"Der scheidende Schupo" Dieser "Tatort" zelebriert den Irrsinn

Weimar · Der vierte Fall mit dem Weimarer Duo Christian Ulmen und Nora Tschirner ist der bislang beste. Explodierende Gärten, heimtückische Giftmorde und das alles garniert mit Zitaten von Dürrenmatt über "Fargo" bis "007".

Szenen aus dem "Tatort: Der scheidende Schupo"
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Szenen aus dem "Tatort: Der scheidende Schupo"

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Foto: ARD

"Magischer Realismus" nennt sich eine beliebte künstlerische Strömung, in der Schriftsteller wie Gabriel Garcia Marquez oder Haruki Murakami Märchenhaftes in die echte Welt einfließen lassen. Der Weimar-"Tatort" etabliert ein Pendant dazu im deutschen Krimi-Einerlei: "knochentrockener, gern auch makabrer Surrealismus".

Da explodiert eine Bombe im liebevoll gepflegten Rosenbeet, deren Opfer dann "größtenteils vermisst" wird. Ein liebeskrankes, mofafahrendes Muttersöhnchen wird mit Mafia-Methoden vergiftet. Eine krächzend pöbelnde ostdeutsche Oma entpuppt sich als Waffenexpertin. Jemand spricht die denkwürdigen letzten Worte: "Ich werd' verrückt - Diesel brennt ja doch? Ich glaub', ich rauch' erst mal eine."

Und auf all diesen Wahnsinn reagieren Lessing (Christian Ulmen, der wie eigentlich immer bloß sich selbst spielt, das aber nahe an der Perfektion) und Dorn (Nora Tschirner) mit Amüsement, Augenrollen, maximal einem milden Tadel.

Zum Fall: Der spleenige Polizist Ludwig "Lupo" Pohl (Arndt Schwering-Sohnrey) macht mit seiner Kindergartenfreundin Andrea Schluss, weil er - verständlicherweise - Kira Dorn verfallen ist. Leider fällt die Verschmähte wenig später einer Bombe zum Opfer, die eigentlich Lupo selbst galt. Dieser wird stattdessen mit Rizin vergiftet.

Auf der Suche nach Motiv und Mörder des Dahinsiechenden treffen Lessing und Dorn auf Lupos Vertraute, seine Kindergarten-Erzieherin, sowie deren sagenhaft dämlichen Sohn. Hinzu kommen die beiden zerstrittenen Erbinnen einer Porzellanmanufaktur und ihr höriger Anwalt. Das ist kein Krimi, es ist ein postmodernes Märchen, garniert mit Zitaten von Dürrenmatt über "Fargo" bis "James Bond".

Von Fesseln wie dem Zwang zur gesellschaftlichen Relevanz restlos befreit geht es hier schnurstracks gen Wahnsinn, genüsslich konstruierte Fremdschäm-Sexszene, Grabschändung und Inzestwitze inklusive. Ein Film zum Niederknien - der jeden Fan des klassischen "Tatorts" auf die Barrikaden bringen wird.

"Tatort - Der scheidende Schupo", Das Erste, So., 20.15 Uhr

(tojo)
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