TV-Talk mit Anne Will "Kann Martin Schulz doch nicht über Wasser laufen?"

Düsseldorf/Berlin · Der Traum der SPD, der Schulz-Effekt könnte den Sozialdemokraten im Saarland zum Wahlsieg verhelfen, ist geplatzt. Über die Gründe dafür hatten Anne Wills Gäste ganz unterschiedliche Meinungen. Klar wurde trotzdem vor allem eins: Nach der Saarland-Wahl ist vor der Bundestagswahl.

Landtagswahl 2017: So lief der Wahlabend im Saarland
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So lief der Wahlabend im Saarland

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Foto: rtr, MDA

Darum ging's: Der Wahlsonntag im Saarland ist überraschend klar mit einem Sieg für die CDU und Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer zu Ende gegangen. Anne Will diskutierte mit ihren Gästen über die Hintergründe der Wahl im kleinsten deutschen Flächenland — und was die Saarland-Wahl für die Bundestagswahl im September zu bedeuten hat.

Darum ging's wirklich: Die Analyse des im Saarland verpufften Schulz-Effekts, ein rot-rotes Schreckgespenst und der sichtlich selbstzufriedene Volker Kauder bestimmten den Talk am Sonntagabend. Wichtiger als der Ausgang der Landtagswahlen im Saarland war allen Gästen die anstehende Bundestagswahl. Im Hinblick auf diese offenbarte die Diskussionsrunde vor allem, wie schwierig es nach der Wahl werden könnte, eine Koalition zu bilden.

  • Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz
  • Volker Kauder (CDU), Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
  • Sahra Wagenknecht (Die Linke), Fraktionsvorsitzende im Bundestag
  • Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen), Fraktionsvorsitzende im Bundestag
  • Markus Feldenkirchen, Hauptstadtkorrespondent "Der Spiegel"

Der Frontverlauf: Ob Martin Schulz doch nicht über Wasser laufen könne, wollte Anne Will als erstes von Malu Dreyer wissen. Die antwortete trocken, eine Landtagswahl sei keine Bundestagswahl. Auch sei im Saarland kein Duell zwischen Martin Schulz und Angela Merkel ausgefochten worden. Dreyer gab dennoch zu, dass sich die SPD mehr erhofft hatte. Den Sieg von Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer erklärte sie nicht zuletzt mit einem "Amtsbonus", von dem auch andere Ministerpräsidenten bei Landtagswahlen profitierten. "Die Saarland--Wahl ist nicht der Indikator für die Bundestagswahl", betonte Dreyer.

Auch der Journalist Markus Feldenkirchen warnte vor einfachen Erklärungen und einer "infantile Politikbetrachtung und Bewertung" des Schulz-Effekts. Die Wahl im Saarland sei nicht wichtig für die Bundestagswahl, befand Feldenkirchen. Nur weil die SPD einen neuen Vorsitzenden bekommen hätte, würde ein aufgeklärter Saarländer sich nicht spontan umentscheiden, sondern seine Stimme auch weiterhin einer Ministerpräsidentin geben, der er vertraue.

Volker Kauder sah das naturgemäß etwas anders. "Die Bundespolitik spielt natürlich schon eine Rolle", fand er. Der Wahlausgang im Saarland sei "eine tolle Überraschung". Mit Blick auf den neuen SPD-Chef und den vielzitierten Schulz-Effekt bemerkte er nur: "Meinungsumfragen, na ja". Kramp-Karrenbauer habe gezeigt, dass sich mit Persönlichkeit und klaren Vorstellungen Wahlen gewinnen ließen. Jetzt gehe es aber "schon wieder weiter in die nächste Wahlentscheidung". Die CDU jedenfalls sei motiviert.

Obwohl ein mögliches rot-rotes Bündnis im Saarland von den Wählern offenbar nicht goutiert wurde, betonte Sahra Wagenknecht, diese Wahl sei "ein guter Start" für die Linke. Ihre Partei sei "mit gutem Abstand dritte Kraft" geworden. Dass eine rot-rote Regierung nicht zu Stande gekommen sei, liege nicht an der Linken, sondern sei Martin Schulz und der SPD anzulasten. Der Kanzlerkandidat halte zwar gerne "blumige Reden, aber es kommt nicht Konkretes". Der SPD im Saarland habe auch geschadet, dass die Partei nicht klar auf rot-rot gesetzt habe. "Mit einer klaren Position hätte es ein besseres Ergebnis gegeben", so Wagenknecht.

Mit dieser Einschätzung war die Diskussion endgültig bei den Bundestagswahlen im September angekommen. Auf ihre Machtoptionen angesprochen distanzierten sich alle Politiker in der Runde von festen Koalitionszusagen. Dreyer wollte dafür kämpfen, dass die SPD auf der Bundesebene stärkste Kraft werde. Sie warnte vor "Ausschließeritis" und fand, verschiedene Koalitionen müssten in einer Demokratie möglich sein.

CDU-Politiker Kauder gab das die Gelegenheit, vor einer rot-roten oder einer rot-rot-grünen Koalition im Bund zu warnen. Gerade mit Hinblick auf globale Herausforderungen, wie Donald Trump im Weißen Haus und die Zukunft der Nato, werfe eine solche Konstellation "eine interessante Frage" auf, frotzelte er. Die CDU jedenfalls wolle, "dass die Nato stark bleibt", so Kauder. Als einziges Ziel gab er aus: "Wir wollen so stark werden, dass Angela Merkel wieder Kanzlerin wird." Die CDU lege sich auf eines fest, so Kauder: Angela Merkel.

Auch Katrin Göring-Eckardt wollte sich nur auf eine einzige Sache festlegen: "Wir werden einen Wahlkampf machen für grün. Punkt und Ende", so die grüne Spitzenkandidatin. "Es geht um die Frage, was kann man inhaltlich voranbringen", betonte sie. Und dabei gebe es durchaus auch Dinge, bei denen sie keine Kompromisse eingehen werde. "Ich werde in keine Koalition eintreten, in der die Obergrenze eine Rolle spielt", so Göring-Eckardt zum Streitpunkt der Flüchtlingsobergrenze, auf die Horst Seehofer beständig drängt. Ob der CSU-Chef oder Sahra Wagenknecht diese fordere, sei dabei egal.

Auch Wagenknecht wolle sich auf Inhalte konzentrieren. Man müsse schauen, welche Politik die einzelnen Parteien wollten, und dann sehen, wo es Überschneidungen gebe, so Wagenknecht. Dass eine solche sachliche Auseinandersetzung aber gerade zwischen der SPD und der Linken schwierig werden könnte, prophezeite Journalist Feldenkirchen. Bei der Linken hätten viele über zehn Jahre lang so getan, als säße der Hauptgegner bei der SPD und nicht bei der AfD und der CDU. "So was hat langfristige Folgen", so Feldenkirchen. Das Gleiche gelte auch für die SPD, die jahrelang eine Zusammenarbeit mit der Linken kategorisch ausgeschlossen habe.

Satz des Abends: "Frau Merkel und Herr Schulz haben nicht versagt oder gepunktet." (Markus Feldenkirchen)

Fazit: Nach der Wahl ist vor der Wahl, an diesem Wahlsonntag galt das ganz besonders. Und: wenn diese Talk-Runde als Gradmesser taugte, muss sich Deutschland auf bunte und schwierige Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl einstellen.

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