"Tatort"-Schnellkritik Telenovela kann tödlich sein

Münster · In "Schwanensee" ermitteln Thiel und Boerne in einer psychiatrischen Klinik, die zu schön ist, um wahr zu sein. Zumindest an der Gag-Front ist diese Folge recht weit vorne dabei.

Tatort Münster. Szenen aus der Folge "Schwanensee"
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Szenen aus dem Tatort "Schwanensee"

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90 Minuten in 90 Zeichen

Ein Steuerfahnder kommt in die Klapse — Verfolgungswahn. Der wahre Grund ist unglaublich.

Sätze zum Mitreden

"Wenn alle großen Männer der Geschichte auf Anweisungen gewartet hätten, säßen wir heute noch in einer Höhle" — Karl-Friedrich Boerne über, na wen wohl.

"Ich? — Arrrrbeit! Sie? — Urrrrlaub!! Bunga-bunga, ne?! Gute Reise, Tschü-hüss!"
Frank Thiel zu — na wem wohl.

Will ich auch haben

Ein Land, in dem psychische Erkrankungen so ernst genommen werden, dass man eine Hightech-Modellklinik in Bestlage am Münsteraner Aasee für sie hinklotzt, mit Swimmingpool und allem Pipapo, für sechs Patienten. Die Realität sind bis zum Anschlag ausgelastete Kliniken — und mit etwas Pech monatelange Wartezeiten für einen Platz dort, die für die Betroffenen tödlich enden können.

Thiels "Computerfuzzi" berichtet, er habe nur das erste Passwort der toten Mona Lux knacken können. Damit bekomme man aber bloß den Bildschirmschoner des Laptops zu sehen. Gemeint ist das Hintergrundbild, auf dem man seine Dateiordner und Verknüpfungen platziert. Toller Experte.

Der Standbild-Moment

In diesem Hintergrundbild wiederum ist ein netter Gag versteckt. Auf dem Foto von Alberto Di Sarto mit seiner (wie er denkt) Geliebten Mona Lux, das Boulevardreporter wohl ein "Liebes-Selfie" nennen würden, ist auch ein Werbe-Aufsteller zu sehen. Und zwar nicht für irgendwen, sondern für den Bio-Caterer Schlagheck, Di Sartos ärgsten Konkurrenten. Nett.

Wunderbar auch die Posen der Patienten auf den Fotos für die Lokalpresse. Besonders die Dame mit der ungewöhnlich großen Libido tut sich hier hervor, indem sie sich der Reihe nach an alle Männer auf dem Gruppenbild heranschmeißt — und seien sie aus Pappe.

Den kenn ich doch

Die Darsteller sowohl des schmierigen Di Sarto (Roberto Guerra) als auch der netten Therapeutin Lina Westendonk (Sarah Hostettler) waren erst vor zwei Monaten im Luzern-Tatort "Ihr werdet gerichtet" zu sehen.

Bonuspunkte gibt es für alle, die im braven, glattrasierten Andreas Kullmann den wilden Sprachkünstler Käpt'n Peng alias Robert Gwisdek erkannt haben — dem Wahnsinn nahe, aber wahnsinnig gut. Seine Band und er machten "Musik aus einer Emotion, die im Hip-Hop selten ist. Die Ich-säge-mir-meinen-Kopf-auf-um-den-Flamigo-zu-befreien-Emotion", sagt Gwisdek. Eines seiner schönsten Werke ist das auf den ersten Blick durchgeknallte und auf den zweiten unheimlich zarte Liebeslied "Sie mögen sich":

Da geht einem als Münsteraner das Herz auf

Das "Haus Schwanensee" ist in Wirklichkeit das Münsteraner Bar-Bistro-Restaurant "A2 am See". In Sichtweite davon ereignete sich zwischen 2006 und 2008 die tragikomische amour fou zwischen dem schwarzen Trauerschwan Petra und einem weißen, schwanförmigen Tretboot, von der Boerne der armen Isa Storch (Nadja Zwanziger) erzählt in der Hoffnung, sie möge Parallelen erkennen und aufgeben. Stattdessen sorgt die leider beinahe für die Telenovela-inspirierten Toten Nummer zwei und drei.

Der Aha-Moment

"Boerne" antwortet Andreas Kullmann (Robert Gwisdek) strahlend auf die Frage der Therapeutin Lina Westendonk, warum es ihm so gut gehe. Sie ist maßlos verwirrt, dem Zuschauer indes beginnt zu dämmern, was er damit impliziert.

Dialog/Zitat/Gespräch für die Ewigkeit

Boerne: "Wasser. Aqua. Quell des Lebens!"
Kullmann: "Dihydrogenmonoxid."
Boerne: "...ja, das auch."

(tojo)
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