu drehen. Das verschafft uns die Zeit, an den Geschichten und den Figuren zu feilen. Auf der anderen Seite darf man sich kein Scheitern erlauben, denn man hat ja nur die beiden Folgen. In dieses Format muss man viel Liebe und Ehrgeiz investieren.

Gibt es denn ein Thema, mit dem Sie sich gerne beschäftigen würden?

Postel Es ist ja nichts noch nicht erzählt. Man muss darauf hoffen, dass man ein Thema neu und unerwartet bearbeiten kann. Von daher habe ich keine speziellen Wünsche.

Wie ist das in Ihren Augen bei "Die Wiederkehr" gelungen?

Postel Man hat einen neuen Ansatz gefunden. Ich kann mich nicht erinnern, dass man eine solche Geschichte schon mal so erzählt hat. Natürlich gibt es häufiger Drehbücher, in denen vermisste Kinder eine Rolle spielen. Aber dass ein Kind nach Jahren unversehrt wiederkommt, ist doch extrem selten. Oder wie es Inga Lürsen sarkastisch ausdrückt: ,Dass Kinder nach zehn Jahren in einem Stück wieder auftauchen, kann ich mir nicht vorstellen.'

Sitzen Sie sonntagsabends in der Regel vor dem Fernseher?

Postel Ich schaue mir nicht nur meine Filme an, sondern gucke mir auch an, was meine Kollegen so machen. Wenn das Telefon zur "Tatort"-Zeit klingelt, empfinde ich das als Affront und reagiere recht barsch. Ich schaue passioniert und mit großer Freude. Einladungen versuche ich am Sonntagabend vorbeizuorganisieren. (lacht). Ich bin nicht neidisch auf meine Kollegen, sondern freue mich über jeden, der gut ist. Denn ich denke, das befördert die Klasse, in der wir arbeiten.

Viele Kommissare wurden in den letzten Jahren "abgesägt". Ist das auch eine Sorge, die Sie umtreibt?

Postel Was das betrifft, bin ich sehr sorgenfrei. Ich bin dankbar, dass ich das schon so lange machen darf — und zwar mit wachsendem Erfolg. Das ist das Entscheidende. Abgesägt wird man nur dann, wenn die Quoten dümpeln oder Storys schwächer werden. Das liegt nicht an der Qualität der Kollegen. Eva Mattes ist grandios, die hat es nicht verdient, ebenso wenig wie Simone Thomalla. Aber es geht eben nicht darum, dass Schauspieler nicht mehr das Format erfüllen oder gut genug sind, sondern es geht um Dinge, die wir als Schauspieler nicht beeinflussen können. Man ist schnell bei der Hand zu sagen, neue Besen kehren gut. Aber dass das nicht immer funktioniert, zeigt das Beispiel Erfurt.

Sie haben mit der Folge "Brüder" 2014 erstmals die Zehn-Millionen-Marke geknackt. Waren Sie erleichtert?

Postel Das war schön. Bei allem Stress, den man sich macht, und bei aller Inbrunst, mit der man sich da hineinschmeißt, ist das eine Streicheleinheit. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Zuschauer froh sind, wenn sie noch ein paar Menschen haben, mit denen sie älter geworden sind, die sie liebgewonnen haben und an denen sie sich festhalten können, wenn rundherum nur noch neue oder fremde Gesichter auftauchen. Der "Tatort" muss langfristig eine Mischform sein, von Menschen, die eine ältere Generation ansprechen und anderen, die eine jüngere Generation bedienen. Von daher hoffe ich, dass die Redakteure klug genug sind, nicht alle über Mitte 50 abzusägen.

Gucken Sie gleich montagmorgens auf die Quote?

Postel Ich kriege eine SMS von der Redaktion, so weiß ich eine Stunde vor den Mediendiensten Bescheid.

Inga Lürsen ist eine nüchterne Figur. Aber Sie können auch komisch. Mit Herbert Knaup haben Sie die Nachfolgeserie zu "Der Dicke" gedreht. Wann kommt "Die Kanzlei" endlich?

Postel Die Ausstrahlung war ursprünglich für den Herbst geplant, ist aber auf den Sommer verschoben worden. Das finde ich persönlich bedauerlich, denn so entsteht eine anderthalbjährige Pause, in der man den Anschluss an die Figur von Dieter Pfaff und die Handlung verliert, an die wir unmittelbar anknüpfen. "Die Kanzlei" wird bei der ARD als neue Serie gehandelt, und neue Formate rutschen mitunter erstmal auf die Warteliste.

Sie sind im vergangenen Jahr 60 geworden. Welche Projekte würden Sie gerne noch machen?

Postel Ich gehöre zu den wenigen Schauspielern in meiner Altersgruppe, die sich um Angebote zum Glück keine Sorgen machen müssen. Wenn was Lustiges kommt, mache ich auch gerne was Lustiges. Solche Facetten sind immer nett, damit die Menschen einen nicht nur mit einer Figur in Verbindung bringen.

(RP)
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