"Tatort"-Kritik Charlotte Lindholm erlebt schwarze Tage in Walsrode

Walsrode · Nach einem Kuss in der ersten Szene geht es im "Tatort" nur noch bergab, es wird trostlos und schwarz. In ihrem 25. "Tatort" verliert Charlotte Lindholm die Kontrolle über einen Entführungsfall - und über sich selbst.

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"Tatort: Der Fall Holdt"

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Foto: NDR/Marion von der Mehden

Ganz am Anfang tanzt, feiert und knutscht Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) mit einem Mann namens Henning zu Folklore-Musik. Das Etablissement ist rot ausgeleuchtet, die Stimmung ausgelassen. Der Zuschauer sollte sich diese ganz kurze Einstiegsszene gut merken und konservieren, weil so wie es da ist, wird es nicht mehr werden.

Nach dem Kuss geht alles nur noch bergab, es wird trostlos und schwarz. Man hätte sich gewünscht, dass diese Tanzszene niemals enden würde. Weil Charlotte Lindholm einmal glücklich ist, und man es ihr doch so sehr wünscht, dieses Glück. Aber leider endet es viel zu schnell, die feiernde Kommissarin Lindholm gerät in Nöten an drei Männer, die sie schlagen und demütigen.

"Der Fall Holdt" ist Charlotte Lindholms 25. "Tatort", aber es ist kein Jubiläum, das Lust zum Feiern bereitet. Die LKA-Ermittlerin, Markenzeichen: einsamer Wolf, gerät in das deutsche Leben eines Ehepaares mit erwachsenem Sohn, nervigen Schwiegereltern und Einfamilienhaus am Waldrand. Der Mann, Frank Holdt (stark: Aljoscha Stadelmann), ist Filialleiter der Volksbank Walsrode. Als seine Frau auf dem Weg in den Reitstall von zwei maskierten Männern entführt wird, beginnt der große Kontrollverlust. Des Ehemannes, der Schwiegereltern - und Lindholms.

Es dröhnt nichts, außer der Verzweiflung

Lindholm wird bei den Ermittlungen von Frauke Schäfer (Susanne Bormann) unterstützt. Und wie man es schon oft erlebt hat bei der Kommissarin vom Landeskriminalamt, hakt es bei der Zusammenarbeit. Schäfer mag Lindholm nicht, Lindholm mag Schäfer nicht. Es ist eine von vielen unglücklichen Kombinationen in diesem Film. Holdt, der Mann der Entführten, entschließt sich, das Lösegeld von 300.000 Euro irgendwie alleine zu übergeben - entgegen dem Rat seines strengen Schwiegervaters. Und weil Holdt Fehler macht, seine Frau nicht zurückkehrt und die Widersprüche größer werden, gerät er in das Visier Lindholms. Das Opfer wird zum Tatverdächtigen.

Von der anfänglichen Demütigung nach dem Tanz erholt sich die Kommissarin nicht mehr. Sie schläft nicht mehr richtig, höchstens im Auto oder im Revier, sie wäscht sich nicht mehr. Lindholm droht in diesem Fall ein wenig ihre Würde zu verlieren. Ausgerechnet sie, die meistens stark und so selten verletzlich ist. Private Probleme haben ihr die Autoren schon oft angedichtet. Doch ihren Instinkt für den richtigen Lösungsweg des Falles, den hat man ihr bisher nicht genommen. Da ist ihr kleines Dienstjubiläum im Wald von Walsrode ein Wendepunkt.

Dieser "Tatort" ist ein tragischer Krimi, einer, der von Leid und Trauer erzählt, vom Schicksal und von überaus schwarzen Tagen. Die junge Regisseurin Anne Zohra Berrached wählt eine leise Sprache, die manchmal so leise ist, dass sie im Halse stecken bleibt. Es dröhnt nichts, außer der Verzweiflung. Dieser "Tatort" ähnelt vielen anderen und ist doch vollkommen anders. Das macht ihn so sehenswert.

"Tatort: Der Fall Holdt", Das Erste, So., 20.15 Uhr

(her)
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