Nach zwei Folgen abgesetzt Der peinliche Tatort-Crash des MDR

Das ging schnell. Nach zwei schlechten Folgen und vernichtenden Kritiken suchen zwei der drei Hauptdarsteller des Tatort aus Erfurt das Weite. Das bedeutet sein Ende. Protokoll eines öffentlich-rechtlichen Desasters.

Szenenbilder aus dem "Tatort: Maulwurf"
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Es ist die erste große Nachricht des Medienjahres 2015: Friedrich Mücke (33) und Alina Levshin (30), die im MDR-Tatort aus Erfurt die Ermittler Henry Funck und Johanna Grewel verkörperten, schmeißen hin. Ganze zwei Folgen standen sie für die prestigeträchtige Krimireihe vor der Kamera. Dem MDR blieb nichts, als die Flucht der Schauspieler in einer dünnen Pressemitteilung zu kommentieren: "Wir bedauern das sehr, auch wenn wir die Entscheidung der Schauspieler natürlich respektieren."

Dass zwei junge Darsteller, die noch relativ am Anfang ihrer Karriere stehen, freiwillig auf das adelnde Prädikat "Tatort-Kommissar" verzichten, ist ein bemerkenswerter Vorgang. Schließlich gibt es in Deutschland keine TV-Reihe, die derart verlässlich Woche für Woche bis zu zehn Millionen Zuschauer und mehr anzieht. "Tatort"-Kommissar zu werden, kommt einem Ritterschlag gleich, auch wenn die Zahl der Teams in den vergangenen Jahren auf sagenhafte 22 gestiegen ist.

Doch beim Tatort aus Erfurt war das Gegenteil richtig. Zu ihm zu gehören, war kein Ritterschlag, sondern rufschädigend. Der zuständige Mitteldeutsche Rundfunk, seit Jahren gebeutelt durch Betrugs- und Schleichwerbungs-Skandale, wollte es besonders gut machen und steht nun völlig blamiert da.

Dead on arrival

Aber der Reihe nach. Um den Eindruck größtmöglicher Transparenz zu erwecken, hielt es der Sender für eine gute Idee, das Konzept für den neuen Krimi auszuschreiben. Die Redakteure des Senders entwickelten also keine eigenen Ideen, sondern warteten darauf, dass ihnen andere Fernsehschaffende den großen Wurf zuschicken. Unter rund 100 Einsendungen wählten sie das Konzept von Regisseur und Drehbuchautor Thomas Bohn aus, einem Mann deutlich über 50, der schon die Hamburger Tatorte mit Robert Atzorn inszeniert hatte, die nicht gerade als avantgardistische Highlights in Erinnerung geblieben sind.

Seine Idee lässt sich auf eine Formel zusammenfassen, die der MDR nun wie ein Mantra vor sich hertrug, als erfinde er das Genre TV-Krimi neu: Der Sender, tataa, hat das "jüngste Ermittler-Team aller Zeiten". Hauptkommissar Henry Funck (Friedrich Mücke) ist 32, sein Kollege Maik Schaffert (Benjamin Kramme) 31, und die angehende Staatsanwältin und Büro-Praktikantin Johanna Grewel (Alina Levshin) gar süße 29. Die beiden Männer sind Kumpels und ziemlich coole Hunde, die sich unentwegt mit "Alter" anreden, die junge Frau ist ein hyperintelligentes Mauerblümchen, das Sätze mit vielen Fremdwörtern sagt.

Der MDR fand's bombe, die Kritiker fanden es grauenvoll. Zwar hatte der erste Fall "Kalter Engel", der Anfang November 2013 ausgestrahlt wurde, mehr als zehn Millionen Zuschauer, wie für einen Tatort, zumal einen neuen, üblich. Doch der MDR-Tatort war im Grunde dead on arrival, wie US-Kritiker sagen, tot bei der Erstausstrahlung. So brutal war die Häme, die das neue Team über sich ergehen lassen musste.

"Tick, Trick und Track"

"Spiegel-Online"-Kritiker Christian Buß stellte die Eingangsfrage, ob sich da jemand "mit Energydrinks um den Verstand gesoffen" habe und spielte damit nicht nur auf die öde Story an, sondern vor allem auf die albern auf jugendlich getrimmte Inszenierung der männlichen Hauptfiguren, die unentwegt Getränkedosen in den Händen hielten. Der ganze Film war unfreiwillig komisch, eine Demonstration dessen, was sich ältere Herrschaften unter dem Prädikat "jung" so vorstellen. Menschen, die alles "krass" finden, sich mal "einen Kaffee recherchieren" gehen und ihr Erstaunen mit dem Spruch "Alter Falter" ausdrücken.

Für den zweiten Fall "Der Maulwurf", der kurz vor Weihnachten 2014 im Ersten lief, fand die "Süddeutsche Zeitung" die passende Überschrift "Tick, Trick und Track" und ließ wie alle anderen kein gutes Haar an der Geschichte und ihren wenig ernstzunehmenden Protagonisten. Auch die Quote sackte auf acht Millionen, ein eher unterdurchschnittlicher Tatort-Wert. Die "Bild"-Zeitung stellte die rhetorische Frage, ob das "der schlechteste Tatort des Jahres 2014" gewesen sei und zitierte genüsslich vernichtende Twitter-Kommentare von Zuschauern.

Das war wohl zu viel für Friedrich Mücke ("Friendship!") und Alina Levshin ("Kriegerin"), zwei aufstrebende Schauspieler, die schon Erfolge auf der Kinoleinwand vorzuweisen hatten und befürchten mussten, dass ihr Ruf dauerhaft Schaden nimmt. Durch ihren abrupten Ausstieg hat der Schrecken jetzt zwar ein Ende, da der MDR die Reihe nicht mit dem verbliebenen Darsteller Benjamin Kramme fortsetzen wird. Doch die Pleite wird ihnen und dem MDR lange nachhängen.

Wie es geht, zeigt der Rostocker Polizeiruf

Dem Sender ist es nicht gelungen, das große Label Tatort für einen neuen, frischen Krimi zu nutzen. Der definiert sich nicht über "krasse", junge Figuren, sondern glaubhafte Plots und neue Ansätze im Geschichtenerzählen, die mit den üblichen Whodunit-Regeln des Genres brechen. Wie das geht, zeigen etwa die Kollegen vom Polizeiruf aus Rostock mit Anneke Kim Sarnau und Charly Hübner.

Dem MDR bleibt der leidlich komische Weimar-Tatort mit Christian Ulmen und Nora Tschirner, der allerdings nur einmal im Jahr läuft und zuletzt ebenfalls Negativ-PR machte, weil der Ton lausig war. Ein kleiner Lichtblick immerhin kommt aus Dresden. Die Geschichten des neuen Teams um Alwara Höfels und Martin Brambach schreibt "Stromberg"-Autor Ralf Husmann.

(gev)
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