"Tatort" aus München Und die Eltern haben keine Ahnung
München · In einem spannenden "Tatort" aus München geht es um Jugendliche, die sich im Internet für Geschenke von Erwachsenen ausziehen. Viel aktueller war ein ARD-Krimi selten.
Schon in der ersten Minute dieses "Tatort" dreht sich einem aufgrund des Themas, das in "Das verkaufte Lächeln" behandelt werden soll, der Magen um. So viel sei verraten: Es wird sich im Laufe der folgenden 89 Minuten nicht ändern. Der Grund dafür sind nicht etwa brutale Szenen mit viel Blut, sondern Bilder mit drei Jugendlichen, die sich in ihren Kinderzimmern ausziehen und währenddessen mit Erwachsenen chatten, die ihnen dafür Geschenke schicken.
Viel aktueller war ein "Tatort" selten. Erst vor wenigen Tagen äußerte sich der ehemalige Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy (SPD) in einer beispiellosen Selbstinszenierung in Berlin zu den Kinderporno-Vorwürfen gegen ihn. Seine Meinung: Alles, was er getan habe, sei legal gewesen.
Hühnerbrüstige Jungs und Schulmädchen-Kostüme
Das ist auch die Argumentation derer, die sich in diesem Krimi des Bayrischen Rundfunks (BR) Bilder anschauen von hühnerbrüstigen Jungs, die ohne Oberteil vor ihrem Laptop sitzen, und blonden Mädchen, die im Schulmädchen-Kostüm in ihrem Kinderzimmer posieren. "Er hat doch damit angefangen", sagt der starke Maxim Mehmet in seiner Rolle als Guido Buchholz, ein Familienvater und Jugendfußball-Trainer mit Hang zu kleinen Jungs. "Ich hab ihn zu nichts gezwungen, da bin ich doch nicht Schuld", meint er. Kommissar Ivo Batic (Miroslav Nemec), der seit 1991 mit Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) in München ermittelt, ist da anderer Meinung. "Ich bin nicht krank", sagt der brüskierte Verdächtige. Ist er doch.
Denn der Vater zweier Töchter unterhält sich per Video-Chat mit Jungs. Während der eine Jugendliche gleich zu Beginn des Falls tot am Isarwehr gefunden wird und sich der andere noch immer über die Geschenke des Mannes freut, sieht dieser den Knaben nur als Sexobjekt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er sich an ihm vergeht. Zur Erinnerung: Ein Erwachsener, und als dieser gilt man in Deutschland ab 21 Jahren (ab 18 ist man lediglich volljährig), macht man sich strafbar, wenn man mit Jugendlichen unter 16 Jahren sexuell verkehrt.
"Kein Täter werden"
Pädophilie (eine Kombination aus den griechischen Worten für "Kind" und "Freundschaft") ist eine psychische Störung. Erst im vergangenen Juni eröffnete die Uniklinik Düsseldorf eine Pädophilen-Ambulanz, die Betroffenen dabei hilft, ihre Neigung zu kontrollieren und Übergriffe auf Kinder zu verhindern. In München hat das Präventionsnetzwerk "Kein Täter werden" noch keinen seiner zehn bundesweiten Standorte. Vielleicht ändert sich das nach diesem "Tatort".
Die Pädophilie ist aber nur das eine Thema dieses Falls, das andere ist der unbedarfte Umgang der Jugendlichen mit ihren Nackt-Bildern im Internet. Leitmayr und Batic, beide kinderlos, versuchen sich als Pädagogen. Das sei gefährlich, die Aufnahmen für immer im Internet, und "ein bisschen klick-klick-klick" würde reichen, und plötzlich stehe ein potenzieller Täter vor der Tür.
"Und die Eltern haben keine Ahnung", sagt Batic, der wie Leitmayr zwar ein wenig unbeholfen und manchmal sogar überfordert wirkt, was allerdings nichts daran ändert, dass der BR einen sehr guten und spannenden Fall inszeniert hat.
"Tatort", ARD, So., 20.15 Uhr