"Tatort: Kartenhaus" Bonnie und Clyde in Köln
Köln · In "Kartenhaus" jagen die "Tatort"-Kommissare Ballauf und Schenk ein junges Pärchen, das zu allem bereit ist. Wer den Mord begangen hat, ist von vornherein klar.
In diesem "Tatort" stehen die Ermittler im Hintergrund, was nur logisch ist, weil sich nie die Frage stellt, wer der Mörder ist. Gleich zu Beginn bringt der junge Adrian (Rick Okon) den Stiefvater seiner Freundin um, in dessen eigener Villa, mit Messerstichen in den Bauch.
Die Frage ist, was ihn dazu getrieben hat. Wie das Milchgesicht zum Mörder werden konnte. Was in seiner Kindheit und Jugend schiefgelaufen ist, in der Hochhaussiedlung "Auf dem Kölnberg", wo mehr als 4000 Menschen leben, in Betonungetümen aus den Siebzigern mit bis zu 26 Stockwerken. Doch dort findet sich nur der eine Teil der Antwort.
Hübsch und hysterisch, reich und einsam
Der zweite liegt bei seiner Freundin Laura (Ruby O. Fee) - hübsch und hysterisch, reich und einsam. Auf dem Papier ist Laura gerade erwachsen geworden, tatsächlich ist sie ein verspielter Teenager, der sich als Femme fatale ausprobiert.
Ihr Stiefvater habe sie vergewaltigt, hat sie Adrian erzählt. Weil der seine Freundin liebt, bringt er ihn für sie um - in seinem Kopf ergibt das Sinn. Das hatte die Kleine mit den Kulleraugen nicht gewollt, aber da es nun einmal so ist, genießt das Duo das Leben auf der Flucht: Abenteuer, Adrenalin und Autoklau, den Ermittlern entwischen, mit einer echten, schweren Knarre herumfuchteln, viel Sex haben und bei alledem gut aussehen.
Das alles klingt nach einem Überbietungswettbewerb der Klischees, und gewissermaßen ist es das auch, bis hin zu den Müttern des Duos - rosa Jäckchen und Perlenkette hier, Übergewicht und Kettenrauchen da. Doch viele Klischees wurzeln eben in der Wirklichkeit, und Stereotype üben großen Reiz aus, ob sie nun mittels Gangsta-Rap-Videos verbreitet werden oder in Frauenzeitschriften.
Laura und Adrian entgeht das nicht, kokettierend vergleichen sie sich mit dem historischen Gangsterpärchen Bonnie und Clyde sowie Mickey und Mallory aus dem Skandalfilm "Natural Born Killers".
Schmollmund-Klischees - irre gut gespielt
Lauras Schmollmund-Schnuten-Posen und Adrians Zwitterdasein zwischen prolligem Kleingangster und Edelmann führen beim Zuschauer zu Fremdscham; repräsentativ ist das nicht, aber auch nicht realitätsfern - und irre gut gespielt.
Arg zugespitzt sind sie natürlich, die Dramen um Adrian. Dasselbe gilt für den Assistenten der beiden Kommissare Tobias Reisser (Patrick Abozen): Bei ihm wird klar, warum er Ballauf und Schenk bislang immer bloß aus dem sicheren Büro unterstützte.
Die Grundprobleme aber - von Aggression, Alkoholismus und Suizidgefahr im Plattenbau bis hin zu Einsamkeit im goldenen Käfig - sind real. Das kann man Fantasielosigkeit nennen. Oder Sozialkritik.
"Tatort: Kartenhaus", ARD, So., 20.15Uhr