TV-Kritik zu "The World Wars" Hitler-Doku bei N24 mutet an wie Transformers-Fortsetzung

Düsseldorf · Adolf Hitler im Rampenlicht, garniert mit übertrieben epischer Filmmusik, Schlachtgetümmel in Endlosschleife und überflüssigen Expertenstimmen – die ersten beiden Folgen der Doku-Reihe "The World Wars", die N24 gestern Abend ausgestrahlt hat, sind mehr Hollywood-Drama als Doku.

"The World Wars": N24 zeigt pompöse Adolf-Hitler-Doku
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Bilder des Doku-Dramas "The World Wars"

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Adolf Hitler im Rampenlicht, garniert mit übertrieben epischer Filmmusik, Schlachtgetümmel in Endlosschleife und überflüssigen Expertenstimmen — die ersten beiden Folgen der Doku-Reihe "The World Wars", die N24 gestern Abend ausgestrahlt hat, sind mehr Hollywood-Drama als Doku.

Wer sich die nächsten Doppelfolgen (Dienstag und Mittwoch, jeweils ab 20.05 Uhr) anschauen möchte und einen Fable für Geschichte hat, sollte nicht allzu viel erwarten. Die versprochenen historischen Orignalaufnahmen tauchen nur selten auf, stattdessen oft melodramatisches Getose. Inhatliche Patzer gibt es nicht, wirklich Neues hat Produzent Stephen Davis aber auch nicht zu bieten.

Die Liste der Protagonisten ist lang: Winston Churchill, Franklin D. Roosevelt, Josef Stalin, Charles de Gaulle, Benito Mussolini, Hideki Tojo und George S. Patton. Aber der Star des Hollwood-Spektakels, zumindest in den ersten beiden Folgen, ist Adolf Hitler. Bereits zu Beginn der ersten Episode "Der große Krieg" tritt der Diktator als junger Soldat in Erscheinung — unterstützt von dynamischen Klängen, wie man sie normalerweise von einer Fortsetzung der Transformers-Reihe erwarten würde.

Die Szene: Ein Gasangriff auf die deutschen Soldaten im Schützengraben. Durch seinen langen Schnauzbart hat Hitler Probleme, die Gasmaske überzustülpen. Um dem Erstickungstod zu entkommen beschließt er, die beiden Enden seines Bartes mit einem Dolch abzuschneiden. Was zurückbleibt ist sein Markenzeichen, das Hitler-Bärtchen. Gefühlt eine Ewigkeit hält die Kamera anschließend auf sein Gesicht. Das Monster ist geboren.

Christian Brückner, die bereits aus vielen Dokus bekannte deutsche Synchronstimme von Robert De Niro, führt die Zuschauer in der Pilotfolge "Der große Krieg" im Eiltempo durch den Ersten Weltkrieg, der übrigens nach eineinhalb der sechs Folgen bereits beendet ist. Die Schauplatzwechsel erfolgen nahezu im Zwei-Minuten-Takt, um möglichst schnell wieder zu Adolf Hitler zu kommen. Ein Beispiel: Während allein die Vorstellung des deutschen Diktators die ersten 15 Minuten der Folge einnimmt, dauert der erste Auftritt von Winston Churchill, 1914 noch Marineminister, gerade einmal zwei Minuten.

Auch wenn die N24-Doku ganz bewusst ein bisschen Hollywood sein will — die alten Fotos und Filmaufnahmen der Jahre 1914 bis 1918 kommen zu selten vor. Gelungen sind sie trotzdem. Originalbilder des Attentats auf den österreichischen Thronfolger in Sarajevo, das den Beginn des Weltkrieges markiert, gehen tadellos über in nachgestellte Szenen. Das Ganze wirkt authentisch. Auch die animierten Karten, die Truppenbewegungen und Schlachtfelder anschaulich darstellen, geben dem Zuschauer eine Übersicht über das Kriegsgeschehen.

Die Experten — Professoren, ehemalige Regierungsfunktionäre oder Journalisten — haben jedoch keine sinnvolle Funktion, wirken teilweise alibimäßig dazwischengeschoben, um dem Hollywood-Streifen historische Kompetenz zu verleihen. "Pflichtbewusst, stolz aufs Vaterland, ehrgeizig und mutig, ein Macher" — nahezu jeder Protagonist wird mit den gleichen Eigenschaften beschrieben. Spätestens ab der zweiten Folge ist das langweilig und nervig.

Ein paar nennenswerte Fakten liefert die Folge trotzdem: Alle 15 Minuten starb ein Soldat auf dem Schlachtfeld. Das Maschinengewehr war die Neuheit des Ersten Weltkrieges. Rund 40.000 Kilometer Stacheldraht durchpflügten den europäischen Kontinent. Es folgen zwei Minuten aus dem Leben des 1914 noch jungen Leutnants Charles de Gaulle, dann wieder ein bisschen Winston Churchill und wieder ganz schnell ab zu Hitler. Mittlerweile dient er als Melder hinter der Frontlinie, wird in den Schützengräben mit dem Tod seiner Kameraden konfrontiert, was leider auch hier wieder in Theatralik ausartet. Mt verängstigter Miene steht Hilter mitten auf dem Schlechtfeld, umringt von Leichen und Stacheldraht. In Slow-Motion umkreist die Kamera seinen Kopf, die Geräuchkulisse versiegt. Der Zuschauer soll förmlich Spüren: In diesem Mann geht Ungeheures vor.

Skandal um betende Hitler-Statue
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Anschließend nimmt die Doku wieder Fahrt auf. In Amerika, Italien und Japan werden Captain George S. Patton, Scharfschüze Benito Mussolini und der "mutige, ehrgeizige und treue Soldat" Hideki Tojo regelrecht abgefrühstückt. Dann ein seltenes Highlight: ein Original-Filmausschnitt, der einen Gasangriff auf deutsche Soldaten zeigt. Zum Schluss treten dann noch Lenin und Genosse Stalin auf den Plan. Das wars mit Folge eins.

Was die erste Episode des Dramas bereits konsequent durchgezogen hat, treibt die Fortsetzung "Fataler Frieden" auf die Spitze. "The World Wars" wird immer mehr zur Hitler-Story. Zugegeben: Der Zuschauer erfährt, dass nun auch die USA in den Krieg eingreifen und der alliierte Vorstoß in Europa ist durch eine gelungene Kombination aus Original-Film und nachgestellter Szene sowie animierter Karte gut veranschaulicht. Doch auch diese Folge entpuppt sich schnell als Hitler-zentriertes Getose, alle anderen bleiben Nebendarsteller. Gezeichnet vom Grabenkrieg und einer Verletzung durch einen Gasangriff erlebt Hitler die Kapitulation Deutschlands im Lazarett. Das "Monster" akzeptiert die Niederlage und die Schmach des Versailler Friedensvertrages jedoch nicht und kämpft nun auf anderen Wegen weiter.

Die Experten, deren Text zunächst aus der ersten Folge übernommen scheint, glänzen nun erstmals als nützliche Hinweisgeber, erklären sorgfältig die Mentalität des geschlagenen deutschen Volkes und die desaströse wirtschaftliche Lage des Reiches. Kurz ein Exkurs zu Winston Churchill und Charles de Gaulle, danach gehört die Bühne wieder Adolf Hitler, der sein Talent nun als feuriger Redner im Bürgerbräukeller unter Beweis stellt.

Ausgabe von Hitlers "Mein Kampf" soll versteigert werden
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Ausgabe von Hitlers "Mein Kampf" soll versteigert werden

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Foto: afp, fjb/tcs

Maximilian Klas (24) verkörpert den noch jungen Hitler auf glaubhafte Art und Weise. Gestik und Mimik entsprechen dem Agitator, den man aus den historischen Aufnahmen kennt. Hitler, im Ersten Weltkrieg noch schüchtern und verängstigt, erscheint jetzt als Führungspersönlichkeit, der die Nazi-Partei NSDAP aufbaut, die Hakenkreuzfahne als markantes Merkmal einführt und gegen die Demokratie wettert, natürlich mit entsprechendem musikalischen Orchester, an das sich der Zuschauer wohl mittlerweile gewöhnt hat.

Die Folge endet mit dem gescheiterten "Hitlerputsch" von 1923. Der junge Hassprediger wird verhaftet und inhaftiert. Die Schlusszene: Hitler diktiert seinem Sekretär in der Zelle sein politisches Manifest, das Buch "Mein Kampf". Überblendung. "Sehen Sie demnächst bei 'The World Wars'", verkündet der Sprecher und leitet damit im GZSZ-Stil den Trailer der dritten Folge ein, die am Dienstagabend bei N24 zu sehen ist. Eine kurze hektische Bildabfolge lässt erahnen, dass das Getose weitergeht.

Fazit nach zwei Folgen: "The World Wars" ist Hollywood pur. Und genau das soll es auch sein. Nach den unzähligen Wiederholungen alter Dokus soll die spielfilmartige Reihe neuen Schwung in das Thema Adolf Hitler bringen. Wer auf Action steht, dürfte begeistert sein. Aber Produzent Davis hatte neue Ansätze und Einblicke versprochen. Die bleiben bislang aus. Zumindest gibt es nichts, was man nicht schon aus etlichen Guido-Knopp-Dokus kennt.

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