Schweizer "Tatort: Zwei Leben" Ein Leben zu viel

Luzern · Im Schweizer "Tatort" fällt einem Fahrer eine Leiche vor den Bus. Der Film vergibt die Chance, ein Drama zu erzählen.

"Tatort: Zwei Leben": Schweizer Kommissare ermitteln
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Bilder aus dem "Tatort: Zwei Leben"

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Foto: ARD Degeto/SRF/Daniel Winkler

Da ist sie wieder: die nächtliche Straße. Aber das hier ist nicht die Fortsetzung des Stuttgarter "Tatort" der Vorwoche, sondern frischer Stoff aus der Schweiz. Bloß, dass es zu Beginn eben, irgendwie jedenfalls, erneut um Verkehrsunfälle geht. Ein Bus fährt also diese nächtliche Straße entlang, es ist still, sonst ist niemand unterwegs, und es müsste gar nicht dunkel sein, wie der Dramaturg meint, damit klar ist: hier passiert etwas.

Ein Mann steht auf einer Brücke, klammert sich fest am Geländer, ein Sprung von seinem Ende entfernt. "Spring", ruft jemand. Und schon liegt dem Fernbus-Fahrer Beni Gisler ein Menschenleben vor den Füßen.

Man muss das vielleicht gleich zu Beginn einmal feststellen: Das ist kein schlechter "Tatort". Von den Luzerner Ermittlern Liz Ritschard (Delia Mayer) und Reto "Flücki" Flückiger (Stefan Gubser) ist der Zuschauer in der Vergangenheit nicht besonders verwöhnt worden.

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Foto: dpa, bt kde sab kde

Und auch hier eine Klarstellung: Es liegt nicht an den Kommissaren, dass es ein bisschen besser wird. Die Idee des Films könnte man, etwas kühn vielleicht, als gut bezeichnen. Ein Mann, der seinen Tod im thailändischen Tsunami 2004 vorgetäuscht hat, landet 13 Jahre später, dann tatsächlich tot, vor einem Bus. Für den Busfahrer ist es der dritte tödliche Unfall seiner Karriere, und da kann es nicht verwundern, dass er durchdreht und auch eine Psychologin ihm nicht zu helfen scheint.

Nicht nur, aber auch wegen Michael Neuenschwander, der den Busfahrer ganz eindrücklich spielt, möchte man mehr erfahren von diesem Gisler. Was für ein Schicksal: drei Menschen sterben vor seinen Fahrzeugen, erst vor dem Zug, später vor dem Bus. Aber Felix Benesch und Mats Frey, die das Drehbuch geschrieben haben, teilen das Interesse an der interessantesten Figur des Films nicht.

Das Drehbuch ist auch für die beiden hölzernen Kommissare bedauerlich. Die Autoren setzen auf die immer gleichen Dialoge. Beispiel: "Welche Priorität würden Sie der Suche nach dem Täter geben?", fragt der Vorgesetzte. "Die oberste, Herr Regierungsrat", sagt Ritschard. Diesen Dialog darf der Zuschauer getrost als intellektuelle Beleidigung auffassen. Es ist indes nicht das einzige öde Gespräch, das der Film nicht braucht.

Dazu gehört auch das Privatleben der Kommissare. Beim Schweizer Fernsehen ist man auf die Idee gekommen, es sei klug, Kommissarin Ritschard eine Liebschaft mit der Botin eines Asia-Imbisses anzudichten. Und man will eigentlich auch nicht mehr wissen, ob Reto Flückiger sich nun traut, bei seiner Freundin die Kinder ins Bett zu bringen, oder ob das dann doch zu viel Nähe für ihn ist.

Dass es in diesem "Tatort" wie nebenbei auch noch um Insolvenzen von Baufirmen, eine Bekanntschaft zwischen Busfahrer und Kommissar aus Militärzeiten und angeblich moderne Dinge wie "Crowdintelligence" geht, ist "Zwei Leben" ebenfalls nicht besonders zuträglich. Gänzlich verschmähen sollte man den Streifen dann aber doch nicht. Es gibt ein paar interessante Dinge über die Abgründe des Lebens zu lernen.

"Tatort: Zwei Leben", Das Erste, So., 20.15 Uhr

(her)
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