"Tatort: Wir - Ihr - Sie" Berliner Krimi für Fortgeschrittene

Berln · Im letzten Fall vor der Sommerpause geht es noch mal richtig zur Sache: So brutal und explizit war der "Tatort" selten.

Szenen aus dem neuen Tatort: Wir - Ihr - Sie"
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Szenen aus dem neuen Tatort: Wir - Ihr - Sie"

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Foto: bb/Frédéric Batier

Es ist eine der wahrscheinlich am häufigsten gezeigten Auftaktsequenzen in einem Krimi: Ein Auto wartet in einer Tiefgarage, dann tritt der Fahrer das Gaspedal durch und überfährt jemanden, der gerade zu seinem Fahrzeug geht. Dann rast der Wagen mit quietschenden Reifen aus der Parkgarage und durchbricht die Schranke. Natürlich sind die Scheiben des Wagens getönt, und obwohl eigentlich alle Parkhäuser inzwischen kameraüberwacht sind, gibt es natürlich genau von dieser Szene keine oder nur nicht verwertbare Aufnahmen. So muss man sich auch den Beginn des dritten "Tatorts" aus Berlin vorstellen, der trotz des bekannten Musters aber äußerst spannend gerät.

Brutaler Mörder im Jeep

In diesem Fall ist es eine Frau, die mit mehreren Taschen ein Einkaufszentrum verlässt und dann von einem Jeep überfahren wird. Besonders brutal ist die Szene, da der Fahrer, um sicherzugehen, dass die Frau auch tot ist, sie ein weiteres Mal mit dem Jeep überrollt. Kurz vor der Attacke erkennt die Frau, wer hinter dem Steuer sitzt, und wirkt völlig überrascht. Sie sagt noch etwas wie "Was machst du denn hier?", dann wird sie auch schon umgefahren. Schnell identifizieren Robert Karow (Mark Waschke) und Nina Rubin (Meret Becker) die Halterin des Jeeps, doch damit kommen sie der Lösung des Falls noch nicht besonders nahe. Dann rücken die drei Mädchen Louisa (Cosima Henman), Charlotte (Valeria Eisenbart) und Paula (Emma Drogunova) in den Fokus, die ebenfalls aus der Nachbarschaft des Opfers stammen und zur Tatzeit im Einkaufscenter waren.

Der Film zeigt eindrucksvoll, wie schwierig es ist, Verdächtigen etwas eindeutig nachzuweisen - vor allem wenn sie zusammenhalten -, und er zeigt ebenfalls, wie sehr sich Jugendliche in der Welt von Chats und sozialen Medien verlieren können, Dort geht es nur noch darum, anderen zu gefallen und cool zu sein. "Die Aufmerksamkeit und Energie dafür fehlt woanders, und das führt zu Defiziten", sagt Drehbuchautorin Dagmar Gabler. "Die ständige Kommentierung und Bewertung von allem und jedem verstärkt diese Ich-Bezogenheit - auf Kosten von echter Teilnahme am Anderen."

Man braucht die ersten beiden Teile

Doch die Aufklärung des Mordfalls ist nicht das Einzige, was die Kapazitäten der Ermittler bindet. Der "Tatort: Wir - Ihr - Sie" erzählt wie die ersten beiden Berlin-Krimis zwei Geschichten parallel - wer "Das Muli" und "Ätzend" nicht gesehen hat, dürfte Schwierigkeiten haben, der Handlung zu folgen. Zwar startet die Folge mit einem kurzen Rückblick in Schwarz-Weiß, doch ist das Gezeigte auch nur mit etwas Vorwissen zu verstehen. Kurz skizziert geht es darum: Kommissar Karow jagt weiter die Männer, die wohl für den Tod seines ehemaligen Partners verantwortlich sind. Dabei wird ihm zu Beginn der neuen Folge eine Tatwaffe untergeschoben - und zwar nachdem er Sex mit einem Mann hat. Auch diese Szene wird dem Zuschauer explizit gezeigt, als sich die anderen Polizisten über das Video aus der Wohnung ihres Kollegen mokieren. Karow geht damit jedoch sehr cool um.

Der Kommissar bleibt eine spannende Figur - nicht nur wegen seines zweifelhaften Rufes, der ihm seit seinem Wechsel vom Drogen- ins Morddezernat vorauseilt. Sondern auch, weil ihm egal ist, was die anderen über ihn denken, und er gerade deshalb ein effektiver Ermittler ist.

"Tatort: Wir - Ihr - Sie", DasErste, So., 20.15 Uhr

(RP)
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