Wiener "Tatort" im Check Die Tat eines Verzweifelten

Düsseldorf · Endlich wieder ein "Tatort", der mal nicht die Flüchtlingsproblematik zum Thema hat. In "Schock" beschäftigen sich die Ermittler aus Wien mit verzweifelten Studenten und einer Generation unter Druck.

Szenenbilder aus dem "Tatort: Schock"
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Foto: ARD Degeto/ORF/Hubert Mican

War es spannend?

Drehbuchautor und Regisseur Rupert Henning hat die Geschichte mal andersrum erzählt: Statt einen Mord aufzuklären sollen die Wiener Ermittler Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) diesmal einen Doppelmord verhindern. Gute Idee, denn das fesselt. David Frank (Aaron Karl) hat seine Eltern, einen renommierten Mathematiker und eine Star-Anwältin, entführt. Er droht damit, die beiden und sich selbst umzubringen. Zuvor erklärt er aber immer wieder in Video-Botschaften, warum er das tun will. David hat seine Freundin Amina verloren. Die junge Frau hat sich im dritten Semester selbst umgebracht. Den Leistungsdruck von Uni und Eltern hat sie nicht mehr ausgehalten. Der Medizinstudent verzweifelt daran, er will die Gesellschaft aufrütteln. Immer wieder zitiert er Dozentin Sarah Adler. Sie forscht über die Generation Y, die gut ausgebildet, leistungsstark und dennoch millionenfach arbeitslos sei. Die Suche nach Frank, der sich mit seinen gekidnappten Eltern in einem alten Industriegelände versteckt hat, steuert auf ihren spannenden Höhepunkt zu, als Majorin Bibi Fellner ihm bei einem Alleingang auf die Spur kommt und in tödliche Gefahr begibt.

Wer ist die Generation Y?

In der Soziologie werden damit die jungen Leute gemeint, die zwischen 1980 und 1999 geboren wurden. Was sie ausmacht wird in Wissenschaft und Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Das Y steht für "Why", deutsch: Warum. Es soll das Charakteristikum dieser Generation erklären, alles zu hinterfragen. Aber es beschreibt auch eine schwierige Situation: Immer wieder muss sich diese Generation neu den Verhältnissen anpassen, sie hat mit Jugendarbeitslosigkeit, weltweiten Krisen und Kriegen zu kämpfen. Sie ist aber auch die erste Generation, die mit digitalen Medien aufgewachsen ist. Auch David Frank im Tatort ist der Polizei in diesem Punkt immer eine Nasenlänge voraus.

Wie waren die Ermittler?

Oberstleutnant Moritz Eisner und Majorin Adele Neuhauser sind ein gutes Team, auch in "Schock" ergänzen sie sich perfekt. Sie beruhigt ihn, wenn er sich über seine bürokratischen Vorgesetzten aufregt. Er rettet seine Kollegin, die sich in ihrer impulsiven und unkonventionellen Art zu ermitteln, selbst in Gefahr gebracht hat. Das passt einfach mit den beiden. Anstrengend ist beim Team aus Wien aber: Die Österreicher sind mit ihrem Akzent manchmal schwer zu verstehen. Interessant ist der Vater-Tochter-Konflikt zwischen Eisner und Tochter Claudia (Tanja Raunig). Mit einer Tochter im Studenten-Alter hätten Eisner die Probleme der jungen Generation vertraut sein müssen, würde man meinen. Das Gegenteil ist der Fall: Es ist eine beeindruckende Szene, in der sie ihm erklärt, wie hart es ist, den Erwartungen der Leistungsgesellschaft zu entsprechen: "Man sagt uns: Sehen Sie sich ihre Sitznachbarn rechts und links an — einer von beiden wird die Prüfung nicht schaffen."

Bester Dialog

"Ich bin kein Fremder, ich bin der Freund ihrer Tochter", sagt Kerem Sami Shafka (Mehmet Sözer) zu Eisner, der ihn verhört, weil er zu einem Kreis von Aktivisten an der Uni gehört, der im Verdacht steht, mit David Frank in Kontakt zu stehen. "Der mir zunehmend fremder wird", erwidert Eisner.

Wie wird Wien gezeigt?

Von Wiener Sissi-Romantik ist im Tatort keine Spur. Wo Eisner und Fellner in diesem Fall ermitteln, ist es kalt und hässlich.

Wen muss man sich merken?

Man meint, den bekannten österreichischen Schauspieler Fritz Karl in jungen Jahren vor sich zu haben, wenn Aaron Karl als David Frank vor der Kamera agiert. Stimmt fast: Aaron ist dessen Sohn. Er spielt den verzweifelten Medizinstudenten grandios — als ganz normalen 22-Jährigen von nebenan. Und das macht die Wahnsinns-Tat, die er plant, irgendwie noch beklemmender.

Was bleibt in Erinnerung?

Die scheinbare Ausweglosigkeit der jungen Studenten: Amina, die sich das Leben nimmt. David, der auf drastische Art und Weise auf die Situation der jungen Generation aufmerksam machen will. Eisners Tochter Claudia, die ihrem Vater klarzumachen versucht, wie bedrohlich die Zukunft für sie oft aussieht.

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